"Die haben uns also den Ferdinand umgebracht", sagte die Zugehfrau zu Herrn Švejk. "Welchen Ferdinand, Frau Müllerová?" fragte Švejk, "ich kenne zwei. Den einen, der Laufbursche beim Drogisten Průša ist und der ihm dort einmal versehentlich eine Flasche mit irgendeiner Haartinktur ausgetrunken hat, und dann kenne ich noch den Ferdinand Kokoška, der Hundekacke aufsammelt. Um beide ist es nicht schade." "Aber gnädiger Herr, den Herrn Erzherzog Ferdinand, den aus Konopischt, den dicken, frommen."
Es ist das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914, mit dem die Abenteuer des guten Soldaten Švejk beginnen. Der Protagonist Josef Švejk ist ein zwielichtiger Hundehändler aus Prag, der vor Jahren aus dem Militärdienst entlassen worden war, nachdem ihn die Ärzte für geistesschwach erklärt hatten. Doch schon wenige Tage nach Ausbruch des Krieges wird er erneut in die kaiserlich-königliche Armee eingezogen, wo er nach einigen Wirren und Wendungen schließlich dem Oberleutnant Lukáš als Offiziersdiener zugeteilt wird. Der schärft Švejk sogleich ein, stets die Wahrheit zu sagen und ohne Meckern alle Befehle auszuführen.
"Wenn ich sage: Springen Sie ins Feuer, dann müssen Sie ins Feuer springen, auch wenn Sie es nicht wollen. Wohin schauen Sie da?" Švejk guckte mit Interesse auf die Seite, wo an der Wand ein Käfig mit einem Kanarienvogel hing, und nun richtete er seine gutmütigen Augen auf den Oberleutnant und antwortete ihm mit einem lieben und netten Ton: "Melde gehorsamst, Herr Oberleutnant, dass dort ein Kanarienvogel ist." Und während er so den Schwall der Rede des Oberleutnants unterbrach, stand Švejk in militärischer Stellung, zuckte nicht mit der Wimper und blickte ihm geradewegs in die Augen. Der Oberleutnant wollte ihm irgendetwas Scharfes sagen, als er aber den unschuldigen Ausdruck in Švejks Gesicht erblickte, sagte er lediglich: "Der Herr Feldkurat hat Sie als ungeheuren Trottel rekommandiert, und ich denke, er hat sich nicht geirrt."
Švejk der gutmütige Trottel – das ist das eine Gesicht der Figur, ein einfacher Soldat, der stets vorbildlich seine Pflichten erfüllt und Befehle so streng im wortwörtlichen Sinne ausführt, dass oft das Gegenteil dabei herauskommt. Švejk versteht es aber auch, mit Witz und List unzählige heikle Situationen zu überstehen, Autoritäten bloßzustellen und sie mit seiner unendlichen Treuherzigkeit und Gelassenheit zur Weißglut zu treiben. Ursprünglich – sagt Antonín Brousek, der den Klassiker neu ins Deutsche übersetzt hat – habe der Autor Švejk als Idioten konzipiert. Beim Schreiben sei Hašek davon jedoch abgekommen:
"Der Idiot bricht aber immer wieder durch. Es gibt also Stellen, wo er wirklich einer ist und sich eindeutig als solcher benimmt. In der Regel ist er aber keiner. Er täuscht es auch nicht vor, einer zu sein. Er nimmt alles ganz wörtlich und wirkt wie ein Idiot, ist sehr klug und sehr intelligent, lässt alle auflaufen. Er ist also auf jeden Fall janusköpfig, würde ich sagen. Und deswegen ist seine Figur letztendlich schwer zu erfassen, weil der Autor es nicht konsequent durchgehalten hat – weder in die eine noch in die andere Richtung."
Konsequent hingegen hält Hašek das Grundprinzip des Švejkschen Humors durch: die Anekdote. Immer wieder und in den unmöglichsten Situationen gibt Švejk eine seiner unerschöpflichen Wirtshausgeschichten zum Besten. Es sind diese Anekdoten, die Sprüche und Begebenheiten, die den Leser immer wieder zum Schmunzeln bringen und manchmal auch herzhaft zum Lachen. So wird das Buch vor allem als Satireroman wahrgenommen und auch in den zahlreichen Verfilmungen steht fast immer der Klamauk im Vordergrund. Dabei ist der Humor stellenweise nur ein Stilmittel, um die Brutalität des Krieges für den Leser erträglicher zu machen. Auf seinem Weg an die Front sieht der gute Soldat Švejk, was Jaroslav Hašek im Krieg selbst erlebt hatte:
"Die Hänge und Berglehnen der Karpaten waren von Schützengräben zerfurcht, wobei sich auf beiden Seiten große Granattrichter befanden. Sturzbäche und Regengüsse hatten am Rande zerrissene Fetzen österreichischer Uniformen aufgedeckt. Auf einer alten abgebrannten Kiefer hing im Gewirr der Zweige der Stiefel eines österreichischen Infanteristen mit einem Stück Schienbein darin. Man konnte Wälder ohne Blätter und ohne Nadeln, Bäume ohne Kronen und zerschossene Gehöfte sehen, so hatte hier das Artilleriefeuer gewütet."
Passagen wie diese machen deutlich, warum das Buch zu Recht zu den bedeutendsten Anti-Kriegs-Romanen der Weltliteratur zählt. Weltliteratur, die in der Kneipe entstanden ist. In der Nähe des Zapfhahns fühlte sich der Schriftsteller Jaroslav Hašek zeitlebens zuhause. Hier hat er, während er Bier trank und mit Freunden Karten spielte, große Teile des Romans verfasst, in einer einfachen, teils recht derben tschechischen Umgangssprache. Die Übersetzung ins Deutsche aus den 1920er-Jahren hingegen sei schwerfällig und altertümlich gewesen, sagt der selbst erklärte Švejk-Fan Antonín Brousek. Deswegen habe er sich lange geärgert – und schließlich selbst damit begonnen, das Buch neu zu übersetzen.
"Ich wollte einfach, dass der deutsche Leser erkennt, das Buch das lässt sich ganz einfach prima lesen. Das ist ein wahnsinniger – wenn ich diesen Ausdruck benutzen kann – Schmöker. Das kann man aufschlagen, liest sich eine Seite durch und sagt sich, das ist ja herrlich. Dann klappt man's wieder zu."
Das ist dem Übersetzer uneingeschränkt gelungen.
Jaroslav Hašek: "Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk im Weltkrieg", Übersetzung: Antonín Brousek, Philipp Reclam Verlag, 1008 Seiten, Preis: 29,95 Euro, ISBN: 978-3-150-10969-4