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JF Robitaille
"Ohne staatliche Förderung würde unsere Kultur nicht existieren"

Lou Reed, Bob Dylan, Leonard Cohen: Das sind nur einige der Größen, mit denen der kanadische Singer-Songwriter JF Robitaille verglichen wird. Zurzeit tourt er mit seinem dritten Album "Rival Hearts" durch Deutschland. Touren, die ohne staatliche Zuschüsse oft nicht möglich wären, erzählt er im Corsogespräch.

Der kanadische Singer-Songwriter JF Robitaille im Gespräch mit Knut Benzner |
    Der Steg und die Saiten einer "Martin SPD-16 Special Edition" glänzen im Sonnenlicht. Diese Westerngitarre ist ein von Johnny Cash lizenziertes Modell, von dem es weltweit nur zwei Exemplare gibt.
    "Ich spreche mit meiner Stimme, nicht mit einer Band", sagt der Singer-Songerwriter JF Robitaille. (picture alliance / Maximilian Schönherr)
    Knut Benzner: Mr.Robitaille, Ihr Nachname, Sie müssen aus dem französischen Teil Kanadas kommen...
    JF Robitaille: Das tue ich, ja, aus Montreal in Quebec. Mein Vater war Franzose, meine Mutter war Ungarin, somit spreche ich französisch, englisch und ungarisch, aber englisch ist die erste Sprache, meine Mutter sprach kein französisch, als Ungarin lernte sie englisch, also sprachen sie englisch zu Hause.
    Benzner: Nun erschien hier Ihre erste CD und man vergleicht Sie mit Lou Reed, Bob Dylan, Leonard Cohen usw. Was meinen Sie dazu?
    Robitaille: Solche Vergleiche machen vollkommen Sinn. Diese Leute erfanden geradezu, was ich mache, sie schrieben Songs und führten sie auf. Ich spreche mit meiner Stimme, nicht mit einer Band, ein leichter Vergleich allerdings, aber er macht Sinn. Natürlich bin ich nicht auf deren Level, ich versuche, dorthin zu kommen.
    Benzner: Sie versuchen, dorthin zu kommen. Wann?
    Robitaille: Hm, vermutlich in sechs Monaten, in sechs Monaten werde ich dort sein.
    Benzner: Wenn man Ihre CD Rival Hearts hört, wird eines sehr schnell offensichtlich: Sie ist sehr, sehr ruhig, sehr leise.
    "Zuhörer zum Innehalten bewegen"
    Robitaille: Ja, sie versucht, sehr leise zu sein – sie ist ruhig. Ich glaube, dass es zwei Wege gibt, die Menschen zu erfassen: mit sehr großer Lautstärke und Ruhe. Aber die Umstände, die Verhältnisse, in denen ich mich wiedergefunden habe - während meiner Konzerte dachte ich mir, die Zuhörer zum Innehalten zu bewegen und ein wenig näher aneinanderzurücken, das war ein besserer Weg für mich als sie mit einem Baseball-Schläger über den Kopf zu hauen.
    Benzner: Aber Sie haben schon mal von dem, was wir Rock and Roll nennen, gehört?
    Robitaille: Ich mag Rock and Roll, ja, ich meine, ich bin mit Rock and Roll aufgewachsen und war in Rock-and-Roll-Bands, lange. Die Velvet Underground sind wohl die, warum ich Musik mache.
    Benzner: Kanada, dieses Land aus dem Sie sind, aus dem östlichen Teil, Kanada hat eine einzige Grenze: die zu den USA. Kanada ist völlig anders als es die Vereinigten Staaten sind, abgesehen davon, dass Kanada größer ist und dafür viel weniger Menschen dort leben. Was ungeheuer interessant ist, ist die Tatsache, dass in den letzten drei, vier, fünf Jahren viele junge Singer-Songwriter kommen, männliche wie weibliche, die Nachfolger, wenn man so will, von Leonard Cohen, Neil Young und Joni Mitchell. Kathleen Edwards, Jason Collett, Sarah McLachlan, Del Barber usw. Was, meinen Sie, ist der Grund dafür?
    Robitaille: Ich glaube, das ist eine Möglichkeit, eine eigene Identität zu bekommen. Mutmaßlich, sogar noch wesentlich mehr als Deutschland, die USA sind gleich an der Grenze, sind wir besetzt von US-amerikanischer Pop-Kultur, 24 Stunden am Tag, Radio, Fernsehen, alles. Wir selbst kommen in diese Unterhaltung wirklich nicht hinein, also müssen wir unsere eigene Unterhaltung machen.
    Die CBC, die Canadian Broadcasting Corporation etwa, ist dermaßen wichtig in Kanada, um einheimische Kulturexistenz zu bewahren. Ich meine, sie würde gar nicht existieren ohne die CBC. Das ermutigt die Leute. Das Songwriting, ich finde es sehr aufmerksam, gedankenvoll und die Leute arbeiten an ihrem Handwerk, es entstehen großartige CDs.
    Benzner: Und in vielerlei Hinsicht sind die Singer-Songwriter aus Kanada zurzeit wirklich besser als die, na ja, nicht die Originale, aber eben die aus den USA.
    Robitaille: Ja, weil die so genannten Major Labels, die großen Schallplattenfirmen, keinen Raum mehr haben, Musiker wachsen zu lassen. Man macht eine CD – und das war's. Die kleineren Firmen und die andere Infrastruktur in Kanada unterstützt unsere Singer-Songwriter, drei, vier, fünf CDs zu machen.
    Wenn man die Möglichkeit dazu hat, die Karriere, das Leben so zu gestalten, ist das besser. Das war schon immer so. Tom Waits' erste vier, fünf LPs waren Flops, doch sein Label setzte auf ihn. Bob Dylans erste LP war ein Flop, Leonard Cohen hatte LPs und CDs, die sich nicht verkauft haben.
    "Ohne Zuschüsse wären viele kanadische Bands nicht bekannt"
    Benzner: Die Musik selbst, die Struktur der Musik, kommt natürlich aus den USA, Sie haben in Kanada keine neue Art Musik erfunden. Und bzw. aber: Im Unterschied zu fast allen anderen Ländern dieser Welt gibt die kanadische Regierung Geld, um junge Musik, CD-Label usw. zu unterstützen. Wie funktioniert das und: warum?
    Robitaille: Ich beginne mit dem "Warum". Das "Warum" existiert, weil die US-amerikanische Kultur die kanadische Kultur in den 50ern und 60ern total übernommen hatte. Die kanadische Regierung schlug zurück und entschied, eigene Künstler zu fördern, wunderbare Programme. Sie geben jungen Musikern Zuschüsse, um zu touren, Videos zu machen und Demos. Man muss einige Kriterien erfüllen, aber das Programm ist jedem in jeder Stadt offen und absolut erstaunlich.
    Die Gelder sind leider gekürzt worden, weil wir zum ersten Mal seit einiger Zeit eine sehr konservative Regierung haben – nun, seit einigen Jahren bereits. Doch hoffentlich bleibt das Programm trotzdem stabil, denn man sieht es: Man würde viele kanadische Bands und Singer-Songwriter gar nicht kennen, wenn sie diese Zuschüsse nicht bekommen hätten, zu hundert Prozent.
    Benzner: Können Sie Zahlen nennen?
    Robitaille: Sie zahlen..., ich bin nicht sicher, es ist eine Weile her, dass ich in dem Programm war, Schallplattenlabel bekommen inzwischen auch Unterstützung, mein Label zum Beispiel, man bekommt, daran erinnere ich mich, 2000 Dollar für ein Demo, 5000 für ein Video, 10.000, um eine komplette CD zu machen, man bekommt Tour-Unterstützung, indem man sich Geld leihen kann und zurückzahlt, wenn man Kasse gemacht hat, und an so was sind halt viele interessiert, super unterstützend.
    Benzner: Sie sind das erste Mal in Europa, Sie sind das erste Mal in der Bundesrepublik, Sie gehen anschließend zurück nach Kanada und Sie arbeiten an einer weiteren CD.
    Robitaille: Ja, ich schreibe an einer neuen CD in den nächsten Monaten, wir machen in Kanada und im Osten der USA eine Tour, ich will zurück ins Studio und nach Möglichkeit im Herbst eine neue CD machen.