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Jetzt bleibt sie doch in Frankfurt/Oder

Studis für Gesine - Herz und Verstand für Deutschland. Unter diesem Motto wurde gestern an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder gefeiert. Studierende, Mitarbeiter der Uni und interessierte Bürger drückten Gesine Schwan die Daumen. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge haben sie den Ausgang der Bundespräsidentenwahl aufgenommen.

Von Claudia van Laak |
    Wolfgang Thierse: Es entfallen auf Herrn Horst Köhler 604 Stimmen .....(Applaus)

    Applaus im Reichstag, Stille im Hof der Universität. Die Studierenden blicken sich betreten an. Trotz der klaren Mehrheitsverhältnisse hatten viele von ihnen insgeheim darauf gehofft, ihre Unipräsidentin Gesine Schwan werde nun Präsidentin aller Deutschen.

    Ich bin schon sehr enttäuscht, ich hab wirklich geglaubt, dass sie es schafft, es wäre wirklich eine Revolution gewesen.

    Sie hat so guten Wahlkampf gemacht, dass die Leute, die ihre Stimmen ungültig gemacht haben oder sich enthalten haben, also dieses Verhalten finde ich ein bisschen daneben.

    Es wäre schön gewesen, aber es ist auch kein Weltuntergang.

    Bei Weißwein, Bier und Wasser beginnt nun die Debatte. War das ein gutes Ergebnis für Gesine Schwan? Hätte sie noch mehr kämpfen müssen, um zumindest einen zweiten Wahlgang herauszuholen?

    Das war ein hervorragendes Ergebnis, weil sie ja fast zehn Stimmen der Gegenpartei gewonnen hat, das gab's ja noch nie bei einer Wahl, dass so viele umgekippt sind, da können wir wirklich stolz darauf sein.

    Ich bin nicht enttäuscht, ich find's ein tolles Wahlergebnis für Frau Schwan, und ich bin froh, dass sie hier bleibt.

    Auf den Monitoren erscheint nun der markante blonde Lockenkopf der rot-grünen Präsidentschaftskandidatin. Hatte sich bei der Verkündung des Wahlergebnisses keine Hand zum Applaus gerührt, ist nun der Jubel groß.

    In fünf Jahren hat sie noch einmal Gelegenheit, Bundespräsidentin zu werden, ich bin dafür, ihr eine zweite Chance zu geben.

    Wir haben letzten Endes doch gewonnen, also die Uni hat gewonnen, dass sie hier bleibt, ist eine gute Sache.

    Wir können keine Verlierer sein, wir sind froh, dass Gesine zu uns zurückkommt.

    Nun erscheint der Wahlsieger Horst Köhler auf den Bildschirmen und hält seine Antrittsrede. Prompt geht in Frankfurt/Oder ein heftiger Regenguss nieder.

    Kryzysztof Woitschechowski verfolgt aufmerksam die Rede von Horst Köhler. Er ist vom anderen Ufer der Oder nach Frankfurt zur Wahlparty gekommen. Woitschechowski leitet das Collegium Polonicum, den polnischen Teil der Europa-Universität Viadrina. Gesine Schwan wäre die bessere Bundespräsidentin gewesen, ist Woitschechowski nach der Rede Köhlers überzeugt. Denn:

    Den Deutschen fehlt Spontaneität, Risikobereitschaft und eine Prise Unvollkommenheit, sie müssen endlich aus den alten Strukturen raus.

    Diese Aufbruchstimmung verkörpere Gesine Schwan. Der Leiter des Collgium Polonicum wird - gemeinsam mit vielen anderen - der Unipräsidentin morgen einen gebührenden Empfang bereiten. Mit dabei ist auch ihre Stellvertreterin Janine Nuyken. Sie hofft, dass die Popularität von Gesine Schwan der Uni langfristig hilft.

    Es ist ja bekannt, dass die Uni unter dauerhafter Finanzknappheit leidet. Vielleicht haben ja einige erkannt, dass wir eine gute Arbeit machen und wollen uns dabei helfen, das will ich hoffen.

    Die Präsidentschaftskandidatur von Gesine Schwan ist ein Gewinn für die Uni - davon sind die polnischen und deutschen Studierenden der Viadrina überzeugt. Sie sagen: Zwar wissen noch nicht alle, wo Frankfurt/Oder liegt, aber alle wissen mittlerweile, dass es uns gibt.