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Jedem Schulkind ein Laptop

Knapp 130 Millionen Euro hat Kenias Regierung bereitgestellt, um jeden Grundschüler mit einem Computer auszustatten. Was IT-Experten begrüßen, halten viele Lehrkräfte für einen Witz. Den meisten Schulen fehlt es am Nötigsten.

    Im Wahlkampf hat Kenias neuer Präsident Uhuru Kenyatta den Schülern des Landes einen großen Sprung ins Technikzeitalter versprochen. Seine sogenannte Jubiläums-Koalition – der Name eine Anspielung auf die Unabhängigkeit Kenias vor 50 Jahren – will Computer für alle.

    "Wir werden dieses Programm Jahr für Jahr fortsetzen, bis jeder Grundschüler eine Tasche und einen Laptop hat."

    Im kommenden Januar soll es losgehen mit der technischen Aufrüstung schon in der ersten Klasse. 15 Milliarden Schilling hat Uhuru Kenyatta dafür allein in diesem Jahr bereitgestellt. Knapp 130 Millionen Euro. IT-Experte Eric Hersman hält das für gut angelegtes Gel

    "Klar, kurzfristig betrachtet, in diesem Fiskaljahr, gibt es vermutlich Wichtigeres. Aber langfristig, wenn eine Million Kinder einen Laptop kriegen, zum Hacken und Ausprobieren, das ist schon interessanter."

    Kenia hat bereits jetzt einen guten Ruf als attraktivster Standort für Technologieunternehmen in Ostafrika. Silikon-Savanne werden Kreativzentren für Softwareentwickler wie das von Eric Hersman genannt. Die Laptops für Sechsjährige können auf diesem Weg nur weiterhelfen, sagt er.

    "Denn selbst wenn nur 10.000 von ihnen, also ein Prozent, wirklich etwas daraus machen. Stellen Sie sich vor, was das für dieses Land bedeutet: 10.000 Super-Ingenieure. Das ist eine große Sache."

    Für die Grundschullehrer ist das dagegen bestenfalls Zukunftsmusik. Lucy Gathogo zum Beispiel unterrichtet in einer winzigen Schule auf dem Land. Unter einem Baum, weil das Schulgebäude noch eine Baustelle ist. Sie hält die Idee für einen Witz.

    "Wir müssen erst mal die Grundbedürfnisse erfüllen. Wenn wir keine Klassenzimmer haben, keine Toiletten, kein fließendes Wasser, dann sollten wir uns zuerst um die mentale Entwicklung der Kinder kümmern, statt Luxusobjekte anzuschaffen."

    Auch an den öffentlichen Schulen in der Hauptstadt Nairobi sieht es nicht viel besser aus.

    Die Erstklässler an der Kabiria Grundschule wiederholen eifrig die Buchstaben, die die Lehrerin ihnen vorsagt.

    Rund 60 Kinder drängen sich in dem Klassenzimmer. Es gibt nicht genug Tische und Bänke für alle. Die uralte Schultafel an der Wand bröckelt schon ein bisschen an den Rändern.

    "Und fehlen Schulbücher, uns fehlen Klassenräume. Wir haben nicht mal ein Verwaltungsgebäude. Das hier war mal ein Privathaus, das wir dafür benutzen. Aber es ist nicht groß genug."

    Mary Gadzuku ist die stellvertretende Direktorin der Schule. 16 Lehrer hat sie unter sich – für 900 Schüler.

    "Man kennt die Kinder schon alle. Aber alle zu fördern, ist sehr schwer. Man erreicht die Guten, die schnell lernen. Aber die Schwachen? Gott wird sich ihrer annehmen."

    Die Lehrer sind auf die kenianische Regierung ohnehin nicht gut zu sprechen. Bis vor gut einer Woche sind sie noch lautstark demonstrierend durch die Straßen gezogen.

    Knapp vier Wochen Streik für eine Gehaltserhöhung, die bereits 1997 vereinbart wurde. Nicht zu bezahlen, hat die Regierung gesagt und die Lehrer mit Aussperrung und politischem Druck wieder in die Klassenzimmer gezwungen. Ken Ngaga ist immer noch wütend.

    "Es geht nicht, dass wir kein Essen auf dem Tisch haben und jemand gibt uns Laptops. Laptops sind keine Lebensmittel. Die können sie behalten, damit wir heute essen können."

    Wenn Mittagspause ist an der Kabiria-Grundschule, stellen die Kinder sich brav in Zweierreihen auf, jedes mit einem eigenen Töpfchen oder einer Plastikschüssel bewaffnet.

    Es gibt eine Mischung aus Mais und Hülsenfrüchten, erklärt Mary Gazuku. Für viele Kinder ist das die einzige Mahlzeit am Tag. Zwei Shilling müssen sie Kinder beisteuern, für das Brennholz zum Kochen. Das sind fast zwei Cent am Tag. Motessi Domina lebt im Slum des Stadtviertels und hat zwei Kinder in der Grundschule.

    "Für uns ist das schwierig, weil wir doch jeden Monat etwas zahlen müssen. Wir verstehen, dass es zu viele Kinder für die wenigen Lehrer gibt. Deshalb bittet die Schule um Geld, damit sie zusätzliche Lehrer beschäftigen kann."

    450 Shilling macht das jeden Monat. Papier und Stifte kommen dazu, Schulbücher, die Schuluniformen. Dabei soll die öffentliche Grundschule eigentlich kostenlos sein. Ein Vorzeigeprojekt der alten Regierung. Davon ist nach zehn Jahren und einem Riesenskandal um verschwundene Fördermilliarden allerdings nicht allzu viel übrig geblieben. Uhuru Kenyatta lässt sich von den miesen Erfahrungen seines Amtsvorgängers nicht irritieren bei seinem Laptop-Projekt

    "Allen Schwierigkeiten zum Trotz, wir sind fest entschlossen, das durchzuziehen. In Kürze werden wir den Rahmenplan für die Umsetzung im nächsten Jahr bekannt geben. Wie wir es versprochen haben."

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