Der Vorstoß des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Tür zum Weltsport für russische und belarussische Sportler trotz des Krieges in der Ukraine wieder zu öffnen, hat über den Sport hinaus zu einer kontroversen Diskussion geführt. Den Sportlern würde damit auch der Weg zu den Olympischen Spielen in Paris 2024 offen stehen, wenn auch nur unter neutraler Flagge. Die Ukraine hatte dies scharf kritisiert und mit einem Paris-Boykott gedroht.
Auseinandersetzung mit Menschenrechten notwendig
Für Joachim Rücker, der viele Jahre im diplomatischen Dienst war und seit Anfang des Jahres Geschäftsführer des Menschenrechtsrates des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) ist, ist es "höchste Zeit", dass sich Sportverbände mit dem Thema Menschenrechte auseinandersetzen.
"Das Thema ist in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt, nicht nur, aber insbesondere auch durch die FIFA-WM in Katar durch die Olympischen Spiele in Peking und die Begleiterscheinungen. Und gerade der DOSB widmet sich dem mit großer Intensität und großer Konsequenz", unterstreicht Rücker. Dazu gehöre auch, wie mit russischen und belarussischen Sportlern umzugehen sei.
Wie umgehen mit russischen und belarussischen Sportlern?
Die Nationalen Olympischen Komitees und auch der DOSB hätten sich dazu positioniert. Rücker verweist im Deutschlandfunk auf den aktuell laufenden weiteren Prüfungsprozess der Verbände. Der SPD-Politiker kennt sich mit solchen Fällen aus. Er war unter anderem für die Vereinten Nationen als Sondergesandter im Kosovo und 2015 Präsident des UN-Menschenrechtsrates.
Rücker erkennt die Schwierigkeit einer Entscheidung hinsichtlich russischer und belarussischer Sportler an: "Es mag schon einen Zielkonflikt geben, einerseits zwischen der klaren Verurteilung der russischen Aggression und Invasion in der Ukraine und der Frage, was sind menschenrechtliche Standards im Hinblick auf einzelne russische und belarussische Athleten und Athletinnen, die gegen den Krieg eingestellt sind, sich möglicherweise gegen den Krieg positioniert haben oder im Ausland leben. Allerdings geht es um Abwägungen."
Persönlich hält Rücker einen Ausschluss für richtig
Persönlich vertritt Joachim Rücker eine klare Linie. Er unterstreicht aber, dass er dabei nicht für den DOSB spreche: "Ich bin der Meinung, dass der russische Angriffskrieg alle Sanktionen, die bisher verhängt wurden, rechtfertigt und dass diese aufrechterhalten werden sollten und dass das eben bis auf Weiteres im Bereich des Sports gelten sollte."
IOC: Keine Diskriminierung aufgrund des Passes
Doch nicht alle sind dieser Meinung. Zwei UN-Expertinnen begrüßen den Vorschlag des IOC, die Zulassung von Athleten aus der Russischen Föderation und Belarus zu Sportwettkämpfen als „neutrale“ Teilnehmer in Betracht zieht. Kein Athlet solle nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme an Wettkämpfen gehindert werden, heißt es in ihrer Erklärung.
Wenn man die einzelnen Referenzen genauer betrachte, die das IOC in seiner Argumentation heranzieht, "dann ist es jetzt auch nicht so, dass daraus jetzt zwingend die Wiederzulassung folgt", so Rücker.
Tokio 1964: Keine einzelnen Athleten aus Südafrika zugelassen
Der Blick in die Geschichte zeige jedoch, so Rücker, dass beispielsweise Südafrika wegen der Apartheid von den Olympischen Spielen in Tokio 1964 ausgeschlossen wurde. "Und mir ist nicht bekannt, dass dort einzelne Athleten zum Beispiel Persons of Colour zugelassen gewesen wären. Es sind immer schwierige Abwägungen", widerspricht Joachim Rücker.