Joe Jackson weiß, wie man Jubiläen adäquat feiert: 40 Jahre nach seinem ersten Bühnenauftritt veröffentlicht der Brite als 20. Studioalbum sein Meisterwerk "Fool". Unter dem Titelsong steht eine Warnung, wie wir sie als Hinweis für Nahrungsmittelallergiker kennen: "Dieses Album könnte Spuren von ‚Was ihr wollt‘ und ‚King Lear‘ enthalten-"
Joe Jackson: "Ich habe hier ein wenig Shakespeare zitiert. Ich wollte das nicht zu offensichtlich machen. Man weiß ja nie. Manche Leute könnten darauf allergisch reagieren."
Narren und Humor sind unsterblich
"Fool" ist ein Song über den Humor und warum er so wichtig ist, erklärt Joe Jackson. Da kam ihm die Figur des Shakespear‘schen Narren gerade recht. Er stellte ihn sich hier als eine Art Superheld vor: "Er bringt die Menschen zum Lachen und sagt ihnen gleichzeitig die Wahrheit. Ich mag den Narren und den Gedanken, dass man ihn nicht umbringen kann, dass er ewig lebt. Weil man den Humor nicht töten kann. Jeder Tyrann, jeder Diktator der Geschichte, hat das versucht. Sie alle ertrugen es nicht, dass man sich über sie lustig machte. Aber am Ende kann man den Humor nicht umbringen."
Dass er mit vielen Stilen jongliert, sind wir von ihm gewohnt. Aber diesmal zeigt sich der schlaksige Musiker mit den kurzen weißen Haaren besonders vielseitig. Auf "Fool" präsentiert er eine aberwitzige Stilmischung aus Romantic-Pop, Progressive, Jazz, Punk und Rock. Man fühlt sich wie in einer Zeitkapsel, die einen durch die 70er-, 80er- und 90er-Jahre wirbelt. Eine sehr vergnügliche und kurzweilige Reise.
Bevor es langweilig wird, steuert Joe Jackson das jeweils nächste Ziel an. "Fool" klingt wesentlich zielgerichteter als das Vorgängeralbum "Fast Forward" von 2015, das streckenweise etwas zerfaserte. Das neue Album ist eine straffe Tour mit sehr unterschiedlichen Stationen: "Ich mag den Gedanken, dass das Album wie eine Reise wirkt, vom ersten bis zum letzten Song. Kürzlich war ich an einem Ort, wo ein Album von AC/DC gespielt wurde. Es gefiel mir. Aber jeder einzelne Song klang genau wie der andere. Diese Jungs haben vierzig Jahre lang immer dasselbe gemacht. Wenn ich immerzu dasselbe gemacht hätte, hätte ich mich schon umgebracht. Trotzdem respektiere ich sie."
Gefühl der Entfremdung
In "Strange Land" setzt sich der 64-Jährige wieder mit dem Thema auseinander, das in all seinen Alben auftaucht: Das Gefühl der Entfremdung. Die Verwirrtheit, die er hier beschreibt, kann man ganz allgemein auf die von interessierten Politikern noch geschürte Ängstlichkeit und Orientierungslosigkeit der Gesellschaft beziehen.
Der Song hat aber auch eine persönliche Ebene: "Wo bin ich? Das ist die Frage. Es geht um das Gefühl, verloren zu sein. Je älter du wirst, umso häufiger hast du dieses Gefühl. Nicht nur, was Orte betrifft, sondern auch die Zeit. Die Dinge verändern sich alle so sehr. Je älter du wirst, desto häufiger hast du den Eindruck, dass sich selbst vertraute Orte verändern und du dich dort plötzlich nicht mehr zurechtfindest."
Schon als Teenager habe er den Eindruck gehabt, nirgends reinzupassen und nicht zu wissen, wer er war, sagt er.
Vorbild Shakespeare
50 Jahre später ist er immer noch dabei, das Menschsein kritisch zu studieren. Inzwischen mit einer guten Portion Weisheit und mit Humor, der sich durch die 20. Platte zieht. Da kommt er seinem Vorbild William Shakespeare schon ein wenig näher: "Er schien jeden Aspekt des Menschseins zu verstehen. Und zwar mit einer unglaublichen Schärfe. Ich finde es auch interessant, dass seine Stücke nach so langer Zeit immer wieder anders interpretiert werden können. Und er ist immer noch witzig. Ich habe mir vor einigen Jahren den ‚Sommernachtstraum‘ in New York angesehen. Das Publikum hat die ganze Zeit gelacht. Es war ein großer Hit am Broadway. Dabei ist das Stück 500 Jahre alt. Das ist doch erstaunlich."
Wer weiß schon, ob die Menschen in 500 Jahren mit so viel Begeisterung die Songs dieses Albums hören werden. Aber für die Jetztzeit ist es ein vielseitiges, unterhaltsames, geistreiches Werk.