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Jim Knopf
Mit Worten Bilder erzeugen

Jedes Jahr erscheinen unzählige neue Kinderbücher. Doch nur wenige besitzen etwas von jener zeitlosen Gültigkeit, die ein gutes Kinderbuch ausmacht und die auch Erwachsenen etwas zu sagen hat. Ein solches Buch ist Michael Endes Klassiker "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer", das heute vor 55 Jahren erschien.

Von Carola Zinner |
    Die Marionetten Scheinriese Tutur, Lukas und Jim Knopf stehen in Augsburg im Puppenkistenmuseum mit der zerstörten Lokomotive Emma in einem Wüstenszenario.
    Die Marionetten Scheinriese Tutur, Lukas und Jim Knopf der Augsburger Puppenkiste. (picture alliance / dpa / Stefan Puchner)
    "Der Jim Knopf ist ein schwarzer Junge, der in einer Kiste mit Luftlöchern drin nach Lummerland gekommen ist. Da stand aber 'Frau Mahlzahn' drauf, und auf Lummerland gab's aber keine Frau Mahlzahn. Es gab nur eine einzige Frau sonst auf der Insel, und der König hat entschieden, dass die Frau Waas dann das Baby aufziehen soll."
    Ein winziges Königreich, rundum umgeben von Wasser, vier Bewohner, drei Häuser, ein Bahnhof: Lummerland ist der schönste Ort, an dem der Postbote ein kleines Waisenkind abgeben kann - überschaubar und wohl geordnet, voller Einfälle und origineller Lösungen für jedes Problem. Jims ständig vom Rutschen durchlöcherter Hosenboden etwa wird irgendwann nicht mehr geflickt, sondern mit Knopf und Knopfloch versehen - im Fall eines Falles kann man ihn nun einfach wieder zuknöpfen.
    Und Lukas, der Lokomotivführer mit dem rußgeschwärzten Gesicht und den Augen, so blau wie der Himmel über Lummerland, - dieser Lukas kann sowieso fast alles. Eine Eisenstange zu einer Schleife binden zum Beispiel oder einen Looping spucken. Lukas weiß sogar, wie man Emma, die alte dicke Tender-Lokomotive, in ein wunderbares Schiff verwandelt, um damit in die weite Welt zu ziehen.
    Ein Buch, wie Kinder spielen
    "Ich habe das Buch so geschrieben, wie man als Kind spielt. Man fährt, was weiß ich, mit dem Pappkarton über den Teppich, der Teppich wird zum Meer, und jetzt landet man beim Sofa, das ist eben jetzt irgend ein ferner Kontinent, und in genau dieser Art ist das Buch entstanden."
    Für das Michael Ende allerdings lange keinen Verleger fand - vermutlich auch deshalb, weil er das Manuskript zunächst nicht ausdrücklich als Kinderbuch angeboten hatte.
    "Der Jim Knopf war damals, 1960, tatsächlich etwas Neues, diese Mischung von Fantasie, und doch beinahe bis zur Science Fiction gehenden technischen Geschichte, die war damals noch ganz ungewohnt, und die meisten Lektoren haben sich erschreckt davor, die wussten gar nicht, wo sie es unterbringen sollten."
    Zwölf Absagen innerhalb von zwei Jahren: Erst Verlag Nummer 13 griff zu - und landete den großen Coup. Am 9. August 1960 erschien bei Thienemann in Stuttgart unter dem Titel "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" der erste Teil von Endes Geschichte, die er auf Wunsch des Lektors in zwei abgeschlossene Bücher umgearbeitet hatte. Ein Jahr später erhielt der Autor, der sich zu dieser Zeit mehr schlecht als recht als Schauspieler und Theaterkritiker durchbrachte, die höchste Auszeichnung der Branche.
    In der obersten Liga der Kinderbuchautoren
    "Dann kam eben in der Zeit ein dramaturgischer Knalleffekt des Schicksals, dass ich eigentlich an dem Morgen, als die Vermieterin mir nun ankündigte, dass sie eine Mietaufhebungsklage bei Gericht einreichen würde, um mich aus der Wohnung rauszukriegen, weil ich seit sieben Monaten die Miete nicht gezahlt hatte und ich ziemlich zerschmettert auf dem Bettrand saß, klingelte das Telefon und eine mir völlig fremde Stimme sagte: 'Ja, hier ist Frankfurt, und wir wollen Ihnen mitteilen, dass soeben ihr Buch 'Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer' den Deutschen Jugendbuchpreis bekommen hat. Die Dotation ist nicht besonders hoch, aber 5.000 Mark sind es' - und ich war ganz selig: So viel Geld hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen."
    Mit einem Schlag war Michael Ende in der obersten Liga der deutschen Kinderbuchautoren gelandet. So richtig populär aber wurde sein Werk erst 1962, als die Filmfassung der Augsburger Puppenkiste im Fernsehen lief: Bunte Figuren an silbrig glitzernden Fäden, hölzerne Gesichter, hampelnde Bewegungen - mit Endes eigenen Vorstellungen hat die berühmte Marionetten-Version nur wenig gemeinsam. Ihm waren ja sogar schon die heiteren Buchillustrationen, die die Jury gelobt hatte, zu kindlich-karikaturhaft geraten. Ende löste das Problem auf seine Weise und bebilderte sein nächstes Meisterstück, das moderne Märchen "Momo", einfach selbst. Schreiben, hat er mal gesagt, ist ja ohnehin nichts anderes als mit Worten Bilder erzeugen.
    "Es entsteht im Leser eine ganze Welt, indem er diese Worte liest, die man da hinschreibt. Und das, was nun zwischen dem Leser und seinem Buch vor sich geht, ist das Eigentliche. Das ist eine Art Zaubern."