
"Ich habe mich in die Ikongrafie des Jazz verliebt, bevor ich die Musik überhaupt kannte. Ich war 13 als ich die Bilder von Musikern wie Chet Baker, Charlie Parker und Miles Davis entdeckte. Diese schwarz-weiß Fotos aus verrauchten Klubs, coole Typen mit coolen Drinks, chicen Anzügen und hübschen Frauen. Das war etwas ganz anderes als die Welt, in der ich lebte, in England auf dem Land. Also träumte ich vom New York der 1950er-Jahre und las die nicht enden wollenden Sätze von Jack Kerouac."
Aber lange sollte es nicht mehr dauern, bis Cullum nicht nur die Bilder, sondern auch den Sound für sich entdeckte. Der gleiche Onkel, der ihm das Fotografieren nahe legte, habe ihm auch Jazzplatten vorgespielt. Damit entdeckte er eine Welt, die er Anfang der 1990er-Jahre in England ganz für sich alleine hatte.
"Natürlich ging ich durch eine Phase, durch die auch alle meine Kumpels gingen: Kurt Cobaine und die Grungewelle, Soundgarden, Heavy Metal, aber ich hatte eben diese kleine Nische ganz für mich allein - nicht ganz allein, mit einem Freund schaute ich mir den Film 'Die fabelhaften Baker Boys' mindestens 100 mal an. Das lag vor allem an Michelle Pfeiffer, die wir wahnsinnig sexy fanden. Was für eine Welt! Das war wie eine Subkultur, ein Gegenentwurf zu dem, was alle anderen machten. Und dann war es auch noch alt. Obwohl ich es selbst nie mit alten Leuten in Verbindung brachte."
Aufgenommen in altmodischer Manier
Der Klang der neuen CD von Jamie Cullum mutet ungewöhnlich an. Wüsste man nicht, dass hier ein Zeitgenosse singt, müsste man sie wohl in den 1940ern ansiedeln, und zwar nicht in London, sondern in New York, auch nicht in Farbe, sondern eher in schwarz-weiß. Denn die CD mit Streichern und Bläsern zwar opulent besetzt, aber sie ist in altmodischer Manier aufgenommen worden: Alle Musiker in einem Raum, alle spielen gleichzeitig, Fehler sollten also möglichst vermieden werden:
"Ich habe Blut und Wasser geschwitzt bei den Aufnahmen. Da muss man wirklich das Beste geben! Aber es waren ja nur drei Tage, danach war alles im Kasten. Ich liebe es, dieses Album jetzt zu hören, der ganze Prozess war so konzentriert und kurz, dass ich keinen Überdruss empfinde. Das ist selten in meiner Branche - U2 hat einmal fünf Jahre an einem Album gebastelt - das muss denen wirklich zum Halse rausgehangen haben. Bei mir ganz anders: Nutze deine Fähigkeiten und deine Erfahrung, mach etwas Gutes und Ehrliches und danach kannst du wieder über etwas anderes nachdenken."
Interpretation gemeinsam mit Gregory Porter
"Don't let me be misunderstood" bekannt geworden ist dieser Bluessong in Deutschland 1977 in einer Flamenco-Disco Version, Jamie Cullum hat sich für seine Interpretation die Unterstützung des derzeit gefragtesten Jazzsängers überhaupt geholt - Gregory Porter. Für den kleinen Briten eine besondere Herausforderung.
"Gregory hat eine Stimme - man kann es wie bei Aretha Franklin nicht leugnen - die einfach großartig ist. Meine Stimme ist noch so! Wie kann ich es also schaffen, dass die Leute mich auch dann noch hören wollen, selbst wenn ich neben diesem stimmlichen Superstar auftauche? Aber Gregory hat nicht nur eine tolle Stimme, er hat auch etwas zu sagen. Und daran habe ich mich orientiert: Es geht nicht um Technik oder Virtuosität, es geht darum, eine Geschichte zu erzählen. Wir erzählen die Geschichte, wie sich zwei Männer um eine Frau streiten. Was natürlich auch eine amüsante Seite hat, wenn man bedenkt, dass Gregory früher ein gefragter Footballspieler war und ich noch nicht einmal 1,60 groß bin."
"Interlude" - dem Namen nach handelt es sich bei der neuen CD von Jamie Cullum nur um ein kleines Zwischenspiel. Sei es drum, denn es ist sehr gelungen und zeigt, dass der 35-Jährige zu Recht einer der erfolgreichsten Musiker seiner Generation ist. Dass er durch seine spontane und direkte Art dem Jazz nebenbei auch noch jene jugendliche Frische verleiht, die diese Musik einstmals hatte, dafür könnte ihm auch jeder ältere Jazzfan dankbar sein.