Dommaraju Gukesh hat sich mit 18 Jahren zum jüngsten Schach-Weltmeister der Geschichte gekrönt. Für Bundestrainer Jan Gustafsson war das aber nur bedingt überraschend:
"Das Match war knapp und spannend. Und natürlich ist es überraschend, ein Achtzehnjährigen als Schachweltmeister zu haben. Aber nachdem er sich für das Match qualifiziert hatte, ging er als Favorit da rein."
Titelverteidiger und Finalgegner Ding Liren hatte nach Sicht des 45-Jährigen "zwei sehr schwache Jahre und wirkte nicht ganz wie er selbst." Was diese Weltmeisterschaft und dieses Duell besonders interessant gemacht habe:
"Vom menschlichen Drama her – das ist ja kein Geheimnis, das Ding Liren Probleme hatte mit seinem Selbstvertrauen in letzter Zeit. Und Gukesh war sehr jung und optimistisch."
Vorhersagen zu Gukesh noch "zu früh"
Viel könne man über den neuen Weltmeister noch nicht sagen. Ihn als neuen Favoriten zu bezeichnen, sei "zu früh":
"Zu sagen, er gehört zu einer sehr starken Generation von 18- bis 21-Jährigen, die jetzt langsam die etablierten noch nicht ablösen, aber daran kommen, nachdem vorher die Generation von Magnus Carlsen [...] dominiert hat", so Gustafsson, der nachschob: "Aber mit 18 Weltmeister zu werden, ist kein schlechter Anfang."
Hat Indien inzwischen eine neue Vorherrschaft im Schach?
Neben Indien, das mit Viswanathan Anand und Dommaraju Gukesh in jüngster Zeit zwei Weltmeister herausgebracht hat, sei noch Usbekistan als weltweit führend zu nennen: "Indien und Usbekistan sind die boomenden Schachnationen", so Gustafsson.
Besonders der indische vierfache Weltmeister Viswanathan Anand investiert, um indische Talente so zu fördern, dass sie an die Weltspitze kommen können. "Da fließt unheimlich viel Geld und Leidenschaft ins Schach, was sich natürlich bemerkbar macht".
Gustafsson sieht "unterschiedliche Welten"
Neidisch sei der Bundestrainer auf diese Bedingungen in Indien aber nur bedingt:
"Es sind unterschiedliche Welten, das ist schwer zu vergleichen. Und wir haben auch keine Gesellschaftsstruktur in Deutschland, wie sie in Indien herrscht. Aber natürlich ist das für unsere Spieler ein Wettbewerbsnachteil, wenn es da soviel mehr Unterstützung gibt und die von ganz, ganz jungen Jahren an schon voll auf Schach setzen."
Gustaffson sieht diesen Umstand positiv: "Ist doch schön, wenn das Schachspiel irgendwo in der Welt populärer wird."
Lücken in Deutschland: "Geht immer um Geld"
Bei den zu verbessernden Bedingungen in Deutschland gehe es "am Ende des Tages immer um Geld", so Gustaffson: "Der Deutsche Schachbund hat nicht viel Geld, das kann man ablesen. Und jeder Support hilft da wahnsinnig, weil Geschichten wie Trainingslager, Turnierreisen und so weiter, Geld kosten. Und da haben die indischen Spieler eine Absicherung oder Supportsystem, was wir nicht haben."
Trotz dieser Lücken sieht Gustaffson Deutschland gut positioniert: "In der Breite sind wir gut aufgestellt. Nach Russland und den USA haben wir die drittmeisten Großmeister. Aber wenn es darum geht, voll auf Schach zu setzen, und den Sprung in die Weltspitze zu schaffen – damit tun wir uns schwer."