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Jerusalem
Ausschreitungen nach Tod eines Busfahrers

Ein palästinensischer Busfahrer ist tot aufgefunden worden, die israelischen Behörden gehen von einem Suizid aus - doch die Familie glaubt an Mord. Im Osten Jerusalems kam es deshalb zu Ausschreitungen. Die Außenminister der EU-Länder äußerten sich besorgt.

    Ausschreitungen im Osten Jerusalems nach dem Tod eines palästinensischen Busfahrers
    Ausschreitungen im Osten Jerusalems nach dem Tod eines palästinensischen Busfahrers (afp / Ahmad Gharabli)
    Der 32-jährige Familienvater soll erhängt in seinem Bus aufgefunden worden sein. "Es ist wohl ein Suizidfall. Es gibt keinerlei Anzeichen von äußerer Gewalteinwirkung", erklärte Polizeisprecherin Luba Samri in einer ersten Stellungnahme. Die Familie des Busfahrers der israelischen Egged-Gesellschaft wirft jedoch jüdischen Extremisten vor, ihn ermordet zu haben.
    Brennende Reifen im Osten Jerusalems
    Im arabischen Ostteil Jerusalems kam es wegen des Todesfalls zu Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Zahlreiche Palästinenser versammelten sich in Abu Dis östlich der Stadtgrenze, wo die Eltern und Geschwister des Toten leben, an der israelischen Sperranlage und setzten Reifen in Brand. Sie schlugen zudem mit Vorschlaghämmern auf die Mauern ein.
    Seit ein 16-jähriger Jugendlicher Anfang Juli entführt und ermordet wurde, gibt es im Osten Jerusalems Zusammenstöße. Ein weiterer Streitpunkt zwischen Israelis und Palästinensern ist die Nutzung des Tempelbergs.
    Mord oder Selbstmord?
    Am Nachmittag berichtete Polizeisprecherin Samri, dass Gerichtsmediziner in Tel Aviv ebenfalls von einem Selbstmord ausgingen: "Als Ergebnis der Autopsie, an der auch ein von der Familie beauftragter Pathologe teilnahm, wurde der Polizei und den Verwandten mitgeteilt, dass kein krimineller Akt vorliegt", sagte Samri.
    Fahrerkollege Muatassem Fakeh sagte der Nachrichtenagentur AFP dagegen: "Wir haben an seinem Leichnam Gewaltspuren, Blutergüsse, gesehen. Er hing außerdem im hinteren Einstieg des Busses; das ist viel zu eng dort, um sich selbst zu erhängen." Ussama, der Bruder des Toten, sagte der Nachrichtenagentur: "Mein Bruder war sehr glücklich. Er hatte keinerlei Probleme, die ihn zu einer Selbsttötung hätten veranlassen können."
    Sorge in der EU wegen neuer Unruhen
    Die Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten riefen Israelis und Palästinenser zu Zurückhaltung auf. Beide Seiten müssten Provokationen und Gewalt vermeiden, heißt es in einem in Brüssel veröffentlichten Bericht. Die EU sei "ernsthaft besorgt wegen der wachsenden Spannungen und der zunehmenden Gewalt".
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, der Streit um den Tempelberg drohe den Nahost-Konflikt von einem politischen zu einem "religiös überlagerten" zu verändern.
    (nch/kis)