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Jaroslav Rudiš
Kafka mit Humor lesen

Mit seinem Comic "Alois Nebel" ist Jaroslav Rudiš in Deutschland bekannt geworden. Jetzt ist ein neuer Roman des tschechischen Schriftstellers erschienen: "Vom Ende des Punks in Helsinki". Und mit einem literarischen Musikprojekt, der "Kafka Band", geht Rudiš gerade auf Tour.

Von Anette Selg |
    "Ich wusste sehr lange von diesem Konzert der Toten Hosen in Pilsen in der Tschechoslowakei 1987. Das war das erste offizielle Konzert von den Toten Hosen im Osten. Und ich war nicht da, ich war 15 damals. Es war ein Friedensfestival, da sollten der Osten und Westen gemeinsam gegen den atomaren Krieg und diese Bedrohung zusammen protestieren."
    "Vom Ende des Punks in Helsinki" heißt der neue Roman des tschechischen Autors Jaroslav Rudiš. Und das legendäre Punkkonzert in Pilsen, das damals im kompletten Chaos, mit diversen Schlägereien und der Verhaftung der Toten Hosen endete, spielt eine entscheidende Rolle darin.
    "Und zu diesem Konzert sind eben nicht nur die tschechischen Punks, sondern auch ostdeutsche Punks hingereist. Und ich dachte: Mann, da standen vielleicht die Deutschen und die Tschechen zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zusammen und haben gegen etwas, gegen jemanden gekämpft, nämlich gegen diesen sozialistischen, vielleicht, Volkspolizisten. Und da lass ich meine Helden sich treffen. Also, der Ole, ein deutscher Punk, und dieses tschechische Mädchen, Nancy. Und die verbringen drei Tage miteinander und nach diesen drei Tagen ist alles anders. Nach diesem Konzert ist alles anders."
    Der zweite Erzählstrang in Rudiš' Roman spielt im Heute, in irgendeiner ostdeutschen Stadt. Hier betreibt Ole, der einmal Punk war, eine kleine Bar, das "Helsinki". Doch nicht die Musik, sondern die umliegenden Großbaustellen bringen die Wände zum Zittern. Ole muss seine Bar wegen Einsturzgefahr schließen.
    Helsinki, Hamburg, Berlin, Prag
    Jaroslav Rudiš sammelt solche Gentrifizierungsgeschichten, findet sie in Hamburg oder Berlin, aber genauso auch in Prag.
    "Was mich dran interessiert, ist diese alte Geschichte, die da auch verschwindet unter diesen neuen Fassaden. Die auch verschwindet, wenn die Leute ausziehen müssen. Und plötzlich kommen neue Leute. Aber ich hoffe drauf, dass unter diesen neuen Fassaden immer noch das alte irgendwie aufbewahrt bleibt."
    Jaroslav Rudiš, braune kurze Haare, mittelgroß, redet ohne Punkt und Komma. Er ist ein erstaunlicher Mensch, der einfach drauflos macht. Als Teenager schläft er mit dem Deutsch-Wörterbuch ein, so sehr begeistert ihn die Sprache. Später schreibt er Romane, obwohl er eigentlich Geschichte und Germanistik auf Lehramt studiert. Er verfasst Comics, schreibt Drehbücher. Und auch wenn er kein Deutsch- und Geschichtslehrer geworden ist, setzt er sich immer wieder mit beiden Themen auseinander.
    "Immer wieder sind es zwar Geschichten, die im Hier und Jetzt spielen, aber im Hintergrund kommt diese spannende, auch tragische Geschichte von Mitteleuropa hoch. Alles was hier, da passiert ist. Dieses Thema vom Sudetenland, vom Altvatergebirge: Ich finde das einfach unheimlich spannend, weil, da liegen einfach so viele Geschichten begraben. Weil darüber so lange nicht gesprochen wurde. Man durfte darüber nicht sprechen. Das war alles tabuisiert, diese ganze deutsch-tschechische Geschichte. Aber auch diese deutsch-jüdische Geschichte von Prag, von Tschechien, von der Tschechoslowakei."
    Und auch noch Musik
    Musik macht Jaroslav Rudiš jetzt auch noch. Gemeinsam mit dem tschechischen Comiczeichner und Musiker Jaromir 99, mit dem er bereits den Comic "Alois Nebel" verfasst hat. Unter dem Namen Kafka Band haben sie zehn Rocksongs aufgenommen - eine Umsetzung von Franz Kafkas Roman von 1922, "Das Schloss". Die Musik von Kafka-Band klingt nicht wirklich neu. Die Kafka-Texte dagegen, die Rudiš auf deutsch und tschechisch spricht, sind unverändert mächtig.
    Gemeinsam mit sieben Musikern steht Jaroslav Rudiš bei den Auftritten von Kafka Band auf der Bühne. In deutschsprachigen Literaturhäusern, aber Anfang Juni auch im renommierten Archa-Theater in Prag.
    "Vor allem in Tschechien ist die Wahrnehmung von Kafka sehr: dieser düstere existenzielle Autor. Man vergisst, dass man die Verwandlung oder auch das Schloss irgendwie auch mit Humor lesen kann. So Momente, wo man so richtig lachen kann. Das wollten wir, dass das auch rüberkommt. Deshalb spielen wir auch zum Beispiel eine böhmische Polka, wenn der K. da ankommt."