"Alle drei Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 57.000 Menschen sterben am Hunger jeden Tag."
Als Vertreter der Vereinten Nationen hat der Soziologe Jean Ziegler in Afrika, Asien und Lateinamerika Kinder sterben sehen.
"Es ist ein fürchterlicher Tod, es ist eine individuelle singuläre, total inakzeptable Tragödie."
Der Kampf für die Unterprivilegierten in der Welt ist das Lebensthema von Jean Ziegler.
Geboren am 19. April 1934 als Sohn eines Amtsrichters im schweizerischen Thun, wächst er in einem calvinistischen Elternhaus auf.
Geboren am 19. April 1934 als Sohn eines Amtsrichters im schweizerischen Thun, wächst er in einem calvinistischen Elternhaus auf.
"Es war, wie wenn man in einem Betongefängnis drin wäre. Ausbrechen kann man nicht, es war ein privilegiertes Schicksal, aber unerträglich."
Jean Ziegler bricht dennoch aus. Er geht nach Paris, studiert Soziologie an der Sorbonne, lernt Jean-Paul Sartre kennen, tritt einer kommunistischen Studentenorganisation bei und schneidet in den Ferien Zuckerrohr auf Kuba.
Eindrücke der Armut und Gewalt
Als Assistent eines UNO-Sonderbeauftragten reist Ziegler nach Afrika und begegnet im Kongo extremer Armut und Gewalt, Eindrücke, die ihn politisch radikalisieren. Er sympathisiert mit den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt und begleitet Che Guevara, den Helden der kubanischen Revolution, 1964 während einer UN-Konferenz in Genf.
"Und am letzten Abend habe ich gesagt, Comandante, ich will mit Euch gehen. Dann hat er mich zum Fenster gerufen und hat gesagt: 'Siehst du da unten?' Da sah man die Leuchtreklamen der Banken, der Juweliere und so weiter von Genf. 'Da musst du kämpfen, da ist das Gehirn des Monsters.'"
Anzeige wegen Landesverrats
Jean Ziegler lehrt Soziologie an der Universität Genf, geht in die Politik, wird für lange Jahre Abgeordneter der Sozialdemokraten im Nationalrat und erfolgreicher Buchautor. In dem Bestseller "Die Schweiz wäscht weißer" prangert er die Banken an: Früher hätten sie mit "Nazigold" gehandelt, heute verwalteten sie als "Finanzdrehscheibe des internationalen Verbrechens" die Milliardenvermögen von Steuerflüchtlingen, Diktatoren, Waffenhändlern und Drogenbaronen auf geheimen Konten. Das Buch bringt ihm eine Anzeige wegen Landesverrats ein.
"Wir sind uralt, sehr klein, aber wir sind das zweitreichste Land der Welt, dank fremdem Geld."
Ziegler nennt den Hauptrohstoff der Schweizer Großbanken "Blutgeld". Er schieße oft über das Ziel hinaus, aber selten daneben, sagt er über sich selbst. Damit macht er sich in seiner Heimat nicht unbedingt Freunde. Sein Biograf, der Journalist Jürg Wegelin, über den "Rebellen vom Genfer See":
"Ziegler übt sehr harte Kritik, vor allem an den Banken, an der offiziellen Politik. Das war vor allem in den 70er-Jahren völlig unüblich, dass man so hart kritisiert."
Der Schweizer Nationalrat entzieht dem "Nestbeschmutzer" 1991 die Immunität, eine Prozesslawine rollt über Ziegler hinweg. Banker und Unternehmer, die er als "Geier", "Geldsäcke" oder "Kleptokraten" bezeichnet, verklagen ihn. Seine Schulden belaufen sich nach eigener Aussage inzwischen auf mehrere Millionen Euro.
Ziegler aber lässt sich nicht einschüchtern, er engagiert sich verstärkt in internationalen Organisationen. Als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und Mitglied des UN-Menschenrechtsrats kritisiert er den Hunger in der Dritten Welt: Problemlos könne die Weltlandwirtschaft zwölf Milliarden Menschen ernähren.
"Die zehn größten Agrarkonzerne der Welt kontrollieren etwa 85 Prozent der gehandelten Grundnahrungsmittel. Die Täter sind die Spekulanten, sind die Großkonzerne, die den Nahrungsmittelmarkt beherrschen."
2011 sollte Ziegler die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele halten, doch er wurde kurzfristig wieder ausgeladen, da man drastische Äußerungen fürchtete. Trotz zahlreicher Ehrungen ist er nicht unumstritten. US-Abgeordnete unterstellten ihm Antisemitismus, weil er die Palästina-Politik Israels scharf kritisiert. Auch musste er sich vorwerfen lassen, zu sehr die Nähe von Diktatoren wie Muammar al-Gaddafi zu suchen. Jemand wie Ziegler könne die Schweiz nicht im UN-Menschenrechtsrat vertreten, meinte der eidgenössische Außenpolitiker Andreas Aebi.
2011 sollte Ziegler die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele halten, doch er wurde kurzfristig wieder ausgeladen, da man drastische Äußerungen fürchtete. Trotz zahlreicher Ehrungen ist er nicht unumstritten. US-Abgeordnete unterstellten ihm Antisemitismus, weil er die Palästina-Politik Israels scharf kritisiert. Auch musste er sich vorwerfen lassen, zu sehr die Nähe von Diktatoren wie Muammar al-Gaddafi zu suchen. Jemand wie Ziegler könne die Schweiz nicht im UN-Menschenrechtsrat vertreten, meinte der eidgenössische Außenpolitiker Andreas Aebi.
"Herr Ziegler mit all seinen Qualitäten, die er sicher hat, hat natürlich schon eine Art, die polarisiert."
Jean Ziegler räumte Fehler im Umgang mit Gaddafi ein, wurde 2013 erneut in das
UN-Gremium gewählt und versucht weiterhin unermüdlich, die Öffentlichkeit in den westlichen Demokratien aufzurütteln.
UN-Gremium gewählt und versucht weiterhin unermüdlich, die Öffentlichkeit in den westlichen Demokratien aufzurütteln.
"Entweder wir ändern diese kannibalische Weltordnung, oder sonst tut es niemand."