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Joe Bonamassa
Blues mit Zwischentönen

Joe Bonamassa aus Hartford, New York, gilt längst als einer der ganz Großen des Genres Bluesrock, er ist mit dafür verantwortlich, dass das Genre weiter lebt und nicht allzu sehr an den Rand gedrängt wird. Seine neue Produktion heißt "Different Shades Of Blue".

Von Tim Schauen |
    Der Musiker Joe Bonamassa
    Der Musiker Joe Bonamassa (Rick Gould)
    Alter: 37 Jahre. Davon aktiv als Profi: 25 Jahre. In seiner Diskografie stehen bislang 15 Studioproduktionen als Solokünstler, 12 Live-Alben, 12 LiveDVD beziehungsweise Bluerays, dazu kommen noch vier Alben mit Black Country Communion und die Grammy-nominierte Kooperation mit Sängerin Beth Hart. Im Schnitt spielt er 125 Konzerte im Jahr - Joe Bonamassa arbeitet wie besessen. Und nun also Album Nummer 16: "Different Shade Of Blue".
    Ein Bluesalbum, Bonamassa weiß, was er sich und seinen Fans schuldig ist.
    "Ich möchte Musik machen, die mir und meinen Fans gefällt. Ich schreibe jetzt nicht darauf hin, einen Hit zu landen. Klar, inzwischen habe ich ein paar Nummern im Programm, die die Leute unbedingt hören möchten und enttäuscht wären, wenn ich sie nicht spielen würde - aber Hits? Nein! Meine Musik ist eine Reflexion dessen, was meine Fans mögen, und natürlich auch von dem, was ich mag. Dabei bereitet es mir allerdings manchmal Probleme, dass Aufnahmen wie Schnappschüsse aus dem Studio für alle Ewigkeiten Bestand haben."
    Bonamassa besaß einmal über 600 Gitarren
    Geschrieben wurden die elf Songs in Nashville, mithilfe von drei Profischreibern, die schon für Journey oder den Country-Rocker Keith Urban gearbeitet haben. Auch deswegen rückt Bonamassa mit seinem neuen Album noch weiter Richtung Mainstream. Produziert hat wieder Kevin Shirley, mit analoger Technik, und dennoch entstand ein für Bluesrock-Verhältnisse doch etwas glatt gebügeltes Album mit Songs, die nicht immer überraschen können oder zum Teil sogar bekannt vorkommen.
    Die Veröffentlichung wird seit Monaten von einer massiven Marketingkampagne begleitet, die der Bluesrock so auch noch nicht gesehen haben wird. An diesem Rad dreht nicht zuletzt Joe selbst mit, der seine Internetseite und gut zwei Millionen Facebook-Follower mehrmals wöchentlich mit Bildern von dem versorgt, was Bonamassa am liebsten um sich hat: alte Gitarren und Verstärker. Bonamassa ist ein Geek, einst besaß er über 600 Gitarren, hat aber viele verkauft, um wirklich nur allerbeste Ware horten zu können: Er besitzt mehrere Gibson Les Pauls der Jahrgänge 1952-61, darunter gleich mehrere Exemplare des kultisch verehrten Jahrgangs 1959. Wert: einige Millionen Dollar. Dazu noch Fender Stratocasters der Jahre 54-61 und natürlich auch Telecasters. Was alt und in gutem Zustand ist, ist vor Bonamassa nicht sicher. Die Vintagegitarrenhändler dieser Welt freuen sich immer, wenn Joe in der Stadt ist.
    Was sein Handwerkszeug anbelangt, ist Joe Bonamassa über die Maßen gut aufgestellt. Seinen Ton hat der begnadete Spieler längst gefunden, nun wurde es also Zeit, an seiner Gesangstimme zu arbeiten.
    Mit zwölf mit BB King zusammengespielt
    "Ich habe mich einer kleinen Operation unterziehen müssen, denn Ärzte haben mir gesagt, dass ich mir wohl früher mal die Nase gebrochen haben muss. Das muss beim Fußballspielen passiert sein, als ich acht oder neun Jahre alt war, bekam ich einen Ball ins Gesicht. Das ist jetzt fast 30 Jahre her, aber so lange laufe ich nun schon mit einer kaputten Nasenscheidewand herum. Mein Arzt gab mir also so diese Nasenpflaster, die auch Leute tragen, die nachts Probleme mit der Atmung im Schlaf haben, und sagte: probiere das mal! Mit diesen Streifen auf der Nase habe ich das Album eingesungen - die OP kam erst danach. Während der Aufnahme habe ich bemerkt, dass ich damit viel einfacher, unangestrengter singen kann und dazu noch fast eine Oktave höher! 30 Jahre lang bin ich also mit einer gebrochenen Nase herumgelaufen!"
    Als Joe vier Jahre alt war, drückte ihm sein Vater, ein Gitarrenhändler, ein Instrument in die Hand. Im Alter von zwölf Jahren spielte "Smoking Joe Bonamassa" zum ersten Mal mit BB King. Mit 14 gründete Bonamassa mit den Söhnen von berühmten Musiker der Doors, der Allmann Brothers und von Miles Davis eine Band namens Bloodline, die ein paar Hits hatte - Joe war der einzige, dessen Karriere Bestand haben sollte. Im Jahr 2000 erschien seine erste Soloplatte - doch bis man das Gitarrenwunderkind auch als Sänger ernstnehmen konnte, dauerte es.
    Training mit einem Vokalcoach
    Ich singe seit 18 oder 19 Jahren, das schwierigste war, mir erst einmal eine Basis zu erarbeiten, darin habe ich viel investiert. Zum Glück sind die Tage vorüber, in denen ich mir eine Flasche Whisky geschnappt habe und Zigarren rauchte und dachte: Jetzt bin ich ein echter Bluesmann. Ich wollte halt wie Howlin' Wolf oder zumindest Paul Rodgers klingen. Wenn ich mir meine Stimme von damals anhöre: klingt so, als würde ich mehr schreien als singen. Und dann kam ich mit 28 an den Punkt, wo ich fast meine Stimme verloren hätte, ich musste hier in Deutschland ein paar Konzerte absagen. Ich traf einen Vokalcoach, mit dem ich seitdem zusammenarbeite, er sagte: Wenn Du das mit dem Whiskey und den Zigarren nicht sein lässt, singst Du bald gar nicht mehr.
    Durch das Training ist mein Stimmumfang größer und ich kann inzwischen mehr mit meiner Kopfstimme arbeiten, finde mehr Resonanzen, mehr Bandbreite, und meine Stimme ist klarer, ich habe mehr Kontrolle über die Töne. Aber ich lerne immer noch viel, ob Du Opern singst oder Rock: Die Technik ist größtenteils dieselbe.
    "Different Shades Of Blue" ist keine schlechte Platte, es steht darauf was darin ist: Blues mit Zwischentönen. Bonamassa schreitet weiter voran, er modernisiert, die ist Bluesessenz durch Songmaterial und Gitarrenarbeit gewährleistet, und das ist es schließlich, was die Fans von ihm hören wollen: Gitarrensoli. Spätestens live - wenn er wieder verrückt genug ist, ein paar der ganz alten Gitarren mit auf die Bühne zu nehmen - wird das Programm Spaß machen.
    Joe Bonamassas neues Album "Different Shades Of Blue" erscheint am 19. September bei Mascot Records/Provogue.