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Joana Vasconcelos in Brühl
Kunst mit barocken Schönheitsflecken

Ein Kronleuchter aus unzähligen Tampons - mit dieser Installation wurde Joana Vasconcelos auf der Venedig-Biennale international bekannt. Geschlechterrollen und kulturelle Identität sind das Metier der Portugiesin. Das Max-Ernst-Museum zeigt nun Werke aus 20 Jahren - und ein barockes Lebensgefühl.

Von Peter Backof |
Überdimensionale, siberne High Heels - das Kunstwerk "Marilyn" der portugiesischen Konzeptkünstlerin Joana Vasconcelos, war Teil der Ausstellung "I'll Be Your Mirror" im Guggenheim-Museum 2018.
Überdimensionale, siberne High Heels: Das Werk der portugiesischen Konzeptkünstlerin Joana Vasconcelos war Teil der Ausstellung "I'll Be Your Mirror" im Guggenheim-Museum 2018 (picture-alliance/dpa/Sabine Glaubitz)
Joana Vasconcelos: "Ich war oft 'die erste Frau'. Nicht nur in Portugal, sondern überall. Die erste Frau, die in Versailles ausgestellt hat, uns so weiter. Warum? Ich weiß es nicht! Gab es keine guten Künstlerinnen vor mir? Doch! Die gab es."
Joana Vasconcelos, geboren 1971, fügt augenzwinkernd hinzu, sie sei womöglich auch noch die einzige barocke Künstlerin derzeit. Ihre Werke sind großformatig, raumgreifend, opulent und im durchaus dekorativen Sinn schön. "Carmen Miranda" heißt ein fast drei Meter hoher Stöckelschuh, der in einem lichtdurchfluteten Salon des Max-Ernst-Museums ein Hingucker ist. Bis man es merkt: Der edle Schuh ist aus Hunderten von Kochtöpfen gebaut, handelsübliche Edelstahltöpfe. Womit das Thema eingekreist ist: die Frau zwischen Küchenschürze und Abendgarderobe?
Sureale Objekte als Antwort auf Heimatfrage
"Ganz genau. Das bisschen Haushalt! Und wie es mit dem Großen, Ganzen der Gesellschaft zusammenhängt. Alle sind verbunden dadurch, dass sie Kulturtechniken teilen und immer wieder reproduzieren. Kochen, Häkeln, die Haare machen. Ich klinke mich da ein und sehe es mir von einem anderen Standpunkt aus an. Das ist mein Job als Künstlerin."
Was ist eigentlich kulturelle Identität? Oder wie man es in Deutschland aktuell formuliert: Was ist Heimat? Joana Vasconcelos beantwortet die Frage seit 20 Jahren mit surrealen Objekten. In der Brühler Schau ist eine Installation aus unzähligen Elektroartikeln zu sehen, die von einer Wäschespinne baumeln. Daneben flimmert ein umhäkelter Fernseher; und dröhnt eine Selfie-Badezimmerspiegel-Fön-Apparatur, die tatsächlich angeht, wenn man ein kleines Podest betritt. Ein Altärchen und Pläsierchen fürs Ego?
"Maximal" heißt die Ausstellung; eine Anspielung auf den Namenspatron des Museums, Max Ernst, und seinen Humor, ist beabsichtigt. Bei Joana Vasconcelos geht es um die Transformation und das Überschreiten des Alltäglichen.
"Ich bin Produkt und Symptom der Veränderung. Wählen gehen, ein Auto fahren ... meine Mutter musste noch kämpfen, für das, was meine Oma nicht durfte. Und ich bin Teil einer Generation, die machen kann, was sie möchte. Wir alle erschaffen ständig Geschichte."
Globalisierung und Kitsch
In Portugal ist Joana Vasconcelos sehr bekannt; wird als intellektuelle Stimme und starke Frau in Fernsehshows eingeladen. Sie verkörpert: die portugiesische Gesellschaft im Aufbruch, im Wandel, aus weiblicher Sicht. Diese Heimchen-am-Herd-Motivik und -Objekthaftigkeit ihrer Kunst ist bewusste Provokation und Ironie, die man auch über Portugal hinaus sehr gut versteht.
Und die in der Brühler Schau dick aufgetragen rüber kommt. In einem dunklen Kabinettraum baumelt ein Schmuckobjekt, ein stilisiertes Herz, freischwebend und rot leuchtend im Baum. Das Objekt besteht bei genauem Hinsehen aus Tausenden von Wegwerf-Plastikgabeln. Dazu läuft in einer das ganze Museum füllenden Lautstärke Fado von Amália Rodrigues. Ein Kitsch-as-Kitsch-can? "Nicht nur", meint die Künstlerin. Schließlich werde an Portugal und insbesondere an Lissabon auch so mancher Kitsch herangetragen: die kleine Hafenbar, der idyllische Blick aufs Meer. Dazu: Fado!
Barockes Lebensgefühl
"Ja, der Tourismus hat überhand genommen. Wie viele Menschen fliegen täglich? Ich glaube sechs Millionen die, wenn sie fliegen, nirgends sind. Der Luftraum ist ja so ein Nicht-Ort, oder? Der Tourismus ist aber nur ein Teil der Globalisierung: Wir reisen ja meist, um zu arbeiten. Und so ist die Welt heute vielschichtig, mit unzähligen Verknüpfungen."
Der eigenen Wurzeln bewusst, aber ins Globale zielend, das ist die Position der Künstlerin, die sich nicht als Kulturexport Portugals verstanden wissen will. In einer Installation werden Nippes-Figuren aus Keramik ein Förderband entlang geschleift. Volkstümliche Ware, die es austauschbar in Dubrovnik zu kaufen gibt, wie in Lissabon und überall, wo Kreuzfahrtschiffe anlanden. Schön: Dieser Ramsch wird in der Installation allmählich zu Schrott. Da ist Joana Vasconcelos kompromisslos. Ihre Kunst muss sich überhaupt nicht grübelnd verästeln. Sie darf plakativ sein und lässt barockes Lebensgefühl – wieder – zu.