Die Biologie-Studentin Alina Willemsen zeigt ihr Portemonnaie. Genau 21 Cent sind darin. Wer kein Bargeld dabei hat, kann auch keins ausgeben, sagt sie. Alina ist es von Haus aus gewöhnt, sehr behutsam mit Geld umzugehen:
"Wir sind sechs Kinder und meine Mutter ist halt Altenpflegerin, die halbtags arbeitet und mein Vater ist Maurer. Ich bin auch die erste in meiner Familie, die jemals studieren gegangen ist. Also weder ne Tante oder ein Onkel, meine Großeltern, niemand hat studiert."
Das klingt wie der klassische Fall für den BAFöG-Höchstsatz. Wäre da nicht ein Haken: Alinas Muttersprache ist zwar Deutsch, und sie schreibt gerade an der Uni Köln ihre Bachelor-Arbeit in Biologie. Aber: Alina ist Belgierin. Und hat deshalb keinen Anspruch auf BAFöG.
Alina muss also arbeiten. Aber für sie ist das ohnehin eine Selbstverständlichkeit:
"Ich arbeite schon seitdem ich 16 Jahre alt bin, ich habe auch immer viel gearbeitet. Ich bin stolz darauf, für mein eigenes Geld zu arbeiten. Und: Es macht mir halt auch nichts aus."
Seit einem Jahr jobbt sie, auf 450 Euro Basis in der Altenpflege. Zusammen mit den zweihundert Euro, die ihre Eltern noch zuschießen, kommt Alina auf rund 650 Euro monatlich. Ein Betrag, der in Köln eigentlich nicht mehr reicht. Denn wenn man den Hartz IV Satz, Versicherungen und Mietpreise zusammen rechnet, braucht man nach Berechnungen des Moses Mendelssohn Instituts in Köln mindestens 810 Euro monatlich. Wie kommt Alina mit weniger aus?
Selten essen gehen, weiter draußen wohnen
"Ich geh halt selten was essen, ich bring mir halt immer was zu essen von zu Hause mit. An Lebensmitteln kann man unwahrscheinlich viel Geld sparen. Ich hab nicht viele neue Klamotten oder so. Ich sag mal ich lebe weniger. Wenn ich seh, so viele Studenten, die gehen richtig viel feiern. Die gehen auch mal unter der Woche Mal saufen oder so. Ich hab halt kein Geld dazu und keine Zeit."
Ein weiterer Kniff spart ihr zusätzliche 150 bis 200 Euro: Um die exorbitanten Mieten in Köln zu umgehen, wohnt Alina in Eschweiler, zusammen mit ihrem Freund, der in Aachen studiert. Sie tauscht also die günstigere Miete für etwa zweieinhalb Stunden Pendeln pro Tag. Mehr als etwa 10 Wochenstunden kann sie deswegen auch nicht arbeiten.
"Gerade das Biologiestudium ist viel in der Uni. Die Labore sind anwesenheitspflichtig. Ich muss dahin, ich kann nicht sagen: Ich komm jetzt mal nen Dienstag nicht oder so und geh dafür arbeiten. Und das ist extrem schwierig, das mit nem zum Beispiel Teilzeitjob zu vereinbaren. Das geht gar nicht."
Dass ein Teilzeitjob eine Menge Studienzeit frisst, stellt auch Sarah Bismarck fest.
"Ich arbeite 20 Stunden die Woche an einer Schule als Schulbegleitung. Die Schule brauchte Arbeitskräfte und ich brauchte einen Nebenjob. Und dann hat alles seinen Lauf genommen."
Nebenjob als Qualifikation für später
Sarah merkte nach sechs Semestern Spanisch, dass ihr Kunst eher liegt. Und fiel so aus der Bafög-Berechtigung. Seit zwei Jahren betreut sie nun Schüler an einer integrativen Grundschule. Gelockt hat sie die feste Anstellung und die Aussicht auf pädagogische Praxis, die so vielen Lehramtsstudenten noch nach dem Examen fehlt. Den Zeitaufwand aber hat sie aber unterschätzt, reduzieren wäre eigentlich nötig. Das allerdings kommt finanziell nicht in Frage. Denn weil sie in Köln wohnt, ist die Hälfte von Sarahs Lohns gleich wieder für die Miete weg. An der Uni schafft sie dagegen seit ihrer Einstellung nur noch die Hälfte.
"Ich sammel' sehr viel Praxiserfahrung, dennoch musste ich feststellen, dass mein Studium da sehr drunter leidet. Und sich die Prioritäten bei mir immer verschoben haben. Das heißt:Irgendwann wurde die Arbeit wichtiger als mein Studium. Und ich bin immer regelmäßig zur Arbeit gegangen, aber nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag sich noch in die Uni zu setzen und noch zwei Vorlesungen zu besuchen, konnte ich irgendwann nicht mehr."
Zu viel Jobben - Studium leidet
Ein sinnvoller flexibler Stundenplan ist nicht möglich oder nur schwer auf die zweieinhalb freien Tage zu verteilen. Im nächsten Semester hofft Sarah, wieder deutlich mehr Veranstaltungen besuchen zu können. Und eventuell ein paar weniger Stunden zu machen. Alina hofft dagegen, spätestens für den Master in den Genuss eines Stipendiums zu kommen. Aber so großzügig das auch ausfallen würde: Ihre Einstellung zu Arbeit würde das nicht ändern, sagt sie:
"Geld geschenkt haben kann irgendwie so jeder. Aber nicht jeder kann sagen, ich hab für mein Geld selber gearbeitet. Man hat ein ganz anderes Verständnis von Geld und was etwas kostet. Geschenkte Sachen gibt man viel schneller aus als etwas, wofür ich selber gearbeitet habe."