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Japanische Gewaltorgie in China

Am 13. Dezember 1937 erreichte die japanische Armee die chinesische Hauptstadt Nanking. Bei dem anschließenden Massaker mordeten, vergewaltigten und plünderten die Japaner. Auf politischer Ebene wird bis heute um die genaue Zahl der Opfer gestritten.

Von Barbara Geschwinde |
    "Die Japsen hatten so viele Leute umgebracht, dass sämtliche Flüsse, Teiche und Quellen verseucht waren und sie selbst kein sauberes Trinkwasser mehr fanden. Sogar der Reis, den sie aßen, war ganz rot, weil sie ihn in blutigem Wasser kochten. Einmal hat uns der Koch einer japanischen Feldküche ein paar Schalen von diesem Reis gegeben. Mein Mund schmeckte noch Stunden später nach Blut."

    Ein Zitat aus dem Roman "Nanking Requiem" von Ha Jin. Tagebücher von japanischen Soldaten dienten dem Schriftsteller als Vorlage.

    Seit Anfang der 1930er-Jahre verfolgten die von der Weltwirtschaftskrise schwer getroffenen Japaner eine aggressive, imperialistische Politik zur Ausweitung ihrer Kolonien. Sie waren in die Mandschurei einmarschiert und rückten von dort in Richtung Peking vor. Am 7. Juli 1937 begann mit einem Feuergefecht an der Marco-Polo-Brücke bei Peking der Zweite Chinesisch-Japanische Krieg. Bis Dezember rückte die japanische Armee schnell vor und besetzte weite Teile Nordchinas. Die Japaner hofften, dass der Fall Nankings, der Hauptstadt Chiang Kai-sheks, Chinas Willen zum Widerstand schnell brechen würde.

    Als die japanischen Truppen sich Nanking näherten, verließen die meisten Ausländer die Stadt. Nur eine Handvoll Europäer und Amerikaner blieben. Sie gründeten unter der Leitung des deutschen Siemens-Mitarbeiters John Rabe eine Sicherheitszone, die der Zivilbevölkerung Zuflucht bot. Etwa 250.000 Chinesen fanden darin Schutz. Am 13. Dezember 1937 besetzten die japanischen Truppen Nanking. Etwa sechs Wochen lang gaben sich die Japaner einer Orgie von Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen hin. Die Zahl der Opfer lässt sich nur schätzen; die Chinesen sprechen von 300.000 Toten und 80.000 Vergewaltigten.

    Nanking ist das Symbol für japanische Kriegsverbrechen in China. Vielen Chinesen macht es bis heute jeden Gedanken an Aussöhnung mit Japan unmöglich. Das Massaker nimmt im historischen Gedächtnis der Nankinger Bürger einen zentralen Platz ein; die Vergangenheit ist hier allgegenwärtig. Der chinesische Historiker Xiangmin Yang:

    "Es gibt mehr als 17 Gedenksteine. Sie sind über die Stadt verstreut. Einer ist beinahe zerstört worden durch Baumaßnahmen, das hat einen Skandal verursacht."

    Zwischen 1946 und 1948 führten die alliierten Siegermächte in Tokio Prozesse gegen die japanischen Kriegsverbrecher. Doch Historiker diskutierten die Ereignisse weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. In den 70er-Jahren veröffentlichte ein japanischer Journalist eine Reihe von Artikeln über die Gräueltaten, die japanische Soldaten während des Zweiten Weltkriegs begangen hatten. Sofort verschafften sich auch die Leugner dieser Verbrechen in Japan öffentlich Gehör. Die Japanologin Steffi Richter:

    "Hier ist spätestens in den 80er-Jahren von der seriösen Geschichtswissenschaft in Japan festgestellt worden, Nanking hat natürlich stattgefunden, es gibt die und die Dokumente, es gibt die und die Quellen. Die Schreibung der Geschichte des Nanking-Massakers ist ein Prozess. Einer der Revisionisten, Higashi Nakano, der geht ja plumperweise davon aus, gucken wir uns doch mal die Massenmedien von 1938 an, da kommt das Wort Nanking-Massaker nicht vor, also hat's das Nanking-Massaker nicht gegeben. Unsinn."

    Das Gedenken an das Nanking-Massaker nahm in der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur der Volksrepublik China viele Wendungen. Als die Kommunisten 1949 in China die Macht übernahmen, versuchten sie, das Massaker zu ignorieren, um die Beziehungen zum wirtschaftlich mächtigen Nachbarland Japan nicht zu belasten. Nach Maos Tod änderte sich die Politik. Seitdem drängt China auf japanische Reue. Im Jahr 1985 eröffnete eine Gedenkstätte in Nanking mit zahlreichen Dokumenten, Fotos und historischen Filmaufnahmen von dem Massaker. In einem Raum des Museums fällt alle zwölf Sekunden ein Wassertropfen von der Decke und es leuchtet das Foto eines Ermordeten auf. Das steht symbolisch dafür, dass alle zwölf Sekunden ein Mensch gestorben ist: 300.000 Opfer in sechs Wochen. Seit den 90er-Jahren ist die Beschäftigung mit dem Nanking-Massaker intensiver denn je: Musik, Filme, Literatur und wissenschaftliche Publikationen sind erschienen. Ein gemeinsames chinesisch-japanisches Geschichtsbuch von Historikern beider Länder steht allerdings noch aus. Und bis heute wartet China vergebens auf eine offizielle politische Entschuldigung aus Japan.