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Doping-Beichte von Jan Ullrich
Dopingexperte Seppelt: "Hat sich größten Gefallen getan"

Jan Ullrich hat zugegeben, gedopt zu haben. Er habe beim Ex-Radprofi echte Reue wahrgenommen, sagte Hajo Seppelt im Dlf. Ullrichs Einschätzung, der Radsport sei heute viel sauberer, teilt der ARD-Dopingexperte aber nicht.

Hajo Seppelt im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Das Bild zeigt das Jan Ullrich im Gelben Trikot auf seinem Fahrrad während der Tour de France 1997.
Jan Ullrich im Gelben Trikot während der Tour de France 1997. (imago / Reporters)
Jan Ullrich hat sein Schweigen gebrochen. "Ja, ich habe gedopt", sagte der ehemalige Radprofi und Tour-de-France-Sieger von 1997 bei einer Podiumsdiskussion zur Vorstellung einer Doku-Serie über ihn.
"Ich glaube, er hat sich damit den größten Gefallen getan", sagte ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt im Deutschlandfunk. Seppelt hat Ulrich nach seinem Geständnis in der Schweiz besucht und ein Interview mit ihm geführt. "Ich glaube, es wäre gut gewesen, hätte er es früher getan. Das hat er auch eingeräumt. Dann hätte er sich möglicherweise aus dieser seelischen Tour der Leiden, die er über Jahre mit Alkohol- und Drogenproblemen erlitten hat, früher herausziehen können."
Das Bild zeigt ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt. Er trägt ein graues Polo-Hemd und ein blaues Jacket und steht in einem Innenhof.
ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt (IMAGO / Rolf Walter / IMAGO / Rolf Walter)

"Er war gefangen in sich selber"

Er habe bei Ullrich echte Reue wahrgenommen, sagte Seppelt. "Ich glaube, er war gefangen in sich selber. Er war natürlich auch gefangen, was die Umstände betraf. Juristische Umstände beispielsweise, oder die Angst, Sponsoren könnten ihn noch zur Kasse bitten. Aber er sagte selber in dem Interview, dass er sich da hineinbegeben hat, weil er glaubte, er sei ein Kämpfer, er stehe das durch. Und das hat er eben nicht getan. Denn am Ende ist es eine Lebenslüge, die er über viele Jahre aufrecht erhalten hat."
Von 1996 bis 2006 habe Ulrich Epo- und Blutdoping betrieben, habe Ullrich gegenüber Seppelt gesagt. "Und das war eine Last, die schon ihm schon 2006, 2007 offensichtlich schwer zu schaffen machte. Und auch über die Jahre danach immer wieder. Denn man hat ja nicht aufgehört, danach zu fragen", sagte der Journalist.

Ullrich belastet seinn Umfeld nicht

Zu seinem Umfeld sagt Ullrich jedoch bis heute nichts. "Er belastet andere nicht und begründet das damit, dass er der Auffassung ist, dass das andere mit sich ausmachen müssen. Er will keinen hereinziehen in die Situation, jeder muss das für sich selbst entscheiden. Das kann man verstehen", sagte Seppelt und schob nach: "Auf der anderen Seite ist es natürlich trotzdem doof, dass da nicht eine Art von historischer Aufklärung weitergeht, als man das jetzt bei ihm erlebt hat."
Ullrich glaube, dass der Radsport heute sauberer ist, sagte Seppelt. "Er sagt aber auch gleichzeitig, dass er das nur von außen beobachtet und ihm deswegen der Überblick fehlt. Er glaubt aber fest daran, dass alles viel besser sei."

"Heißt nicht, dass der Radsport wirklich sauber ist"

Das müsse man differenziert betrachten, ergänzte Seppelt: "Erstens ist es so, dass die ganz großen systematischen Dopingbetrügereien der Neunziger- und Nullerjahre heute in der Tat nicht mehr existieren. Das heißt aber überhaupt nicht, dass damit der Radsport wirklich sauberer ist, sondern schlicht die Abschreckung ist heute größer und die Angst vor sozialer Ächtung. Die Angst davor, juristisch belangt zu werden, weil das Kontrollnetz schon dichter ist als früher."
Beweisbares gäbe es zu Doping im heutigen Radsport aber nicht, sagte Seppelt. "Ich denke aber noch an die Tour de France 2023, als wir auch in der ARD wieder über Dopingverdächtigungen im Team Bahrain berichtet haben, war die erste Reaktion als wir einen deutschen Fahrer zu Doping gefragt haben, ein Interview-Boykott. Nach wie vor scheint es ein Stück weit so zu sein, dass es angeblich kein Doping im Radsport mehr gäbe, aber reden will auch keiner drüber. Weil das Reden über Doping ist vor allem das geschäftsschädigende für die."

Ullrich kann sich NADA-Job vorstellen

Dass Jan Ullrich noch einmal in den Profi-Radsport zurückkehren wird, glaubt Seppelt indes nicht. "Er hat mir im Interview auch gesagt, dass es nicht automatisch der Profi-Radsport sein muss. Er liebt den Radsport nach wie vor. Er möchte da eine Rolle spielen, aber er kann sich genauso vorstellen, im Amateur- oder Jugendbereich tätig zu sein."
Zudem könne Ullrich sich vorstellen, für die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) zu arbeiten, sagte Seppelt. "Er würde gerne auch mal erklären oder möglicherweise Menschen davor warnen, wenn man in diese Doping-Spirale hinein gerät. Er sagt, er hätte die Tour de France 1997 gerne sauber gewonnen. Aber das ist ihm verwehrt geblieben."