Die Ankündigung Joe Bidens, für eine zweite Amtszeit als US-Präsident zu kandidieren, kommt genau vier Jahre nach seiner damaligen Mitteilung, sich um das Präsidentenamt bei der Wahl 2020 zu bewerben. Biden bittet die Wähler nun, ihm mehr Zeit zu geben, um seine Arbeit "zu Ende zu bringen". Er verkündete seinen Wunsch nach vier weiteren Jahren im Weißen Haus auf Twitter. Es ist der offizielle Startschuss für seine Wiederwahl-Kampagne.
In einem drei Minuten langen Video begründet er seinen Schritt: "In jeder Generation gibt es einen Zeitpunkt, an dem sie sich für die Demokratie einsetzen musste, an dem sie für ihre grundlegenden Freiheiten einstehen musste. Deshalb kandidiere ich für die Wiederwahl als Präsident der Vereinigten Staaten. Begleitet uns. Lasst uns die Arbeit beenden."
Biden, der vielen als Übergangspräsident galt, macht nun deutlich: Er will mehr. Er macht das an dem uramerikanischen Begriff der Freiheit fest: Die Frage laute, „ob wir in den nächsten Jahren mehr Freiheit oder weniger Freiheit haben, mehr Rechte oder weniger.“
Keine Zeit für Selbstgefälligkeit
Der Kontext sind bei ihm allerdings nicht waffenstarrende Individualisten, sondern demokratische Bilder: mit Menschen verschiedener Hautfarbe und unterschiedlicher sozialer Hintergründe. Es sei nicht die Zeit, um „selbstgefällig“ zu sein, so der Präsident.
Biden nimmt auch Bezug auf sein Versprechen von 2019, die "Seele der Nation" zu heilen. "Ich sagte, wir befinden uns in einem Kampf um die Seele von Amerika, und wir tun das noch immer."
Kommt Bidens Kandidatur für eine zweite Amtszeit überraschend?
Nein. Schon seit längerem gab es klare Hinweise, dass US-Präsident Biden noch einmal antreten wollte – auch von ihm selbst und von seiner Frau Jill. Das diente dazu, die Öffentlichkeit, aber auch seine Partei, die Demokraten, und die großen Geldgeber vorzubereiten.
Keine Begeisterung unter Parteifreunden
Biden weiß, dass seine zweite Präsidentschaftskandidatur selbst unter vielen Parteifreunden keine Begeisterung auslöst. Viele halten ihn mit nunmehr 80 Jahren für zu alt – was er selbst allerdings nur ungern hört. Biden ist schon jetzt der älteste amtierende US-Präsident. Gewinnt er die Wahl 2024, tritt er seine zweite Amtszeit mit 82 Jahren an.
Das Hinauszögern einer offiziellen Kandidatur hatte für Biden einen Vorteil: Er konnte sich nach außen hin weitgehend aufs Regieren konzentrieren, während sein Umfeld die Kampagne zur Wiederwahl vorbereitete, das Wahlkampf-Team zusammenstellte. Alles unter ständiger Einbindung beider Bidens.
Mit der Kandidatur steht Joe Biden jetzt allerdings vor einer doppelten Herausforderung: ein schwieriges Amt in Krisenzeiten auszufüllen –
Ukraine-Krieg
,
Konflikt mit China
, Dauerstreit mit dem republikanisch dominierten Repräsentantenhaus – und einen anstrengenden, anderthalb Jahre dauernden Wahlkampf zu führen.
Nur wenige Wahlkampfauftritte geplant
Nach Aussagen von Beratern wird Biden allerdings nur wenige Wahlkampfauftritte im kommenden Jahr absolvieren und stattdessen seine Serie von Auftritten als Präsident überall im Land fortsetzen, um weiter für seine Politik zu werben, sich als Garant für Demokratie und Stabilität zu präsentieren und vor den Folgen eines Sieges von Donald Trump zu warnen.
Wer sind Bidens Konkurrenten in der Demokratischen Partei?
Ernstzunehmende Konkurrenten hat Präsident Biden bei seiner Bewerbung für die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei nicht. Kein Zufall: Weil Biden schon früh signalisierte, dass er wieder antreten wolle, warf kein chancenreicher demokratischer Kandidat seinen Hut in den Ring.
Gegen Biden tritt Marianne Williamson an, wie schon 2020. Sie ist so chancenlos wie Robert F. Kennedy Jr., der wenigstens einen berühmten Familiennamen hat. Den nutzt der Impfgegner, sehr zum Unbehagen des restlichen Kennedy-Clans, weidlich für seine ansonsten nicht mehrheitsfähige Kampagne aus.
Die Partei steht geschlossen hinter Biden
Es gibt Spekulationen, wonach die politische Schwäche von Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris bei seiner erneuten Kandidatur eine Rolle gespielt hat. Deutlich ist: Die Partei steht heute geschlossen hinter Biden. Das liegt sicher auch daran, dass er in den letzten zwei Jahren immer wieder versucht hat, die Interessen sowohl moderater als auch progressiver Demokraten zu berücksichtigen.
Wie geht das Wahlverfahren weiter?
Die demokratischen Primaries beginnen in diesem Vorwahlzyklus erstmals in South Carolina und nicht in Iowa und New Hampshire. Das grämt die Demokraten in beiden US-Bundesstaaten. Aber mit der Vorwahl in South Carolina vor vier Jahren begann Joe Bidens Siegeszug im damaligen Wahlkampf. Außerdem gibt es dort eine treue schwarze Wählerschaft.
Biden erhofft sich von der Bevorzugung eines Südstaates in den Vorwahlen eine Mobilisierung in der Region allgemein und insbesondere bei schwarzen Wählerinnen und Wählern. Die ist vor allem mit Blick auf die eigentliche Präsidentschaftswahl im November 2024 wichtig. Dass Joe Biden auf dem Parteitag im August 2024 als Präsidentschaftsbewerber der Demokraten gekürt wird, steht fest, so ihm gesundheitlich nichts dazwischen kommt.
Gegen wen tritt Biden 2024 bei der Präsidentschaftswahl mutmaßlich an?
Derzeit sieht alles nach einem Remake von 2020 aus: Biden gegen Trump. Der frühere US-Präsident, mittlerweile 76 Jahre alt, liegt deutlich vor dem großen Feld seiner erklärten und nicht erklärten Mitbewerber – und legt weiter zu. Sein schärfster Konkurrent, Floridas Gouverneur Ron de Santis, den große Teile konservativer Geldgeber und viele traditionellere Republikaner gern als Kandidaten sehen würden, hat zuletzt an Zustimmung in der Wählerschaft und der eigenen Partei verloren.
Donald Trump kann sich weiterhin auf seine alte Basis verlassen. Und nicht nur auf die: Umfragen zeigen ihn auch als großen Favoriten republikanischer Wählerinnen und Wähler insgesamt. Das wissen auch Abgeordnete und Senatoren: Immer mehr haben, nach längerem Zögern, in den letzten Wochen ihre Unterstützung für einen Präsidentschaftskandidaten Trump offiziell bekannt gegeben.
Dabei raufen sich nicht nur republikanische Analysten die Haare: Donald Trump war der Grund, warum viele Wählerinnen und Wähler 2020 und bei den Zwischenwahlen 2022 am Ende doch für die Demokraten stimmten. Als Gründe nennen solche Wechselwähler regelmäßig die Sorge um die Demokratie in den USA, aber auch Trumps Skandale und Gerichtsprozesse. Sie würden Umfragen zufolge eher einem Kandidaten wie Ron de Santis ihre Stimme geben.
Knapper Vorsprung vor Trump
Doch die Abstände zwischen Trump und Biden haben sich verkürzt: Donald Trump lag zuletzt in einer Umfrage des Wall Street Journal nur noch drei Prozentpunkte hinter dem amtierenden US-Präsidenten, was in den Bereich der Messungenauigkeit geht. Es ist Bidens knappster Vorsprung vor Trump seit Jahren.
Wie wird Bidens Kandidatur in den USA gesehen?
Joe Biden stellte sich bereits vor vier Jahren als den einzigen Bewerber dar, der den damaligen Präsidenten Trump schlagen könne. Biden wurde dafür teils ausgelacht, zumal er die ersten Vorwahlen der Demokraten krachend verlor. Aber am Ende behielt er Recht.
Darauf verweist er seither regelmäßig, vor allem, seit seine Partei aus den Zwischenwahlen 2022 viel erfolgreicher hervorging als vorhergesagt. Und das trotz Bidens persönlich schlechter Umfragewerte. Seine Botschaft an die Wählerinnen und Wähler: Er stehe für Demokratie, für Stabilität, für messbare Erfolge in der Sozial-, Industrie- und Außenpolitik.
Auf sein Alter angesprochen, sagt er regelmäßig: „Watch me!“ Und verweist auf seine medizinischen Bulletins, denen zufolge er fit sei.
Pandemie und zwei Jahre Inflation
Doch viele US-Bürger wollen nicht, dass Biden weitere vier Jahre im Weißen Haus regiert. Erfolgreich verabschiedete Investitions-Gesetze und Milliardenhilfen, die viele Bürger und Unternehmen durch die Pandemie gebracht haben, verblassen durch die Folgen von fast zwei Jahren Inflation.
Nur rund 30 Prozent aller Befragten unterstützten eine zweite Amtszeit für den US-Präsidenten in einer NBC-Umfrage. Selbst unter den eingetragenen demokratischen Wählern fand mehr als die Hälfte, Biden solle nicht noch einmal antreten.
Der einzige Trost für Bidens Wahlkampfteam: Die Zustimmungswerte für seine Kandidatur steigen, allerdings auf äußerst niedrigem Niveau. Biden selber, der sich als immer wieder unterschätzter Kandidat sieht, dürften die Umfragen weniger beunruhigen. Er sagt dann einfach wieder: „Watch me!“
Quellen: Doris Simon, Dlf, AP, bth