Sigrid Fischer: John Travolta spielt in Ihrem Film einen korrupten Drogenfahnder von der Drogenbehörde DEA, die gewissermaßen Krieg führt gegen die Drogenkartelle in Amerika und in der Welt. Und er vergleicht diesen Drogenkrieg in Mexiko mit den Kriegen in Irak und Afghanistan. Zurecht?
Oliver Stone: Er hat absolut recht, gut dass Sie das ansprechen. Er ist sehr zynisch, er sagt: Krieg bringt Geld. Und der Krieg gegen die Drogen wird wegen des Geldes geführt. Immer, wenn man einen Krieg erklärt, geht es zuerst ums Geld, dann um die Toten. Und sowohl der Krieg gegen die Drogen als auch der Krieg gegen den Terrorismus werden nie enden, weil zu viele Leute, zu viel Geld und zu viele Behörden involviert sind. Die Drogenbehörde D.E.A. –von Nixon gegründet - ist ein totaler Reinfall. Sie dient nur der politischen Kontrolle. Die USA senden ihre Ermittler in die ganze Welt, sie spionieren, militarisieren die Länder, bringen Armee und Polizei dort hin und bilden sie aus. In Kolumbien sind so sieben Militärbasen entstanden, Todesschwadronen und paramilitärische Einheiten. Die Grenze zum Terrorismus verschwimmt dabei, siehe das Beispiel Noriega und Panama. Deshalb wäre ich mit dem Wort "Krieg" sehr vorsichtig. Krieg im Irak, Krieg in Afghanistan, Krieg gegen den Terror usw. George Orwell hatte recht mit seinem "Neusprech”, von wegen Demokratie, Regimewechsel und der ganze Unsinn. Ich würde gerne Krieg gegen Kanada führen, um Premierminister Harper los zu werden.
Fischer: Ihr Film zeigt, dass dieser Drogenkrieg in Mexiko sehr brutal abläuft.
Stone: Sicher, mit vielen Kollateralschäden, besonders bei der armen Bevölkerung. 50.000 Tote in Mexiko, darunter viele Unschuldige, seit Ex-Präsident Calderon 2006 massenhaft Militär eingesetzt hat. Das heißt, es bringt nichts.
Fischer: Und? Was schlagen Sie vor, was sollte man stattdessen tun?
Stone: Wir müssten zurück ins Jahr 1972, und Nixon los werden. Ich meine, was ist so schlecht an Drogen? Sein "war on drugs"-, die "Krieg den Drogen"-Kampagne, hat die gesamte junge Bevölkerung kriminalisiert. Unser Gefängnisapparat ist enorm gewachsen, zweieinhalb Millionen Inhaftierte, da sitzen viele Minderjährige wegen Drogendelikten ein. Das ist auch ein Weg, unsere Innenstädte und die schwarze Bevölkerung zu terrorisieren und zu kontrollieren. Aber es nützt nichts. Und man kann nicht mal Budgetkürzungen fordern, weil dann sofort Eltern eines Drogen toten Kindes aufschreien würden, und die Medien lieben solche Geschichten und hängen sich dran. Genauso beim "war on terror". Würde man ihn beenden und es gibt einen Anschlag – und den wird es irgendwann wieder geben - dann schreien alle auf. Amerikas Maßnahmen stützen sich immer auf Geld und auf die Massenmedien. Jedes Land, auch Deutschland, hatte lange vor uns Probleme mit Terrorismus. Und Sie sind viel besser damit umgegangen. Mit Polizei und Geheimdienst, leise und effizient. Osama Bin Laden hätte man eventuell genauso gefunden – durch Informanten. Aber stattdessen hat man einen Krieg gegen Afghanistan angefangen. Das ist verrückt. Genauso im Irak.
Fischer: Sie plädieren für die Legalisierung bestimmter Drogen, Marihuana zum Beispiel.
Stone: Ja, sicher, das tue ich!
Fischer: Sie haben auch nie einen Hehl aus Ihrem Drogenkonsum gemacht, Drogen haben Ihnen geholfen, sagen Sie, den Vietnamkrieg als Soldat zu überstehen.
Stone: Das stimmt, in "Platoon" habe ich das ja auch gezeigt. Ich habe es nicht verantwortungslos vorne an der Front genommen, sondern nur im Hintergrund, es hat uns entspannt und meine Güte! – es hat uns geholfen, viele trostlose Monate zu überstehen. Und gleichzeitig hat es unsere Menschlichkeit bewahrt. Die wird im Krieg ja dauernd auf die Probe gestellt. Viele Amerikaner haben die Vietnamesen gehasst und Verbrechen an ihnen verübt – genau das gleiche wie im Irak. Und ich habe keinen der Soldaten, die Marihuana geraucht haben, ein Verbrechen begehen sehen, und ich war in drei verschiedenen Einheiten.
Fischer: Und was ist mit der Suchtgefahr?
Stone: Ich war nie süchtig nach Gras. Gras macht nicht süchtig wie Kokain. Ich mag es, aber ich kann gut ohne leben. Ich meine, ich bin doch das lebendige Beispiel: 66 Jahre alt, ich habe meine Filme gedreht – wenn auch nicht immer erfolgreich. Ich habe Familie und meine Steuern gezahlt. Ich bin ein produktives Mitglied der Gesellschaft. Leute wie ich sind nicht verrückt. In meinem Jahrgang in Yale war George W. Bush. Er war nicht in Vietnam, er hat die Einberufung umgangen und ja wohl nicht mal seinen Dienst in der Nationalgarde pflichtgemäß absolviert. Aber solche Leute gehören zum Establishment Amerikas, und die sind verrückt. Nicht Leute wie ich. Ich hätte nie einen Krieg mit der Welt angefangen.
Fischer : Oliver Stone, Sie sind so eine Art politisches Gewissen Amerikas, und ecken mit Ihren Filmen oft an. "Savages" ist aber doch in erster Linie spannende Unterhaltung, oder?
Stone: Ich bin ein Dramatiker, ein Geschichtenerzähler. Und jeder meiner Filme – egal wie ernst das Thema ist – muss unterhalten, muss bewegen, muss spannend sein. Und das ist nicht leicht hinzukriegen. Aus Richard Nixon etwas aufregendes zu machen, das ist verdammt schwer. Das gilt auch für den Drogenkrieg, kein leichtes Thema, aber auch hier geht es ums Geschichtenerzählen.
Fischer: Sie drehen auch immer wieder Dokumentationen – zum Beispiel über Fidel Castro, über die lateinamerikanischen Regierungschefs und aktuell "Die unerzählte Geschichte der Vereinigten Staaten" – ein zehnstündiges Werk, mit dem Sie etwas hinterlassen wollen, wie meinen Sie das? Sie haben doch viele andere Filme, die Sie hinterlassen.
Stone: Es ist das größte Projekt meines Lebens: die Geschichte darüber, wie Amerika zu einem Nationalen Sicherheitsstaat wurde. Ich möchte meinen Kindern damit etwas in die Hand geben und man hofft ja immer, dass es mal Eingang in die Schulen findet, aber die Schulbuchinhalte sind total kontrolliert. Und das Geschichtsbild darin ziemlich daneben, es geht immer nur um amerikanische Interessen. Das ist total ethnozentrisch. Deutsche oder französische Schulkinder haben möglicherweise eine richtigere Sicht auf amerikanische Geschichte als unsere eigenen Kinder. Mein Film ist keine radikal linke, aber eine linksorientierte Version unserer Geschichte.
Fischer: Darin gibt es auch ein Kapitel über die Ära Obama. Wie fällt Ihr Resümee der ersten Amtszeit aus? Viele seiner Wähler sind enttäuscht.
Stone: Ja, das sind wir alle. Er argumentiert ja, dass er in einer sehr konservativen Zeit regiert. Aber unterm Strich ist es doch so, dass Amerika sich seit dem Zweiten Weltkrieg so weit nach rechts bewegt hat. Und der ein oder andere Präsident, der versucht hat, etwas zu verändern, hat es nicht geschafft. Kennedy war vielleicht noch am nächsten dran. Obama ergeht es genauso. Aber er hat den Krieg gegen den Terror fortgeführt und zwar in einer Weise, dass er jetzt noch gefährlicher ist. Wir haben die Festnahme von US-Bürgern auf Verdacht und auf unbestimmte Zeit jetzt institutionalisiert. Obama hat mal gesagt: niemand steht über dem Gesetz. Das war ein sehr wichtiges Prinzip. Aber inzwischen hat er sich das Privileg der Exekutive genommen und damit steht er über dem Gesetz - wie die Mitglieder seiner Regierung.
Fischer: Dass Mitt Romney die Wahlen im November gewinnt können Sie sich aber auch nicht wünschen, oder?
Stone: Mit Romney gehen wir zurück in die Bush-Ära: am ersten Tag kommt die Devisenkontrolle in China, am zweiten Tag wird er vielleicht die Beziehungen zu Russland beenden und am dritten den Iran angreifen. Und das ist erst der Anfang.
Oliver Stone: Er hat absolut recht, gut dass Sie das ansprechen. Er ist sehr zynisch, er sagt: Krieg bringt Geld. Und der Krieg gegen die Drogen wird wegen des Geldes geführt. Immer, wenn man einen Krieg erklärt, geht es zuerst ums Geld, dann um die Toten. Und sowohl der Krieg gegen die Drogen als auch der Krieg gegen den Terrorismus werden nie enden, weil zu viele Leute, zu viel Geld und zu viele Behörden involviert sind. Die Drogenbehörde D.E.A. –von Nixon gegründet - ist ein totaler Reinfall. Sie dient nur der politischen Kontrolle. Die USA senden ihre Ermittler in die ganze Welt, sie spionieren, militarisieren die Länder, bringen Armee und Polizei dort hin und bilden sie aus. In Kolumbien sind so sieben Militärbasen entstanden, Todesschwadronen und paramilitärische Einheiten. Die Grenze zum Terrorismus verschwimmt dabei, siehe das Beispiel Noriega und Panama. Deshalb wäre ich mit dem Wort "Krieg" sehr vorsichtig. Krieg im Irak, Krieg in Afghanistan, Krieg gegen den Terror usw. George Orwell hatte recht mit seinem "Neusprech”, von wegen Demokratie, Regimewechsel und der ganze Unsinn. Ich würde gerne Krieg gegen Kanada führen, um Premierminister Harper los zu werden.
Fischer: Ihr Film zeigt, dass dieser Drogenkrieg in Mexiko sehr brutal abläuft.
Stone: Sicher, mit vielen Kollateralschäden, besonders bei der armen Bevölkerung. 50.000 Tote in Mexiko, darunter viele Unschuldige, seit Ex-Präsident Calderon 2006 massenhaft Militär eingesetzt hat. Das heißt, es bringt nichts.
Fischer: Und? Was schlagen Sie vor, was sollte man stattdessen tun?
Stone: Wir müssten zurück ins Jahr 1972, und Nixon los werden. Ich meine, was ist so schlecht an Drogen? Sein "war on drugs"-, die "Krieg den Drogen"-Kampagne, hat die gesamte junge Bevölkerung kriminalisiert. Unser Gefängnisapparat ist enorm gewachsen, zweieinhalb Millionen Inhaftierte, da sitzen viele Minderjährige wegen Drogendelikten ein. Das ist auch ein Weg, unsere Innenstädte und die schwarze Bevölkerung zu terrorisieren und zu kontrollieren. Aber es nützt nichts. Und man kann nicht mal Budgetkürzungen fordern, weil dann sofort Eltern eines Drogen toten Kindes aufschreien würden, und die Medien lieben solche Geschichten und hängen sich dran. Genauso beim "war on terror". Würde man ihn beenden und es gibt einen Anschlag – und den wird es irgendwann wieder geben - dann schreien alle auf. Amerikas Maßnahmen stützen sich immer auf Geld und auf die Massenmedien. Jedes Land, auch Deutschland, hatte lange vor uns Probleme mit Terrorismus. Und Sie sind viel besser damit umgegangen. Mit Polizei und Geheimdienst, leise und effizient. Osama Bin Laden hätte man eventuell genauso gefunden – durch Informanten. Aber stattdessen hat man einen Krieg gegen Afghanistan angefangen. Das ist verrückt. Genauso im Irak.
Fischer: Sie plädieren für die Legalisierung bestimmter Drogen, Marihuana zum Beispiel.
Stone: Ja, sicher, das tue ich!
Fischer: Sie haben auch nie einen Hehl aus Ihrem Drogenkonsum gemacht, Drogen haben Ihnen geholfen, sagen Sie, den Vietnamkrieg als Soldat zu überstehen.
Stone: Das stimmt, in "Platoon" habe ich das ja auch gezeigt. Ich habe es nicht verantwortungslos vorne an der Front genommen, sondern nur im Hintergrund, es hat uns entspannt und meine Güte! – es hat uns geholfen, viele trostlose Monate zu überstehen. Und gleichzeitig hat es unsere Menschlichkeit bewahrt. Die wird im Krieg ja dauernd auf die Probe gestellt. Viele Amerikaner haben die Vietnamesen gehasst und Verbrechen an ihnen verübt – genau das gleiche wie im Irak. Und ich habe keinen der Soldaten, die Marihuana geraucht haben, ein Verbrechen begehen sehen, und ich war in drei verschiedenen Einheiten.
Fischer: Und was ist mit der Suchtgefahr?
Stone: Ich war nie süchtig nach Gras. Gras macht nicht süchtig wie Kokain. Ich mag es, aber ich kann gut ohne leben. Ich meine, ich bin doch das lebendige Beispiel: 66 Jahre alt, ich habe meine Filme gedreht – wenn auch nicht immer erfolgreich. Ich habe Familie und meine Steuern gezahlt. Ich bin ein produktives Mitglied der Gesellschaft. Leute wie ich sind nicht verrückt. In meinem Jahrgang in Yale war George W. Bush. Er war nicht in Vietnam, er hat die Einberufung umgangen und ja wohl nicht mal seinen Dienst in der Nationalgarde pflichtgemäß absolviert. Aber solche Leute gehören zum Establishment Amerikas, und die sind verrückt. Nicht Leute wie ich. Ich hätte nie einen Krieg mit der Welt angefangen.
Fischer : Oliver Stone, Sie sind so eine Art politisches Gewissen Amerikas, und ecken mit Ihren Filmen oft an. "Savages" ist aber doch in erster Linie spannende Unterhaltung, oder?
Stone: Ich bin ein Dramatiker, ein Geschichtenerzähler. Und jeder meiner Filme – egal wie ernst das Thema ist – muss unterhalten, muss bewegen, muss spannend sein. Und das ist nicht leicht hinzukriegen. Aus Richard Nixon etwas aufregendes zu machen, das ist verdammt schwer. Das gilt auch für den Drogenkrieg, kein leichtes Thema, aber auch hier geht es ums Geschichtenerzählen.
Fischer: Sie drehen auch immer wieder Dokumentationen – zum Beispiel über Fidel Castro, über die lateinamerikanischen Regierungschefs und aktuell "Die unerzählte Geschichte der Vereinigten Staaten" – ein zehnstündiges Werk, mit dem Sie etwas hinterlassen wollen, wie meinen Sie das? Sie haben doch viele andere Filme, die Sie hinterlassen.
Stone: Es ist das größte Projekt meines Lebens: die Geschichte darüber, wie Amerika zu einem Nationalen Sicherheitsstaat wurde. Ich möchte meinen Kindern damit etwas in die Hand geben und man hofft ja immer, dass es mal Eingang in die Schulen findet, aber die Schulbuchinhalte sind total kontrolliert. Und das Geschichtsbild darin ziemlich daneben, es geht immer nur um amerikanische Interessen. Das ist total ethnozentrisch. Deutsche oder französische Schulkinder haben möglicherweise eine richtigere Sicht auf amerikanische Geschichte als unsere eigenen Kinder. Mein Film ist keine radikal linke, aber eine linksorientierte Version unserer Geschichte.
Fischer: Darin gibt es auch ein Kapitel über die Ära Obama. Wie fällt Ihr Resümee der ersten Amtszeit aus? Viele seiner Wähler sind enttäuscht.
Stone: Ja, das sind wir alle. Er argumentiert ja, dass er in einer sehr konservativen Zeit regiert. Aber unterm Strich ist es doch so, dass Amerika sich seit dem Zweiten Weltkrieg so weit nach rechts bewegt hat. Und der ein oder andere Präsident, der versucht hat, etwas zu verändern, hat es nicht geschafft. Kennedy war vielleicht noch am nächsten dran. Obama ergeht es genauso. Aber er hat den Krieg gegen den Terror fortgeführt und zwar in einer Weise, dass er jetzt noch gefährlicher ist. Wir haben die Festnahme von US-Bürgern auf Verdacht und auf unbestimmte Zeit jetzt institutionalisiert. Obama hat mal gesagt: niemand steht über dem Gesetz. Das war ein sehr wichtiges Prinzip. Aber inzwischen hat er sich das Privileg der Exekutive genommen und damit steht er über dem Gesetz - wie die Mitglieder seiner Regierung.
Fischer: Dass Mitt Romney die Wahlen im November gewinnt können Sie sich aber auch nicht wünschen, oder?
Stone: Mit Romney gehen wir zurück in die Bush-Ära: am ersten Tag kommt die Devisenkontrolle in China, am zweiten Tag wird er vielleicht die Beziehungen zu Russland beenden und am dritten den Iran angreifen. Und das ist erst der Anfang.