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JFK-Mord
Die Schüsse auf den amerikanischen Präsidenten vor 50 Jahren

Die Amtszeit von John F. Kennedy endete nach etwas mehr als 1000 Tagen mit drei tödlichen Kugeln. Die beiden deutschen Journalisten Ronald D. Gerste und Mathias Bröckers haben zwei sehr unterschiedliche Bücher über Kennedy geschrieben.

Von Katja Ridderbusch |
    "From Dallas, Texas, the flash, apparently official: President Kennedy died at 1 pm central time."
    Der amerikanische Nachrichtensprecher Walter Conkite verlas am 22. November 1963 die Eilmeldung aus Dallas: Präsident John F. Kennedy ist tot, gestorben um 13 Uhr Ortszeit.
    "Vice President Johnson has left the hospital in Dallas, but we do not know to where he has proceeded."
    Die Bilder dieses Tages haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: wie das Journalistenschlachtross Cronkite vor laufender Kamera um Fassung ringt. Wie wenige Stunden zuvor Kennedy und Ehefrau Jackie, im pinkfarbenen Kostüm und mit Pillboxhut, durch Dallas fahren. Wie Vizepräsident Johnson später im Flugzeug den Amtseid ablegt, neben ihm Jackie, auf der Jacke das Blut ihres ermordeten Mannes. Das ist 50 Jahre her – und Anlass zur Rückschau in zahlreichen Büchern, Spielfilmen und Dokumentationen.
    "Die 1000 Tage der Präsidentschaft des John Fitzgerald Kennedy waren bewegt wie nur wenige andere vergleichbare Zeitspannen: eine Abfolge von Krisen und Herausforderungen, im eigenen Land, unweit der Küste zur Karibik und in fernen Teilen der Welt wie in Berlin und in Vietnam."
    So resümiert der Journalist, Historiker und Arzt Ronald D. Gerste die Kennedy-Jahre. Sein Buch "John F. Kennedy - 100 Fragen, 100 Antworten" ist viel mehr als ein Nachschlagewerk. Es ist eine Fundgrube für Episoden, Details und Hintergründe aus dem kurzen, schillernden Leben des 35. US-Präsidenten. Ein ebenso informativer wie unterhaltsamer Mix aus Politik, Biografie und Boulevard. Als Mediziner interessiert sich Gerste besonders für Kennedys Krankenakte. JFK litt neben zahlreichen anderen Gebrechen unter Morbus Addison, einer Insuffizienz der Nebennierenrinde. Ein Kollaps wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, meint der Autor:
    "Wenn es nicht zum Attentat von Dallas gekommen und Kennedy 1964 wiedergewählt worden wäre, hätte er sicherlich in seiner zweiten Amtszeit einen Tribut für seine Lebensweise zahlen müssen - für die ja doch merkwürdige Therapie, der er sich unterzog. Er hat massiv Medikamente genommen, eigenartige Medikamentencocktails von einem zweifelhaften Arzt, dem man später auch die Zulassung entzogen hat."
    Gerstes Buch liefert keine brandneuen Erkenntnisse. Und das ist auch gar nicht sein Anspruch. Sein Kunstgriff ist, dass es vermeintlich bekannte Fakten rund um das Leben von JFK aufgreift, sie gerade rückt, mit Kontext füllt – und zum Teil auch entzaubert. Da ist zum Beispiel das Verhältnis zwischen Kennedy und Marilyn Monroe. Kein Liebesreigen, in dem die Mafia auf geheimnisvolle Weise mittanzte, betont Gerste. Sondern eine Affäre, die Kennedy - der trotz seiner ausgeprägten Libido in erster Linie ein Machtmensch war - schnell beendete:
    "Die Eroberung des absoluten Sexsymbols der Epoche dürfte für Kennedy ein beglückendes Erlebnis gewesen sein – mehr aber auch nicht. Denn Kennedy merkte, dass Marilyn psychisch alles andere als stabil war. Der weitere Umgang mit Marilyn wäre ein Spiel mit dem Feuer gewesen."
    Gerste führt den Leser auch durch das Labyrinth der Theorien zum Kennedy-Attentat. Da stehen als Täter wahlweise Fidel Castro, die Exilkubaner, der KGB, die Mafia oder der Mossad unter Verdacht. Fest steht, dass wider die offizielle Lesart der Warren-Kommission, die 1964 einen Bericht über den Kennedy-Mord vorlegte, bis heute 80 Prozent der Amerikaner daran zweifeln, dass Lee Harvey Oswald allein handelte. Zweifel, die der Berliner Journalist Mathias Bröckers teilt. Sein Buch "JFK - Staatsstreich in Amerika" will beweisen: Oswald arbeitete als inoffizieller Mitarbeiter für die US-Nachrichtendienste und wurde von diesen systematisch zum Sündenbock abgerichtet.
    "Bis heute sind die Steuerunterlagen von Oswald topsecret. Warum kann man nicht den Steuerbescheid von Lee Harvey Oswald von 1959 mal einsehen? Weil er mit hoher Wahrscheinlichkeit Geld bekommen hat, nicht direkt von der CIA, sondern über eine Strohfirma."
    Allein der gesunde Menschenverstand gebe Anlass zum Misstrauen, meint Bröckers. So sei Oswald nach dem Attentat zwei Tage lang verhört worden, bevor der Nachtklubbesitzer Jack Ruby ihn erschoss.
    "Erstaunlicherweise gibt es von dem Verhör aber kein Protokoll, mit dem Hinweis, wir hatten gerade kein Tonband zur Hand. Also, der Präsidentenmörder wird acht Stunden lang verhört. Und man kann leider nicht mitschneiden. Und ein Stenograf war auch gerade keiner da. Das ist alles völlig absurd."
    Bröckers sieht den Staat höchst selbst am Werk - die Geheimdienste, das Militär, die Regierung, tatkräftig unterstützt vom organisierten Verbrechen. Denn nur sie gemeinsam hätten die Macht zur Vertuschung gehabt:
    "Erst diese Symbiose aus kriminellen Elementen und staatlicher Autorität machte den Mord an John F. Kennedy und seine nunmehr fünf Jahrzehnte währende Nicht-Aufklärung möglich. Die fatale Eintracht berechtigt ohne Zweifel dazu, diesen Präsidentenmord als Staatsstreich zu bezeichnen."
    Damit ist er ganz nah bei Jim Garrison, dem Bezirksstaatsanwalt von New Orleans. Der strengte 1969 den bislang einzigen Prozess in der Mordsache JFK an. Regisseur Oliver Stone setzte ihm 1991 ein filmisches Denkmal. Man muss Bröckers' Schlussfolgerungen nicht teilen, um sein Buch mit Spannung zu lesen. Auch kann man dem Autor weder mangelnde Sorgfalt noch paranoide Polemik unterstellen. Er belegt seine Aussagen mit zahllosen Quellen; seine Argumentation ist schlüssig, klar und ohne Eifer. Beide Autoren, Ronald Gerste und Mathias Bröckers zeigen sich wenig optimistisch, dass in naher Zukunft Licht in das Halbdunkel des Kennedy-Attentats gebracht wird.
    "Wenn man sich näher mit der Ermordung von JFK am 22. November 1963 in Dallas befasst, wird man irgendwann erschlagen von der Flut aus Fakten, Pseudofakten, Anekdoten und Fälschungen. Wo die Wahrheit wirklich liegt, ist heute kaum mehr zu sagen."
    Betont Gerste. In jedem Fall aber tragen beide Bücher – so unterschiedlich ihre Ansätze auch sein mögen – schon heute dazu bei, das Bild von John F. Kennedy, dem Politiker, dem Menschen und dem Mythos, mit vielen Details zu verfeinern und dort, wo die Antworten fehlen, die wichtigen, die drängenden Fragen zu stellen.