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Jeder fünften Buchhandlung droht das Aus

Literaturverkaufstempel in bester Innenstadtlage wuchsen lange Zeit auf Kosten kleinerer Buchläden. Doch nun leiden auch die Branchenriesen. Das liegt am Internethandel - und an hausgemachten Problemen.

Benjamin Hammer im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Benjamin Hammer, Sie sind für uns auf der Buchmesse: Dass jetzt auch die großen Ketten leiden, die vor allem auf Kosten der kleinen Buchhändler gewachsen sind, das ist neu. Liegt das nur daran, dass die Kunden lieber bei Amazon einkaufen?

    Benjamin Hammer: Natürlich sind die Internetversandhäuser ein Riesenproblem für die großen Buchhändler wie Thalia oder Hugendubel. Der Marktanteil der Internethäuser in Deutschland, der liegt bei 15 Prozent – und wenn wir in die USA schauen, dann kann einem Buchhändler schon das Schaudern kommen. Da werden mittlerweile 75 Prozent aller Bücher von Amazon verkauft. Die Probleme der großen Buchketten sind aber auch hausgemacht. Ich habe den Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels heute gefragt, warum jetzt auch die Großen der Branche ins Straucheln geraten. Und die Antwort von Gottfried Honnefelder, die war, nun ja, etwas rheinländisch.

    "Wenn sie ein Lokal eröffnen, in dem Hundert Leute Platz haben, und es kommen jeden Abend nur 20 um Bier zu trinken, dann macht es doch Sinn, dass man entweder etwas anderes etwas in diesem Raum treibt oder das man ihn an andere vermietet oder die Hälfte dichtmacht. Jedenfalls, dass man unternehmerisch etwas unternimmt."

    Also: Die großen Buchhändler – die sind vor allem: zu groß! Die haben in den letzten Jahren ja Riesenverkaufstempel in teuerster Innenstadtlage eröffnet und sich verkalkuliert. Die Umsätze sind einfach zu niedrig. Und deshalb wird jetzt auch kräftig geschlossen: Die Hugendubel-Filiale am Berliner Zoo zum Beispiel macht dicht, oder auch Thalia am Kölner Neumarkt.

    Pfister: Wie sind denn die Prognosen für den Buchhandel insgesamt? Der Buchhändler um die Ecke wirkt ja inzwischen fast wie eine Nischenkultur, die man davor bewahren muss, im Museum zu landen. Hat der überhaupt noch eine Chance?
    Hammer: Die nackten Zahlen, die sind einfach sehr schlecht, das kann man nicht anders sagen. Jede fünfte Buchhandlung, so fürchtet der Börsenverein, muss bis 2013 dicht machen. Für die sogenannten stationären Buchhändler, das sind also die großen aber auch die kleinen Buchhandlungen, wurde heute ein Minus von bisher 4,7 Prozent in 2012 genannt – und damit verschärft sich der Abwärtstrend vom letzten Jahr noch.

    Bei den kleinen Händlern keimt aber eine Hoffnung: Die Hoffnung, dass die Kunden aus dem Internet und von den Buchtempeln wieder zurückkommen. Es geht um persönliche Beratung. Übrigens, vor allem in Berlin wurden in den letzten Monaten mehrere kleine Kiezbuchhandlungen eröffnet, die setzen genau darauf. Die Stimmung der gesamten Branche können solche kleinen Geschichten aber nicht so richtig aufhellen.

    Pfister: Es geistert ja noch ein weiters Gespenst herum auf der Buchmesse. Es heißt E-Book und hat mittlerweile einen Marktanteil von einem Prozent in Deutschland. Das hört sich jetzt noch nicht danach an, als würde dieses digitale Publizieren den gedruckten Büchern bald den Garaus machen. Ist das E-Book ein ernst zu nehmender Konkurrent? Wie sehr verändert es die Branche?

    Hammer: Ja, der Marktanteil, der wird dieses Jahr wohl steigen, von einem auf zwei Prozent. Klingt wenig, ist auch wenig aber ein stetiger Trend. Manche Verlage nennen übrigens auch deutlich höhere Zahlen, häufig rund 5 Prozent Marktanteil. Die meisten Verleger sind sich hier in Frankfurt einig: Die Zeit hat begonnen, wo in die E-Books nicht nur viel Geld investiert wird, sondern auch Geld verdient wird. Ein Trend hier auf der Messe werden E-Books sein, bei dem die Medien verschwimmen, also Texte, Videos und Audios. Wenn ich also gerade meinen digitalen Schmöker lese und müde werde, dann kann ich mir den auch einfach vorlesen lassen – als Audiodatei.

    Pfister: Was ist eigentlich mit den Verlagen? Es gibt ja inzwischen viele Autoren, die sagen: Ich brauch Euch gar nicht, ich bring meinen Roman alleine raus, online eben. Haben diese Romane auf dem Markt eine Chance? Und ist das dann wirklich eine Gefahr für die klassischen Verlage?

    Hammer: Ich habe diese Frage Gottfried Honnefelder gestellt. Und der Chef des Börsenvereins hat da eine eindeutige Meinung.

    "Alle Ideen selber zu publizieren, angefangen bei den alten Ideen, dass Autoren gesagt haben, ich publiziere selbst, alle diese Ideen sind kläglich gescheitert. Der Grund liegt darin, dass man nicht selber der Produzent sein kann und gleichzeitig derjenige, der auswählt. Denn der auswählt muss ja einen Qualitätssinn haben, der von außen kommt und beurteilt. Das kann man nicht gleichzeitig."

    Klare Kante, klare Meinung von Gottfried Honnefelder, dazu muss man wissen, dass der Mann von Haus aus Verleger ist. Und es ist nicht so, dass der Traum vom Self-Made-Autoren unmöglich ist. Tina Folsom, zum Beispiel, ist eine Deutsche, die in den USA lebt. Und die hat ihre Bücher selbst vertrieben und verkauft sehr erfolgreich Büchern wie "Zanes Erlösung" oder "Samsons sterbliche Geliebte." Bei diesen Titeln stehen Kritikern und Verlegern wie Honnefelder wahrscheinlich die Haare zu Berge. Aber: Tina Folsom ist damit bereits zur Millionärin geworden.