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"Jetzt können wir ja zumindest sagen: Türkische Medien sind dabei"

Das Oberlandesgericht München muss türkischen Pressevertretern Plätze beim NSU-Prozess gewähren. Welche das sein werden, ist unklar. Genau wie die Arbeitsbedingungen für Journalisten im Gericht. Deshalb gibt es weiter Kritik an den Richtern.

Von Michael Watzke |
    "Wissen Sie, ganz ehrlich: Das Hauptanliegen war, die türkische Presse muss bei diesem Verfahren dabei sein. Und das Bundesverfassungsgericht hat das bestätigt. Darüber sind wir jetzt froh."

    Erel hatte den Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der 41-Jährige ist stellvertretender Chefredakteur der Europa-Ausgabe der türkischen Tageszeitung "Sabah". Heute früh bekam er eine Glückwunsch-E-Mail aus Istanbul. Die Hauptredaktion der türkischen Zeitung gratulierte ihm. Sie hatte eher nicht mit einem Erfolg gerechnet. Erel dagegen war stets siegesgewiss.

    "Ich hätte mir das nicht anders vorstellen können. Dass da eine Ungleichbehandlung vorhanden war, das hat man doch gesehen. Allein schon durch die Tatsache, dass ich die Mail doch auch schon viel später bekommen habe."

    Mit der Mail meint Erel die Nachricht der Pressestelle des OLG München kurz vor der Öffnung der Akkreditierungsliste zum NSU-Prozess. Das Gericht hatte einige Journalisten früher informiert als andere. Erel gehörte zu den später Informierten und hatte dadurch einen festen Sitzplatz im viel zu kleinen Gerichtssaal verpasst. Nun erhält er möglicherweise eine neue Chance.

    "Ob wir jetzt dabei sein werden? Natürlich wollen wir gern dabei sein. Nur: Wenn das Gericht nun sagt, wir verlosen das – dann sind wir möglicherweise nicht dabei. Aber die Enttäuschung wäre jetzt nicht so groß wie vor zwei Wochen, als wir erfahren haben, dass wir überhaupt nicht berücksichtigt werden. Jetzt können wir ja zumindest sagen: Türkische Medien sind dabei."

    Wie viele und welche, ist noch ungewiss. Derzeit berät der Strafsenat unter Vorsitz des Leitenden Richter Manfred Götzl, wie er die Weisung aus Karlsruhe umsetzt. Entweder das Gericht schafft mindestens drei zusätzliche Presseplätze, etwa auf der Publikumstribüne, oder es schreibt das Akkreditierungsverfahren komplett neu aus. Letzteres fordert der Journalistenverband DJU. Allerdings gilt dieser Schritt als unwahrscheinlich, weil der Strafsenat den Beginn des NSU-Verfahrens dann verschieben müsste. Und das will man dem Vernehmen nach um jeden Preis verhindern. Gerichtssprecherin Andrea Titz sagte heute, der Strafsenat werde seine Entscheidung frühestens Montagvormittag verkünden. Tietz will sich derzeit auch noch nicht zu den Arbeitsbedingungen der Journalisten äußern.

    "Es haben sich da in den letzten Wochen so viele Änderungen ergeben, dass jede Information, die wir gegeben hätten oder in diesem Moment geben, im Grunde unlauter wäre, weil sie sich bis zum Verfahrensbeginn noch x-mal ändern kann."

    Die Arbeitsbedingungen der Gerichtsreporter sind ein Streitpunkt zwischen Justiz und Medien. Vor allem den Rundfunkanstalten. Jeder akkreditierte Reporter soll den Sitzungssaal maximal drei Minuten lang verlassen dürfen, um auf die Toilette zu gehen. In dieser kurzen Zeit können aber Fernseh- und Radiojournalisten keine Beiträge absetzen. Zudem dürfen sie im Gerichtssaal nicht mal ins Internet. Offiziell gilt ein Onlineverbot. Ein deutscher Journalist hatte gegen diese Einschränkungen geklagt, doch das BVG gab seinem Eilantrag nicht statt. Zwar hat das OLG München angedeutet, dass es das Onlineverbot nicht explizit kontrollieren wird – aber viele akkreditierte Journalisten rechnen trotzdem mit Chaos vor dem Verhandlungssaal und dem Gerichtsgebäude, wenn Dutzende Reporter versuchen, ihre Beiträge in kürzester Zeit an die Redaktionen abzusetzen.