Dass Corona-Selbsttests ab dem 1. März 2021 für möglichst alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stehen, hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versprochen – und musste dieses Versprechen kurz darauf wieder zurücknehmen. Dafür hagelte es Kritik – nicht nur von der Opposition.
Es habe noch Fragen aus den Bundesländern gegeben, die man erst auf einer gemeinsamen Sitzung am 3. März klären wolle, begründete Spahn im Dlf sein Vorgehen. Geklärt werden soll unter anderem, ob durch die verfügbaren Schnelltests auch neue Möglichkeiten für die Öffnung von Einzelhandel, Kultur- und Sportstätten entstehen – und wie das geregelt werden kann.
Dirk-Oliver Heckmann: Herr Spahn, die Opposition spricht von Totalversagen. SPD-Parteichef Mützenich nennt Sie einen Ankündigungsminister. Wie sehr haben Sie Ihre Ankündigung bereits bereut?
Jens Spahn: Das ist ja nicht die Kategorie, sondern die Kategorie ist, was ist notwendig in dieser Pandemie und in dieser Phase der Pandemie. Und wenn es um das Testen geht, halte ich es für unbedingt notwendig, dass wir die Tests, die jetzt mehr zur Verfügung stehen als noch vor zwei, drei Monaten, die Schnelltests jetzt auch nutzen, um mehr Sicherheit zu geben im Alltag, um jetzt auch gerade die Phase von schrittweisen Lockerungen bei gleichzeitig schwieriger Lage der Mutationen auch absichern zu können.
Und ja, der 1.3. Wird es jetzt nicht werden, aber ich bin sehr sicher, meinen Vorschlag, deutlich mehr zu testen, um mehr Sicherheit zu geben, den wird es geben.
Länder wollen mehr Informationen zu Corona-Selbsttest
Heckmann: Würden Sie im Nachhinein sagen, dass Ihr Vorstoß doch ein bisschen vollmundig war?
Spahn: Wir hatten ja ein in sich rundes Konzept, das sich auch anlehnt an dem, was Österreich, was Dänemark machen, den Bürgerinnen und Bürger quasi einen Bürgertest anzubieten, sich testen lassen zu können in den Testzentren, in Apotheken, die sich als Testzentren sehen, bei Dienstleistern, die von den Gesundheitsämtern beauftragt werden. Diese Infrastruktur ist ja an vielen Stellen schon da. Ich war mir mit Finanzminister Scholz einig auch über die Finanzierung, so dass wir innerhalb der Bundesregierung das auch gut abgestimmt hatten. Aber ja, es gab noch Fragen aus den Ländern, von Ministerpräsidenten, und daraufhin haben wir entschieden, es mit denen am 3. März noch zu besprechen.
Mehr Tests, mehr Öffnungen?
Heckmann: Welche Fragen sind das? Was hat den Ausschlag gegeben? Dass es nicht genug Schnelltests gibt, dass die Kosten nach wie vor ungeklärt sind, oder was hat dazu geführt, wirklich diese Frage jetzt doch noch mal zu vertagen?
Spahn: Es gibt einen Folgeschritt, der zu besprechen ist. Das eine ist ja, das Angebot zu machen, dass jeder nach eigener Einschätzung sich auch testen lassen kann, auch nach dem Bedarf, etwa zum Reisen. Wir sehen in Österreich, in Dänemark, dass das etwa zweieinhalb Prozent der Bevölkerung am Tag auch nutzen. Das ist darstellbar, finanziell und organisatorisch. In dem Moment, wo Sie aber sagen, Sie knüpfen bestimmte Öffnungsschritte, bestimmte Besuche etwa von Veranstaltungen oder von Geschäften auch an Testergebnisse, ist natürlich der Testbedarf deutlich höher, der finanzielle wie auch die Zahl der Tests, die notwendig sind. Diese Debatte ist hinzugetreten in den letzten Tagen und macht dann noch mal, glaube ich, dann auch Sinn, das miteinander zu koppeln.
"Es wird im März deutlich mehr Tests geben"
Heckmann: Aber war das nicht absehbar, dass diese Debatte hinzutritt?
Spahn: Na ja. Manchmal geht es in der Politik schnell. Die hat sich tatsächlich übers Wochenende dann entwickelt. Und dann geht es am Ende auch nicht irgendwie um mich und meine Befindlichkeiten oder die Befindlichkeiten von jemand anders, ob es jetzt Herr Mützenich oder Herr Spahn ist. Am Ende geht es darum, dass wir gut dieses Land durch diese Pandemie führen, dass wir in dieser schwierigen Phase der Pandemie gute abgestimmte Konzepte mit den Ländern finden. Deswegen bin ich sehr sicher, es wird im März deutlich mehr Tests geben als in der Vergangenheit. Wir werden die neuen Möglichkeiten von Schnell- und Selbsttests, die deutlich mehr verfügbar sind, nutzen, um Sicherheit zu geben. Aber es wird sich um einige Tage verzögern.
Spahn: Länder arbeiten an Konzepten für Schulen und Kitas
Heckmann: Wir sind bisher ohnehin schon hintendran, nicht nur beim Impfen, sondern auch bei den Tests. In Österreich spielen Schnell- und Selbsttests schon lange eine Rolle. Zweimal wöchentlich werden alle Schülerinnen und Schüler und Lehrer getestet. Wieso haben wir das nicht schon längst in Deutschland, bevor die Schulen wieder aufgemacht haben?
Spahn: Das sind ja auch Konzepte, an denen die Länder arbeiten, die in den Ländern und durch die Länder umgesetzt werden in den Schulen und in den Kitas. Das ist nun wirklich originelle Zuständigkeit auch der Länder. Die Lehrerinnen und Lehrer, die Erzieherinnen und Erzieher werden schon regelmäßiger getestet beziehungsweise können sich nach Schulungen auch selbst testen. Wenn wir jetzt die Selbsttests haben – Sie wissen, wir haben gestern die ersten drei zulassen können, auch nach Prüfung der Qualität. Das ist mir übrigens wichtig. Die Tests sollten auch schon in den allermeisten Fällen die richtigen Ergebnisse bringen. Nach Prüfung der Qualität werden jetzt auch die Selbsttests, die in Österreich eingesetzt werden, bei uns mehr und deutlich verfügbar werden und die können dann auch dort helfen.
Spahn: Auch die Qualität der Tests ist wichtig
Heckmann: Aber warum dauert das so lange? Warum sind andere Länder da so viel schneller?
Spahn: Ich habe mir das in Österreich angeschaut. Ich beschreibe das jetzt nur, das sind unterschiedliche Angänge. In Österreich bestätigen die Unternehmer schriftlich, dass mit ihren Tests die Qualität in Ordnung ist. Bei uns prüft die Behörde tatsächlich auch die Unterlagen der Unternehmen, schaut, ob die Gebrauchsanweisung eine ist, die auch jemand so verstehen kann, dass er den Test gut machen kann, und dass die Qualität des Tests, dass es Studien dazu gibt, wie häufig tatsächlich das Ergebnis stimmt und wie häufig auf 100 Tests gesehen es nicht stimmt.
Übrigens die, die wir gestern zugelassen haben, sind alle nahe an 100 Prozent dran, und das ist mir wichtig. Ein Test, der nur zu 60 oder 70 Prozent das richtige Ergebnis bringt, der kann auch viel Unheil anrichten, wenn er in falscher Sicherheit wiegt. Deswegen haben wir zwei unterschiedliche Herangehensweisen in beiden Ländern.
Spahn: Tests sollen auch in Discountern verfügbar sein
Heckmann: Drei davon wurden gestern zugelassen. Sie haben es erwähnt. Sie haben auch gesagt, Sie gehen davon aus, dass diese Produkte in den nächsten Tagen verfügbar seien in den Läden. Wann ist damit zu rechnen?
Spahn: Das entscheiden natürlich zu allererst auch die Hersteller. Es wird wie bei allem, was neu ist, was neu zugelassen ist, jetzt auch langsam hochwachsen. Das heißt jetzt nicht, dass gleich übermorgen in allen Regalen in Deutschland diese Tests verfügbar sind. Das habe ich auch gestern im Bundestag sehr klar gesagt. Aber ich weiß anders herum auch, weil wir ja diesmal nicht auf Apotheken oder Drogerien beschränkt sind bei diesen Tests, sondern tatsächlich in allen Bereichen, im Einzelhandel, im Discounter, in der Drogerie verfügbar sein wird, dass sehr hochvolumig hier jetzt Verträge geschlossen werden, geschlossen werden können, und dass wir sicherlich in den nächsten Tagen – ich kann jetzt nicht sagen auf den Tag genau; das sind ja Verträge zwischen Hersteller und dem Handel -, in den nächsten Tagen diese Tests sehen werden. Ich habe gestern schon die erste Werbe-E-Mail für einen solchen Test als Bürger Spahn auf meinem privaten Account bekommen, neben vielen anderen Werbe-E-Mails. Deswegen, da bin ich sehr sicher, wird sich das jetzt im März verändern. Das ist eine neue Qualität.
Heckmann: Eine neue Qualität. – Jetzt sagt aber Ute Teichert, die Chefin des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Tests alleine bringen nichts. Es müsse geklärt werden, wie man sich bei einem positiven Testergebnis zu verhalten hat. Es sei völlig offen, bei wem sich diese Personen dann melden müssen. Gibt es da nicht schon wieder die nächste Regelungslücke?
Spahn: Das ist ja nicht eine Frage von Regelung, sondern von Empfehlung. Wir können und wollen ja nicht kontrollieren, was die Leute zuhause tun. Wir werden Empfehlungen abgeben. Die gibt es ja auch schon. Wer in einem Selbst- oder Schnelltest positiv ein Ergebnis hat, sollte zur Bestätigung einen PCR, also einen Labortest auch machen lassen.
Spahn: Auf positiven Schnelltest sollte PCR-Test folgen
Heckmann: Und wenn er es nicht tut?
Spahn: Dann weiß jemand zumindest, dass er positiv getestet ist, und ich gehe davon aus, Herr Heckmann, dass 90, 95, vielleicht sogar noch mehr Prozent der Bürgerinnen und Bürger in dem Wissen, dass sie für andere ansteckend sind, ihr Verhalten schon mal verändern. Die Alternative ist ja, dass man es nicht weiß. Wenn man es weiß, kann man sein Verhalten verändern. Ich appelliere – und wir werden dazu natürlich auch aufklären, informieren, Social Media Kampagnen machen -, wenn jemand ein positives Testergebnis hat, dass es dann noch mal überprüft wird durch ein PCR-Ergebnis, und dass man sich dafür entweder bei seinem Hausarzt, oder über 116117 bei einer Praxis anmeldet. Idealerweise telefonisch vorher anmelden, nicht einfach hingehen mit dem Risiko, andere anzustecken.
Heckmann: Das heißt, das bleibt eine freiwillige Entscheidung desjenigen, der sich hat testen lassen oder sich selber getestet hat?
Spahn: Ich frage mal anders herum, Herr Heckmann. Wenn jemand zuhause bei sich in der Küche den Test macht und es kommt positiv heraus, was würden Sie denn vorschlagen?
Selbstverantwortung beim Laien-Schnelltest
Heckmann: Ich bin nicht der Gesundheitsminister.
Spahn: Na ja. Aber ich frage mich immer, was trauen wir den Bürgern zu, wieviel Verantwortung sie tatsächlich übernehmen und auch für sich übernehmen wollen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die allermeisten Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, wenn sie bei einem Selbsttest ein positives Ergebnis haben, erstens ihr Verhalten verändern, weil sie wissen, dass sie ein Risiko sein könnten für sich und für andere, indem sie andere anstecken, und dass die aller-, allermeisten dann auch den Kontakt suchen zu einem Arzt, um zu besprechen, wie es weitergeht, und vor allem, um das auch zu bestätigen.
Übrigens wenn Sie falsch positiv sind, das Ergebnis positiv anzeigt, obwohl Sie es nicht sind, was auch vorkommen kann, dann kann der PCR-Test Ihnen auch Sicherheit dafür geben, dass es ein Fehlalarm war. Ich sehe keinen anderen Weg, aber ich finde auch keinen anderen vernünftigen Weg, als gerade bei Selbsttests, wie der Name schon sagt, auch auf Selbstverantwortung zu setzen. Wir können ja nicht in jeder Küche kontrollieren.
Verdrängen Lehrer Schwersterkrankte beim Impfen?
Heckmann: Herr Spahn, Sie haben gestern eine Aktualisierung der Impfverordnung in Kraft setzen lassen. Demnach können sich seit gestern Lehrerinnen und Lehrer, Erzieher impfen lassen, weil sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, war vor zwei Tagen im Deutschlandfunk im Interview. Die sieht das sehr kritisch.
O-Ton Alena Buyx: "Wenn ich das ehrlich beantworten soll, habe ich sehr gemischte Gefühle. Ich kann die politische Motivation nachvollziehen und natürlich sind Kitas und Schulen ein ganz essentieller Bereich der Gesellschaft. Aber die Ständige Impfkommission hat ganz klar gesagt, dass die Datenlage jetzt nicht hergibt, dass sie solche Risiken haben wie die in Gruppe II. Da reden wir tatsächlich ja von Patientinnen und Patienten, die aktiv in der Chemotherapie sind, oder von Menschen, die in Arztpraxen arbeiten. Und das, muss ich Ihnen offen sagen, macht mir Bauchschmerzen."
Hygienekonzepte in Grundschulen und Kitas
Heckmann: Soweit die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, hier im Deutschlandfunk. – Setzen Sie sich über die Empfehlungen des Ethikrats hinweg und wie klug ist das?
Spahn: Ich habe mich mit Frau Buyx dazu auch ausgetauscht und das mit ihr noch mal abgewogen. Ich verstehe – und das ist ja auch unser grundsätzlicher Angang -, dass wir vor allem auch schauen auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, die ja zwei Kriterien hat. Das eine ist, wo sind die besonders Verwundbaren, wo sehen wir besonders viele schwere und schwerste auch tödliche Verläufe. Das sind insbesondere die Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen. Das zweite Kriterium ist, wo sind diejenigen, die auch in ihrem beruflichen Alltag ein besonders hohes Expositionsrisiko haben, sich anzustecken, etwa in der Intensivstation mit Covid-19 im Krankenhaus. Danach wird abgestuft.
Gerade bei Kitas und Grundschulen – und da sind wir uns grundsätzlich auch einig – ist es ein Zwischenbereich, weil Sie natürlich bei Drei- oder Fünfjährigen nicht so gut Abstand und Hygienekonzepte umsetzen können wie bei 15-Jährigen und damit die Risiken andere sind.
Heckmann: Absolut!
Spahn: Deswegen ist das am Ende eine Abwägungsentscheidung, auch eine politische Abwägungsentscheidung. Entscheidend ist für mich was anderes und für Frau Buyx auch, dass insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen trotzdem auch und sehr zeitnah ihr Impfangebot bekommen. Darum geht es ja. Die Mengen an Impfstoff, die wir verfügbar haben, übrigens gerade mit Blick auf die 18- bis 64-Jährigen und AstraZeneca, die machen aus meiner Sicht diesen Schritt möglich.
Spahn: Genug Impfstoff für Beschäftigte in Kitas und Grundschulen
Heckmann: Ganz kurz noch zum Schluss. Wie stellen Sie sicher, dass diese vulnerablen Personen, zum Beispiel Krebspatienten, nicht von der Masse von Erzieherinnen und Erziehern und Lehrern verdrängt werden?
Spahn: Was heißt Masse. Wir haben in Deutschland etwa knapp eine Million Beschäftigte in den Kitas, in den Grundschulen. Wir haben deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung, übrigens gerade auch aktuell bei den Ländern deutlich mehr Impfstoff auch gerade von AstraZeneca für diese Altersgruppe 18 bis 64 zur Verfügung. Entscheidend ist doch in dieser Phase gerade etwas anderes: Nachdem wir über drei, vier Wochen über einen, ja auch von mir angekündigten und erwartbaren Mangel an Impfstoffen gesprochen haben und viele Impfzentren, viele Länder gesagt haben, wir haben hier Strukturen, die würden wir gerne nutzen, kommen wir jetzt gerade in die Phase, wo wir Impfstoff haben, der jetzt dann auch in die Struktur muss und verimpft werden muss. Deswegen setze ich darauf, dass das jetzt deutlich an Geschwindigkeit gewinnt, dass vor Ort Menschen mit Vorerkrankungen, aber auch die Erzieherinnen und Erzieher ein Impfangebot bekommen und wir deutlich mehr Impfungen haben. Im Moment scheitert dieses Angebot ja nicht daran, dass kein Impfstoff da wäre, und das ist ja schon mal eine neue Qualität im Vergleich zu vor vier Wochen.
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