Manche kommen ganz plötzlich und ungewollt zu ihm, andere kämpfen, um ihn zu erlangen – und dann umso stärker, um ihn zu behalten. Die Rede ist vom Ruhm. Höher, weiter, schneller, von allen gekannt, von allen verehrt, Einfluss, Erfolg, Geld: Dies alles sind Komponenten des Berühmtseins, nach denen viele Menschen streben. Doch was kommt danach? Was muss man tun, um auch morgen noch aufzufallen, zu überzeugen und nicht vom nächsten Helden abgelöst zu werden? „Der Ruhm, nach dem wir trachten, den wir unsterblich achten, ist nur ein falscher Wahn.", schrieb schon Andreas Gryphius im 17. Jahrhundert. So schnell wie er gekommen ist, kann der Ruhmesmoment auch schon wieder vorbei sein.
Schon immer haben Menschen nach Ruhm gestrebt, sei es in der Politik, in der Wissenschaft oder in der Kunst (siehe dazu auch unser »lyrix«-Thema im März 2014). Damals ging es jedoch eher um vergangenen Ruhm, um das, was bleibt. Diesmal liegt unser Schwerpunkt auf der Frage, wie man Ruhm erlangt. Eine Möglichkeit, schnell zu Ruhm und Ehre zu gelangen, bieten seit jeher sportliche Wettkämpfe. Schon das antike Griechenland hatte eine ausgeprägte Wettkampfkultur.
Unser ausgewähltes Monatsexponat aus dem Bayerischen Nationalmuseum zeigt, wie der sportliche Kampf nach Ruhm im 16. Jahrhundert aussehen konnte. Das „Nürnberger Gesellenstechen" bildet detailreich ein prachtvolles Turnier inmitten von Zuschauermassen ab. Turniere oder „Gesteche" waren die vornehmste Art der Ritterspiele. Dabei versuchten die Reiter nach allen Regeln der Kunst unter Einhaltung der ritterlichen Normen, einander aus dem Sattel zu stoßen oder die Lanzen zersplittern zu lassen. Die auf dem Exponat dargestellten Nürnberger Patrizier waren zwar keine Adeligen und daher auch keine Ritter, trugen aber auf dem Hauptmarkt vor der Frauenkirche ein eigenes Turnier aus, um ihren vornehmen Lebensstil zu belegen: „Nach ganz höflicher weis" kämpften sie um „ir Ru[h]m, Lob und Preis", wie der Nürnberger Dichter Hans Sachs es auf den Punkt brachte. Das dargestellte Turnier vom 3. März 1561 war das letzte seiner Art in Nürnberg. Die Reiter, die sogenannten Gesellen, befinden sich in verschiedenen Phasen der Vorbereitung und des Kampfes. Zwischen ihnen tummeln sich Waffenmeister zu Pferde, Knechte in Narrenkostümen und Musiker.
Sportliche Großereignisse ziehen regelmäßig Massen in die Stadien und vor die Bildschirme. Unvergessen bleibt beispielsweise die Fußball-WM 2014. Auch für unseren Monatsautor Albert Ostermaier, der ein ganzes Buch mit Fußball-Oden geschrieben hat und so den Sport und seine Spieler feiert. Er erhebt sie zu mythischen Gestalten, zu Göttern unserer Zeit und spielt mit ihrem Heldenbild. Eine seiner Oden widmet er Sebastian Schweinsteiger und dessen Spielkunst:
ganymeds game oder: ode an bastian schweinsteiger
was denkst du bergsohn sehne
der götter den adler zeus im auge kreist er in dir die seele suchend
der schönheit sprunggelenk den
schlüssel des spiels im bein das
bricht der blick im wechsel der
winde die stirn dem sturm bot
er dem ball die gedanken die
füsse flink wie verse ziehst du
deine zeilen über den rasen
für die worte der anderen
geduldiger bastian fussballgott
in tausend kehlen einsamer
schärfst du das spiel schon
quillts tief in ihm reinigt im
zorn der gefesselte sich nun
eilt er der beidfüssige spannt
den bogen das bein im goldenen
winkel fährt es hinab wie ein
blitz auf das rund die erde
bebt die brust brennt das herz
das noch immer läuft und
läuft und läuft und läuft über
den pass der parnass die pupillen
im himmel lässt er die himmlischen
warten die hände über dem kopf
das flies auf der schulter schenkt
er den beifall ihnen der nur ihm
gebührt im gras
der götter den adler zeus im auge kreist er in dir die seele suchend
der schönheit sprunggelenk den
schlüssel des spiels im bein das
bricht der blick im wechsel der
winde die stirn dem sturm bot
er dem ball die gedanken die
füsse flink wie verse ziehst du
deine zeilen über den rasen
für die worte der anderen
geduldiger bastian fussballgott
in tausend kehlen einsamer
schärfst du das spiel schon
quillts tief in ihm reinigt im
zorn der gefesselte sich nun
eilt er der beidfüssige spannt
den bogen das bein im goldenen
winkel fährt es hinab wie ein
blitz auf das rund die erde
bebt die brust brennt das herz
das noch immer läuft und
läuft und läuft und läuft über
den pass der parnass die pupillen
im himmel lässt er die himmlischen
warten die hände über dem kopf
das flies auf der schulter schenkt
er den beifall ihnen der nur ihm
gebührt im gras
(Aus: Albert Ostermaier, Flügelwechsel. Fußball-Oden, Insel Verlag 2014, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags)
Hier könnt ihr euch anhören, wie Albert Ostermaier diese und weitere Fußball-Oden rezitiert.
Lasst euch vom „Nürnberger Gesellenstechen" und „ganymeds game" inspirieren. Was bedeutet für euch der Kampf um den Ruhm? Lohnt er sich? Wie sehen für euch sportliche Ruhmeskämpfe aus – früher oder heute? Unsere Fußballstars schwimmen gerade oben auf der Ruhmeswelle. Aber wie lange noch? Und welche Rolle spielen die Medien im Kampf um den Ruhm? Welchen Sportler würdet ihr in einem Gedicht rühmen? Schickt uns eure Texte! Wir freuen uns darauf
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Albert Ostermaier (www.albert-ostermaier.com), geboren 1967, lebt und arbeitet in München. 1988 veröffentlichte er den ersten Gedichtband „Verweigerung der Himmelsrichtung". 1990 erhielt er das Münchener Literaturstipendium. Er war Hausautor am Nationaltheater Mannheim von 1996 bis 1997, am Bayerischen Staatsschauspiel München von 1999 bis 2000 und am Burgtheater Wien von 2003 bis 2009. Die zahlreichen Theaterstücke wurden von renommierten Regisseuren unter anderem von Andrea Breth, Matthias Hartmann und Martin Kušej inszeniert. 1998 schrieb er zum 100. Geburtstag von Bertolt Brecht das Theaterstück „The Making Of. B.-Movie" für das Bayerische Staatsschauspiel München. 2008 veröffentlichte er den ersten Roman „Zephyr".
Ostermaier erhielt zahlreiche Auszeichnungen unter anderem den Ernst-Toller-Preis, den Kleist-Preis, den Bertolt-Brecht-Preis und den Welt-Literaturpreis. Er ist Torwart der deutschen Autorennationalmannschaft und Kurator der DFB-Kulturstiftung.
Das Bayerische Nationalmuseum (www.bayerisches-nationalmuseum.de), 1855 von König Maximilian II. gegründet, zählt zu den großen kunst- und kulturhistorischen Museen in Europa. Den Kernbestand der Sammlungen bildet der Kunstbesitz des Hauses Wittelsbach. Das nach den Entwürfen Gabriel von Seidls in den Stilformen des Historismus errichtete Gebäude mit seinen einzigartigen historischen Interieurs ist einer der originellsten und bedeutendsten Museumsbauten aus der Zeit um 1900. In einem abwechslungsreichen Rundgang erschließen sich dem Besucher die abendländischen Kunstepochen von der Spätantike bis zum Jugendstil. Die Schausammlung bietet neben zahlreichen Meisterwerken der Skulptur und Malerei, kostbare Elfenbein- und Goldschmiedearbeiten, Bildteppiche, Möbel, Waffen und erlesenes Porzellan. Die weltberühmte Krippensammlung umfasst mehr als 60 illusionistisch aufgebaute Weihnachtsszenen mit einer Vielzahl von Figuren, die zwischen 1700 und 1850 in Neapel, Sizilien und dem Alpenraum entstanden sind.