Ein 68-jähriger Ultra-Linker, ein innerparteilich hoch umstrittener Rebell, ein radikaler Gegenentwurf zum smarten Ex-Premier Tony Blair: Das ist Jeremy Corbyn, neuer Hoffnungsträger der britischen Sozialdemokratie - mehr noch: heimlicher Sieger der Unterhaus-Wahl im Juni, gefeiert von seinen Anhängern. Die Labour-Party schaffte es am Ende zwar lediglich auf Platz 2, verhinderte aber - völlig unerwartet - eine absolute Mehrheit der Konservativen von Regierungschefin Theresa May.
Der Wahlkampf zuvor war - wie für Martin Schulz - auch für Jeremy Corbyn eine Premiere als Spitzenkandidat. Doch das schien ihn nicht zu belasten; er ruhte vielmehr in sich, zwischen Person und Programm passte kein Blatt. Corbyn hat es mit seiner Art der Kampagne - auch in den sozialen Medien - verstanden, Stammwähler und Erstwähler zu motivieren. Auch, indem er ihnen eine echte Richtungsentscheidung versprach. Mays Herausforderer mochte die Begegnung mit den Menschen, wurde von Woche zu Woche lockerer - und überzeugte zum Schluss selbst viele anfängliche Skeptiker.
Der Wahlkampf zuvor war - wie für Martin Schulz - auch für Jeremy Corbyn eine Premiere als Spitzenkandidat. Doch das schien ihn nicht zu belasten; er ruhte vielmehr in sich, zwischen Person und Programm passte kein Blatt. Corbyn hat es mit seiner Art der Kampagne - auch in den sozialen Medien - verstanden, Stammwähler und Erstwähler zu motivieren. Auch, indem er ihnen eine echte Richtungsentscheidung versprach. Mays Herausforderer mochte die Begegnung mit den Menschen, wurde von Woche zu Woche lockerer - und überzeugte zum Schluss selbst viele anfängliche Skeptiker.
Corbyn mobilisierte auch neue Wählerschichten
Corbyn hat es aber auch geschafft, mit Labours Wahlmanifest für mehr soziale Gerechtigkeit die Themen zu setzen: Abschaffung der Studiengebühren, Wiederverstaatlichung von Bahn und Post, niedrigere Steuern für Geringverdiener, höhere für Besserverdiener. Mit diesem klaren Linkskurs hat die Partei nicht nur die klassische Labour-Klientel etwa im Norden Englands mobilisiert, sondern auch die Jüngeren, vor allem Studenten. Corbyn profitierte zugleich von der Schwäche seiner Gegnerin, denn May wirkte bei ihren Auftritten und Interviews bisweilen unbeholfen - etwa als sie gefragt wurde, was das frechste sei, das sie jemals gemacht habe.
Sie sei als Kind mal durch ein Weizenfeld gelaufen, gestand sie nach einigem Nachdenken. Nun ja. Labour gelang es, von Mays zentraler Botschaft - Wer erreicht den besten Brexit-Deal für Großbritannien? - abzulenken. Anders als SPD-Mann Schulz hatte Corbyn jedoch den Vorteil, dass seine zunehmend nervöse Kontrahentin May ebenfalls ihre erste nationale Wahlkampagne bestritt, nicht ihre vierte, wie Angela Merkel. Und dass er - anders als Schulz nach vier Jahren Großer Koalition - als Oppositionsführer die Konservativen ohne Beißhemmung angreifen konnte. Corbyn konnte also wettern gegen die Tories, vor allem gegen ihre Sparpolitik.
Das Phänomen Corbyn verblüffte all seine Gegner, auch in der eigenen Partei: Am Wahltag dann gewann die Labour-Party überraschend Sitze hinzu und erreichte einen Stimmenanteil von 40 Prozent, nur knapp zweieinhalb Prozentpunkte hinter Mays Konservativen. "Toller Erfolg für Corbyn", gratulierte Schulz auf Twitter. Einige politische Beobachter in London meinen: Hätte der Wahlkampf noch eine Woche länger gedauert, wäre jetzt womöglich Jeremy Corbyn der Hausherr in 10 Downing Street.