Er sei der Andy Warhol unserer Tage, hat der Direktor Adam Weinberg verkündet und Jeff Koons deshalb die grösste und teuerste Einzelausstellung in der Geschichte des Whitney Museums gewidmet. Jetzt sind auf vier Etagen hundertdreissig Objekte aus den vergangenen vier Jahrzehnten zu sehen, von den Basketball-Aquarien, mit denen Koons Ende der 1970er Jahre in New York erstmals Aufmerksamkeit erregte, bis zu einer kurvenreichen Dame aus schwarzem Granit, deren in die Luft gestreckten nackten Beine noch letzte Woche in einer Fabrik poliert wurden.
Scott Rothkopf hat die Retrospektive auf den 59-jährigen Amerikaner kuratiert:
"Jeff Koons' Werk ist verspielt, voller Freude und Überraschungen. Da ist eine emotionale Intensität. Es gibt einen Bezug zur Popkultur und eine Detailgenauigkeit, die schlicht unübertroffen ist."
Sex und Sinnlichkeit
Kitsch und Kunst, Kommerz und Konsumkritik, Vulgarität und Differenziertheit, Sex und Sinnlichkeit: Jeff Koons wird als Meister moderner Gegensätze gefeiert. Bei ihm erhalten gewöhnliche Staubsauger einen Heiligenschein aus Neon. Nippes, Spielzeug und Maskottchen landen auf dem Sockel, nachdem Brigaden internationaler Kunsthandwerker die Billigversionen in Präzisionsarbeit verwandelt haben - Johannes den Täufer, Kinderknete und Michael Jackson aus vergoldetem Porzellan oder buntem Aluminium. Jeff Koons hat das Aufblasen des Ordinären perfektioniert. Seine Ballon-Hunde und -Hasen sind weltberühmt und die Atomphysiker, von denen die 3D-Modelle dafür stammen, entsprechend stolz darauf.
"Man kann ein Motiv betrachten und sich fragen: Geht es hier nun um Liebe und Niedlichkeit oder um etwas Beängstigendes, Monströses? Stellt das die Freuden der Popkultur dar oder ihre dunkle Rückseite? Diese Ambivalenz verleiht Jeff Koons' Werk die Spannung und Lebendigkeit."
Werke sind spannend und lebendig
Das Whitney Museum präsentiert Koons' Werk chronologisch und in den Serien, in denen es konzipiert wurde. Da ist die berüchtigte „Made in Heaven"-Serie von 1990 und 1991. Die zweieinhalb Mal dreieinhalb Meter grossen Leinwände zeigen Koons und den Pornostar Ciccolina in sämtlichen Stellungen der Kopulation wie Adam und Eva nach dem Sündenfall, aber sehr offensichtlich in paradiesischen Wonnen vereint. In der neuen "Antiquity"-Serie verlustieren sich Gian Lorenzo Berninis Pluto und Proserpina als bonbonfarbene Edelstahlkopie mit Frischpflanzen. Jeff Koons kokettiert gerne mit Bezügen zur Kunstgeschichte, auf dass sein Werk noch vielfältiger schillere und funkle und glänze.
"Jeff sagt oft, dass sich der Betrachter auf den spiegelblanken Oberflächen seiner Werke selber sehen kann, und dass er als Künstler auf diese Weise eine unmittelbare und intensive Verbindung zu ihm herstellen wolle. Es geht auch um Attraktion und Begehren - wir fühlen uns von glänzenden Objekten angezogen."
Jeff Koons hat die Ikonografie des Banalen zu seinem Markenzeichen und die Wertschöpfung aus nichts zu seinem Spezialgebiet gemacht. Diese Ausstellung ist wie Jeff Koons selber ein Blendwerk der Superlative und ohne geistige Sonnenbrille nicht zu ertragen.
Whitney Museum, New York: "Jeff Koons: A Retrospective". Bis 19. Oktober 2014.