Am 1. August versammeln sich Separatistenoffiziere im Al-Jala-Camp unweit der Hafenstadt Aden, um sich eine Militärparade von Kadetten anzuschauen. Plötzlich schlägt eine Rakete ein. Der Moment der Explosion ist in einem Video zu sehen, das die Nachrichtenagentur AFP veröffentlicht hat.
Verletzte krümmen sich am Boden, sie stöhnen, schreien, Stühle mit roten Polstern liegen zwischen den Trümmern. Mindestens 40 Menschen sterben, die Toten werden mit Fahnen des so genannten Südlichen Übergangsrates zugedeckt.
Der Rat vertritt ein Bündnis von Kräften, die die Abspaltung des Südjemen vom Rest des Landes zum Ziel haben und einen eigenen Staat gründen wollen. Unterstützt wird der Rat von bewaffneten Milizen. Die größte unter ihnen heißt Security Belt Forces, Sicherheitsgürtel-Truppe. Die angegriffene Militärparade wurde von ihr ausgerichtet.
Die Verantwortung für den Raketenangriff übernehmen unmittelbar danach die Huthi-Rebellen aus dem Nordwesten des Landes.
Die Operation sei ein Präventivschlag gegen die Feinde gewesen, erklärt einer ihrer Sprecher in einem Propagandavideo.
Die Aufständischen von der Huthi-Volksgruppe werden vom schiitischen Iran unterstützt. Vor gut viereinhalb Jahren vertrieben Huthi-Milizen die Regierung von Abd Rabbo Mansour Hadi aus der Hauptstadt Sanaa. Seitdem gilt Aden im Süden als provisorischer Regierungssitz.
Bekämpft werden die Huthis von einem Zweckbündnis verschiedener Kräfte. Zu ihm gehören die Armee der Regierung, aber auch Kämpfer, die der Islah-Partei nahestehen, die von der jemenitischen Muslimbruderschaft dominiert wird. Unterstützt wird das Bündnis von einer sunnitisch-arabischen Militärkoalition unter Führung Saudi-Arabiens, zu der maßgeblich auch die Vereinigten Arabischen Emirate gehören.
Zu dieser Anti-Huthi-Front gehörten bislang auch die südjemenitischen Separatisten. Und die glauben den Huthis nicht, dass sie den Raketenangriff verübt haben. Für die Separatisten stecken die Hadi-Regierung und die Islah-Partei dahinter.
Bürgerkrieg im Bürgerkrieg
Eine Woche nach dem Raketenangriff werden elf der Getöteten begraben, unter ihnen ein prominenter Brigadegeneral. Ein Mann zeigt auf die vielen Menschen, die den Särgen folgen: »Das ist eine Volksbewegung, die man nicht aufhalten kann – außer durch einen Sturz der Hadi-Regierung. Der Tod des Brigadegenerals hat uns erschüttert. Die Regierung hat ihn getötet.«
Der Separatistenfunktionär Saeed al-Yahri drückt aus, was viele Menschen im Südjemen besonders nach dem Raketenangriff empfinden: »Wir wollen unsere Würde zurück, unseren südjemenitischen Staat. Wir haben genug Statements gehört. Jetzt müssen wir endlich handeln.«
In den Tagen danach besetzen Separatistenmilizen den Präsidentenpalast in Aden, weitere Gebäude der Regierung sowie alle ihre Militärcamps.
Seit vielen Jahren streben Kräfte im Südjemen die Gründung eines eigenen Staates an. So wie er bis 1990 existierte, als Nord und Süd sich vereinigten. Der Wunsch nach erneuter Unabhängigkeit war im Süden nie verschwunden. Im Gegenteil, in den vergangenen Jahren wurde er stärker – und der Raketenangriff auf die Militärparade machte die Separatisten nur noch entschlossener.
Dieser Angriff sei Teil eines Planes, mit dem die Islah-Partei die Eroberung von Aden erreichen und die Abspaltung des Südjemen verhindern wolle, sagt Hani Ali Brik, Vizepräsident des Südlichen Übergangsrats.
"Die Regierung des Jemen müsse Aden nun unverzüglich verlassen und die Macht an den Südlichen Übergangsrat übergeben", fordert Ratsmitglied Mansour Saleh.
Die Separatisten verabscheuen im Grunde alles, was aus dem Norden kommt, die Hadi-Regierung, die Islah-Partei wie auch die Huthi-Rebellen. Unterstützt werden die Separatisten von den Vereinigten Arabischen Emiraten, die ein strategisches Interesse am Südjemen haben. Die Emirate wollen dort die Handelsrouten vor der Küste sichern, sie wollen den ungehinderten Zugang zum Hafen von Aden und haben es vermutlich auch auf den Reichtum an Bodenschätzen abgesehen.
"Saudi-Arabien hat den Krieg verloren"
Was die Emirate aber besonders mit den Separatisten verbindet, ist die Abneigung gegen die islamistische Islah-Partei. Die Emiratis haben die Separatisten in den vergangenen Jahren finanziert und bewaffnet, sie haben im Süden des Landes Militärstützpunkte errichtet und in geheimen Gefängnissen Gegner gefoltert. Mancher Beobachter sprach schon vom Südjemen als einem Protektorat der Emirate.
Die Islah-Partei ist allerdings ein Partner Saudi-Arabiens beim Kampf gegen die Huthi-Aufständischen, während die Saudis die Separatisten neuerdings wieder bekämpfen. Gleichzeitig wird einmal mehr deutlich, dass Saudi-Arabien und die Emirate verschiedene Wege im Jemen gehen. Das Zweckbündnis gegen die Houthis bröckelt. Das sei das Brisante an der neuen Situation, meint der Völkerrechtsexperte Adel al-Masani im Programm des Fernsehsenders Aljazeera.