Archiv

Joachim Gauck
Ein deutlicher Präsident

Seine Amtszeit ist zur Hälfte vorbei: Bundespräsident Joachim Gauck hat in den zweieinhalb Jahren seit seiner Wahl Anstößiges gesagt, Debatten angestoßen und auch Zeichen gesetzt mit Dingen, die er unterlassen hat. Die Krisen, die er kommentiert hat, haben sich seitdem eher verschärft.

Von Thielko Grieß |
    Bundespräsident Joachim Gauck schaut sich am 13.06.2014 in Trondheim den Nidarosdom an.
    Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch im Juni 2014 in Trondheim (dpa picture alliance / Maurizio Gambarini)
    "Was für ein schöner Sonntag."
    Joachim Gauck, am Tag seiner Wahl zum Bundespräsidenten, damals 72 Jahre alt. Einer, der es gewohnt ist, von Freiheit zu reden und Positionen zu beziehen - auch im Amt?
    "Ja, das wird weniger sein. Also, das was ein Teil der Öffentlichkeit an mir schätzt und ein anderer nicht mag, dass ich auch mal Ecken und Kanten zeige, das geht in der Weise nicht."
    Thilo Sarrazin hat er gelobt, dieser spreche über Integrationsschwierigkeiten offener als andere, den Antikapitalismus von Occupy nannte er eine "romantische Vorstellung" - beides allerdings noch vor Amtsantritt. In seine Amtszeit fällt der Begriff "Spinner" für ausländerfeindliche Demonstranten vor einem Asylbewerberheim.
    "Euer Hass ist unser Ansporn",
    ruft er beim Gedenken an den Nagelbombenanschlag in Köln. Haften bleibt oft, was Gauck im Ausland sagt, etwa Ende April in der Türkei:
    "Wir fragen dann schon einmal nach: Ja, muss man denn Twitter und Youtube verbieten? Wird das wirklich die Demokratie befördern?"
    Zeichen mit Absagen
    Gelegentlich setzt er ein Zeichen mit Absagen: Keine Reise auf die Krim, heißt es im April 2012 aus dem Bundespräsidialamt; Gauck vermeidet ein Treffen mit dem damaligen Präsidenten Janukowitsch ebenso wie im Februar dieses Jahres eines mit dem russischen Präsidenten Putin: Keine Reise zu den Olympischen Spielen in Sotschi. Als Russland die Krim besetzt, sagt Gauck:
    "Ich appelliere von hier aus an alle Verantwortlichen dort, zur Vernunft zurückzukehren, und insbesondere appelliere ich an die in Russland verantwortlichen Kräfte alles zu tun, damit dieser unhaltbare Zustand beendet wird."
    Der Bundespräsident, der Russland im Amt noch nicht besucht hat, formuliert vor Kurzem deutlich schärfer:
    "Die Geschichte lehrt uns, dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern. Die Geschichte lehrt uns auch, dass aus unkontrollierter Eskalation eine Dynamik entstehen kann, die sich irgendwann der Steuerung entzieht."
    Warnt Gauck in Danzig beim Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs.
    Die Bundesrepublik heute und ihr Engagement in der Welt: Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz stößt Gauck im Winter diese Debatte an:
    "Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen. Als äußerstes Mittel ist dann der Einsatz von Militär möglich und zwar nach sorgfältiger Prüfung sowie Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen."
    Dies hat er seither mit ähnlichen Worten mehrfach wiederholt - zugleich sind Krisen schärfer geworden: in der Ukraine, im Irak und dort, wo Ebola grassiert.