Wer in diesen Tagen über die neue EU-Kommission Auskünfte haben will, der wird von der Sprecherin des designierten EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker, Natascha Gertraud, vertröstet - die Auswahlgespräche mit den Kandidaten laufen, doch Details sollen aber erst Anfang der kommenden Woche verkündet werden:
"Herr Juncker hat die Gespräche mit den Kandidaten für die Kommissionsposten begonnen. Wir sagen aber nichts dazu, wie diese Gespräche verlaufen sind. Es geht ihm bei diesen Gesprächen darum, sich ein Bild von der Qualifikation, Integrität und Unabhängigkeit der Kandidaten machen. Die vielen Spekulationen sind sehr interessant, aber Herr Juncker wird erst in der kommenden Woche die einzelne Ressortverteilung und die Ressortzuschnitte bekannt geben."
Doch längst tröpfeln immer neue Informationen an die Öffentlichkeit. So zeichnet sich inzwischen ab, dass Juncker auch die EU-Kommission umbauen will. Eine Reaktion zum Einen auf den schleichenden Machtverlust der Brüsseler Behörde, zum anderen aber wohl auch eine Reaktion auf die zunehmende Zerfaserung der Kompetenzen in den letzten Jahren. Denn jedes Mitgliedsland darf einen Kommissar oder eine Kommissarin stellen. Was dazu geführt hat, dass die einzelnen Ressorts immer kleinteiliger geworden sind.
Ansatz nicht unumstritten
Hier will Juncker über eine neue Organisationsstruktur gegensteuern: Sechs oder sieben Superkommissare - im Rang der bislang wenig bedeutenden Vizepräsidenten - sollen künftig projektbezogen arbeiten und direkt dem Kommissionspräsidenten berichten. Die großen Themen seiner Legislaturperiode hat Juncker dabei schon umrissen: Schaffung eines digitalen Binnenmarktes, Umsetzung eines milliardenschweren Investitionsprogrammes oder auch die Umsetzung des Energiebinnenmarktes. Ein sinnvoller Ansatz, meint dazu Jan Techau von der Brüsseler Denkfabrik Carnegie Europe:
"Für ihn war es immer ein Dorn im Auge, auch schon als Regierungschef eines sehr kleinen Mitgliedslandes, die ja immer sehr stark auf die Kommission als ihre Schutzpatronin hoffen - immer schon ein Dorn im Auge, das die EU-Kommission im EU-Geflecht nach hinten gerutscht ist. Die Kommission hat über die letzten zehn Jahre schon an Macht verloren. Und ich glaube, Juncker hat sich schon vorgenommen, dass zumindest zu korrigieren. Und das kriegt er natürlich nur hin, wenn er nicht breitbeinig auftritt und Macht zurückfordert. Sondern er muss im Gegenzug demonstrieren, dass die EU reformfähig ist. Erst dann kann er die Autorität zurückgewinnen."
Wobei Juncker sicherlich hilft, dass er die Europäische Union und ihre machtpolitischen Untiefen bestens kennt. Trotzdem ist der Ansatz nicht unumstritten. Denn gerade bei der neuen Organisationsstruktur sind Machtkämpfe und Kompetenzstreitigkeiten zwischen einzelnen Ressorts vorprogrammiert und die mächtige Bürokratie, der Apparat wird seine Pfründe zu verteidigen wissen.
Erwartungsdruck ist immens
Und schließlich ist nicht absehbar, ob die Mitgliedsstaaten einen solchen Umbau maßgeblich unterstützen werden. Denn jetzt, so Techau drohe innerhalb der Kommission auch formal eine Zweiklassengesellschaft:
"Der eigentliche Sprengstoff liegt darin, dass man hier sozusagen Über- und Unterordnungsverhältnisse herstellen will. Und dass sich eigene Kommissare sozusagen zu fügen haben. Das war früher informell auch schon so. Aber das zu formalisieren und auch wirklich abzubilden und organisatorisch durchzuführen - das wird die große Probe sein, ob die Kommission so wirklich reformierbar ist."
Für Juncker, mehr aber doch die Kommission selbst steht also mit dem Umbau einiges auf dem Spiel. Kann sie ihre Führungsrolle, die sie etwa unter Jacques Delors ab Mitte der 80er-Jahre verkörperte, zurückgewinnen? Kann Brüssel auch mit 27 Kommissaren wieder Reformmotor werden - trotz einer zunehmend europakritischen Stimmung in den Mitgliedstaaten? Der Erwartungsdruck jedenfalls ist immens.