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Jochen Hörisch vs. Christian Metz
Braucht die Literatur Political Correctness?

Derzeit wächst das Bewusstsein für Political Correctness in der Gesellschaft – sollte dies auch in der Literatur geschehen? Sollte sie von politischen Inkorrektheiten bereinigt werden oder würde es der Literatur schaden? Die Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch und Christian Metz diskutieren.

Moderation: Jan Drees |
Jochen Hörisch (mitte) und Christian Metz (rechts) im Streitgespräch
Jochen Hörisch (Mitte) und Christian Metz (rechts) im Streitgespräch auf der Deutschlandradio-Bühne der Frankfurter Buchmesse (Deutschlandradio / David Kohlruss)
Contra – Jochen Hörisch, Uni Mannheim
"Literatur sorgt systematisch für Unruhe und Unsicherheit. Schon deshalb, weil sie die Lizenz zur Lüge hat und jeder das weiß und akzeptiert beziehungsweise akzeptieren muss. Was in Romanen steht oder in Dramen vor Augen geführt wird, stimmt nicht, ist erfunden, ist kein Fakt, sondern Fiktion, hat so nicht stattgefunden (etwa das Streitgespräch zweier dominanter Frauen in Schillers 'Maria Stuart'). Literatur verletzt immer schon. Wer sie oder ihre Rezipienten, pardon: Rezipientinnen und Rezipienten, vor Zumutungen und Verletzungen schützen will, verletzt die Literatur. Sichere Lebenssphären sichern nur totalitäre Regime zu. Genau solche totalitären Regime werden aber mit unheimlicher Regelmäßigkeit lebensbedrohlich."
Jochen Hörisch
Jochen Hörisch steht der Political Correctness in der Literatur kritisch gegenüber (Deutschlandradio /Jelina Berzkalns)
Jochen Hörisch ist Seniorprofessor für deutsche Literaturwissenschaft und Medienanalyse an der Uni Mannheim. Gastprofessuren führten ihn auch in die USA (Princeton, Charlottesville, Bloomington), wo er früh mit Diskussion über PC und safe space konfrontiert wurde. Für Verunsicherung eingespielter Argumente sorgten unter anderem seine jüngeren Publikationen über 'Weibes Wonne und Wert - Richard Wagners Theorietheater' und der Essay 'Man muss dran glauben - Die Theologie der Märkte'.
Pro – Christian Metz, Uni Frankfurt, Literaturkritiker
"Die Frage nach dem "Schutzraum Literatur" zielt darauf ab, ob die Fragen nach Triggerwarnung, nach verletzenden Begriffen und Gendersternchen eine neue literarische Kultur und Öffentlichkeit begründen. Aus meiner Sicht befinden wir uns in der Weise, wie diese Debatte geführt wird, noch immer auf dem Stand der Endneunziger Jahre. PC zu sein, ist ein sinnvolles Anliegen und derzeit gerade nicht "mainstream". Es geht nicht um eine Schutzraum-Debatte, sondern um das Austragen weitreichender Ideen. Wir können also fragen, wo wir damit – zwanzig Jahre später - jenseits der gut gepflegten Aufregung mit den Anliegen der Identitätspolitik tatsächlich stehen? Und wo wir damit stehen wollen? Und welche Rolle Literatur in diesem Feld spielt?"
Christian Metz
Christian Metz sieht keine Schutzraum-Debatte, sondern die Möglichkeit weitreichender Ideen auszutragen (Deutschlandradio /Jelina Berzkalns)
Christian Metz ist Privatdozent an der Goethe-Universität Frankfurt, an der er derzeit die Professur für Literaturgeschichte und Ästhetik des 18. Und 19. Jahrhunderts vertritt. Zuvor hat er als Humboldt-Stipendiat in München und den USA an der Cornell-University gearbeitet. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte liegt auf dem Gebiet Gegenwartsliteraturforschung/Praktiken des Buchmarkts. 2018 erschien sein Buch "Poetisch denken. Lyrik der Gegenwart". Er ist freier Literaturkritiker für die FAZ.