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Jede Sekunde zählt

In Deutschland erleiden jährlich bis zu 250.000 Menschen einen Schlaganfall, 20 Prozent von ihnen sterben innerhalb von vier Wochen, über 37 Prozent innerhalb eines Jahres. Zur schnelleren Patientenversorgung hat die Uniklinik des Saarlandes eine sogenannte "stroke unit" im Einsatz.

Von Tonia Koch | 15.02.2011
    120 bis 130 Minuten vergehen durchschnittlich zwischen einem Notruf und dem Beginn der Therapie in einer Klinik. Für Schlaganfallpatienten kann sich diese Zeitspanne extrem negativ auswirken. Ihr Risiko, eine Behinderung davon zu tragen, steigt mit jeder Minute, die Schlaganfallpatienten unversorgt bleiben. Der speziell für diese Gruppe konzipierte Rettungswagen, den die Universitätsklinik des Saarlandes seit einem Jahr im Einsatz hat, zeigt, dass sich das Zeitfenster zwischen Notruf und einsetzender Behandlung enorm verringern lässt, sagt der Leiter der klinischen Studie Prof. Klaus Faßbender.

    "Wir haben bis zu einer Dreiviertel, bei zu einer Stunde Zeit eingespart. Dadurch, dass der Wagen vor Ort die Diagnostik und die Therapie gemacht hat und durch die fehlenden Rückwege sowie die Reduktion von Schnittstellen, war es möglich, die enormen Zeitvorsprünge zu erreichen."

    Die sogenannte mobile "stroke unit" hat alles an Bord, was vor Ort benötigt wird: einen Computertomografen, mobile Labore und Spezialisten, wie die Neurologin Silke Walter.

    "Der Neurologe springt zu dem Patienten in die Wohnung oder wo der Patient eben vorgefunden wurde. Der Neuroradiologe und der Rettungsassistent machen in der mobilen stroke unit das CT einsatzbereit. Das Blut wird abgenommen und parallel analysiert. Das CT wird durchgeführt. Und wenn man dann Ergebnisse von CT, Blutuntersuchung und klinischer Untersuchung kennt, weiß man was für eine Erkrankung vorliegt, welche Art von Schlaganfall und kann direkt mit der Behandlung beginnen. Noch auf dem CT-Tisch fängt man damit an."

    Zusätzlich werden die Ergebnisse der Computertomografie und der Laboruntersuchungen via UMTS, also via schneller Datenleitung, in das Klinikum übertragen, damit dort entsprechende Vorbereitungen für weitere therapeutische Maßnahmen getroffen werden können. All das erspare zeitraubende kommunikative Prozesse und steigere die Effizienz, weil die gesamte Diagnostik in einer Hand, in der Hand des Spezialistenteams vor Ort liege. Dies eröffne die Möglichkeit in den Fällen, in denen der Schlaganfall durch die Verstopfung eines Blutgefäßes ausgelöst wird mit der sogenannten Lysetherapie gegenzusteuern. Diese Methode sei jedoch nur erfolgversprechend, wenn es schnell ginge, sagt Prof. Fassbender.

    "Es ist gegenwärtig ein großer Misstand, dass von dieser tollen Therapie, der Lysetherapie nur 4 Prozent aller Patienten in Deutschland profitieren. In anderen Ländern der Welt so gut wie gar nicht."

    80 Schlaganfall-Patienten, die ein spezielles Anforderungsprofil erfüllen mussten, sind bislang von der mobilen stroke unit betreut worden. Im Verlauf dieses Jahres kommen weitere hinzu. Die Behandlungsergebnisse werden dann mit den Fällen verglichen in denen die Klinik ein konventionelles Vorgehen gewählt hat, d.h. es rückt ein herkömmlicher Rettungswagen aus und die Fein-Diagnose wird in der Klinik erstellt. Zwar werden erst in einem Jahr belastbare Ergebnisse vorliegen. Prof. Faßbender ist jedoch zuversichtlich, dass die Idee, das Krankenhaus zum Schlaganfall-Patienten zu bringen und nicht umgekehrt, sich auch im Hinblick auf die medizinischen Kosten als tragfähig erweisen wird.

    " Wir betreiben nur Aufwand in der ersten Stunde, die goldene Stunde der Schlaganfallversorgung. Und es kann gut sein, dass man sich dadurch Kosten für die Jahre- und jahrzehntelange Pflege von Schlaganfallpatienten in Heimen ersparen kann."

    Weitere Infos zum Thema gibt es auch auf der Homepage der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft.