Startschuss für das Woods Memorial Stakes, ein Pferderennen für Dreijährige in New York, Anfang April. Es geht um 750.000 US-Dollar. Und es geht um die Qualifikation für das wichtigste Galopprennen in den USA, das Kentucky Derby. Schnell um Pferdelängen abgeschlagen: Die Startnummer 3, "Bourbonic" und sein Jockey Kendrick Carmouche. Immer weiter fällt das braune Vollblut zurück - bis es in die Zielgerade geht.
Der NBC-Reporter traut seinen Augen nicht. "Bourbonic" holt auf, wird immer flacher und immer länger, Carmouche feuert ihn mit der Gerte an - die beiden gewinnen um eine Pferde-Nasenlänge.
Historischer Überraschungssieg
Ein Überraschungssieg - und ein historischer dazu: Jockey Kendrick Carmouche ist Afro-Amerikaner, einer von nur einer Handvoll Schwarzen Berufsjockeys in den USA. Und der erste, der sich seit acht Jahren für das Kentucky Derby qualifiziert hat. Der letzte Sieg eines Schwarzen Jockeys beim Derby liegt sogar schon 119 Jahre zurück. Für den 37-jährigen Carmouche ist schon dabei sein fast alles, erzählt er im YouTube-Kanal des Pferdesport-Verbandes von Kentucky:
"Bourbonic hat mir so ein Gefühl gegeben, dass ich dieses Rennen gewinnen werde. Und als ich über die Ziellinie war, konnte ich nur noch ans Derby denken. Ich bin so stolz auf mich, dass ich nie aufgegeben habe, weil ich wusste, dass ich irgendwann einen höheren Standard erreichen würde."
Seit 21 Jahren ist Carmouche Berufsjockey. Mit 16 Jahren das erste Rennen in seinem Heimatstaat Louisiana, seitdem weit über 3000 Siege, die meisten allerdings auf drittklassigen Pferden in viertklassigen Wettbewerben. Ein Knochenjob - und Familienerbe: Auch Carmouches Vater Sylvester war Berufsjockey, auch er quälte sich jahrelang in Provinzställen und -Rennen. Und brachte sich mit einem abenteuerlichen Betrugsversuch um die Lizenz und zum Spitznamen "Nebel-Jockey".
Auch Carmouches Vater war Jockey
In einem Rennen bei dickstem Nebel scherte er mit seinem Pferd schon kurz nach dem Start aus, wartete, bis das Feld die Rennbahn umrundet hatte, reihte sich für die Zielgerade wieder ein, und passierte als erstes den Zielpfosten. Und wurde gleich überführt: Sein Pferde hatte kaum geschwitzt, er selbst war viel zu sauber. Die Lektion für seinen Sohn: Es gibt keine Abkürzungen. Und man muss Geduld haben.
"Es kommt auf die Chancen an, Zeit und Geduld an. Und harte Arbeit. Ich sage den Leuten immer: Gebt nicht auf, nur weil Du nicht gleich eine Chance bekommen hast. Die Sonne wird irgendwann für dich aufgehen und Du wirst das Beste draus machen."
Heute die Ausnahme - früher die Norm
Afro-Amerikaner sind im Pferderennsport die Ausnahme - früher waren sie die Norm: Das erste Kentucky Derby 1875 gewann der Afro-Amerikaner Oliver Lewis. In den ersten 28 Derby-Jahren saß 15 Mal ein Schwarzer im Sattel des Siegerpferdes. Mit "Jim Crow", der Rassentrennung im 20. Jahrhundert, änderte sich das. Schwarze Jockeys wurden entweder bei Rennen absichtlich behindert oder gar nicht mehr beschäftigt. Carmouche hofft auf eine neue Zeitenwende.
"Es gibt nicht so viele Schwarze Jockeys und noch weniger Berufsjockeys. Was ich jetzt mache, das knüpft an die frühe Geschichte des Kentucky Derby an. Das kommt in die Geschichtsbücher."
Natürlich will Carmouche siegen, auf "Bourbonic" beim Derby in Louisville. Die Gewinnchancen - mit 30 zu 1 eher gering. Noch dazu haben die beiden das letzte Startloch erwischt. Aber an die Außenseiter-Rolle sind die beiden ja schon gewöhnt.