"Das hab ich schon begriffen in den paar Jährle Verlagsgeschäft, dass das Zeugs, und sei es noch so hehr und hoch und edel, an die Leut gebracht werde muss wie Äpfel, Brot oder Moscht. Wie schön der Titel "Allgemeine Zeitung". Die hätt doch auf lang eine Aufgabe, die auch den Poeten zugutekommt. Nicht nur, dass sie drin schreibe könnet, gegen Honorar. Die Zeitung schafft doch der deutschen Einheit vor. Und damit entstehen Märkte. Da habens die Engländer und Franzosen besser. Nicht so ein Stückleswirtschaft wie hier: an jedr Eck Grenzpfähl und Zolleintreiber."
Johann Friedrich Cotta, der ebenso weitsichtige wie pragmatische "König der Verleger", lenkte vom provinziellen Tübingen aus ein Medienimperium, in dem er fast alle Größen der deutschen Klassik unter Vertrag hatte, ob Schiller oder Goethe, Hölderlin oder Alexander von Humboldt, Herder, Jean Paul oder Schelling. Dabei hatte er, am 27. April 1764 in Stuttgart geboren, nach einem Studium der Mathematik und Jurisprudenz eigentlich anderes im Sinn, als schon mit 23 Jahren den rund 130 Jahre alten Familienbetrieb, einen heruntergewirtschafteten Universitätsverlag, zu übernehmen. Noch Jahre später, als die Cotta'sche Verlagsbuchhandlung längst florierte, berichtete der Diplomat und Schriftsteller Karl Varnhagen von Ense sichtlich irritiert von seinem Verlagsbesuch:
"Ich glaubte meinen Augen nicht, als ich nach der Cotta'schen Buchhandlung fragte, und man mich in ein Lädchen wies, wo ich mich fast schämte einzutreten; so winzig, eng und schmucklos hab' ich neue Bücher noch nie wohnen sehen, alte wohl! Und noch dazu ist dies der Ort, wo die Schiller und Goethe recht eigentlich zu Hause sind, von wo sie ausgehen."
Verlag als Kommunikationszentrum der Aufklärung
Aus dem kleinen Wissenschaftsverlag war inzwischen eines der wirkungsmächtigsten Kommunikationszentren der Aufklärung geworden, mit dem Ziel, die Welt in eine Welt kritischer Leser zu verwandeln. Der junge Medienmacher hatte schnell verstanden, dass der Buchhändler die Schaltstelle der modernen Kommunikation war, und als einer der Ersten erkannt, dass auch in diesem Geschäft nichts ohne Namen, Personen, Beziehungen und Netzwerke funktioniert. Und er hatte einen langen Atem, war reaktionsschnell und wandlungsfähig. So brachte er Schillers Kunstzeitschrift "Die Horen" heraus, zeigte aber nicht, wie enttäuscht er war, dass Schiller auf sein Angebot, Redakteur einer politischen Tageszeitung zu werden, nicht einging. Aus dem Autor wurde ein Freund - und bald auch der für das Ansehen des Cotta Verlages unverzichtbare Vermittler zu Goethe.
"Es ist, um es gerade heraus zu sagen, kein guter Handel mit Goethen zu treffen, weil er seinen Werth ganz kennt und sich selbst hoch taxiert. Und auf das Glück des Buchhandels, wovon er überhaupt nur eine vage Idee hat, keine Rücksicht nimmt. Es ist noch kein Buchhändler in Verbindung mit ihm geblieben. Er war noch mit keinem zufrieden und mancher mochte auch mit ihm nicht zufrieden seyn. Liberalität gegen seine Verleger ist seine Sache nicht."
Tageszeitung zur Vermittlung eines neuen freiheitlichen Selbstbewusstseins
Neben dem im Laufe der Jahre entwickelten Geflecht aus rund 40 Zeitschriften, Periodika, Jahrbüchern und Almanachen, die das finanzielle Rückgrat der Cotta'schen Verlagsbuchhandlung bildeten, gelang Cotta die Realisierung einer Tageszeitung, die entscheidend zur Vermittlung eines neuen freiheitlichen Selbstbewusstseins beitragen sollte. Den Erscheinungsort dieser "Allgemeinen Zeitung" musste er freilich, um Zensurschikanen zu entgehen, in dem kleinteiligen Deutschland mehrfach verlegen. Das Forum des Wiener Kongresses benutzte der politisch engagierte Verleger im Sinne seiner liberalen Grundüberzeugungen, votierte für Pressefreiheit und gegen das Nachdruckunwesen. Doch Cottas gesellschaftliches und kommerzielles Engagement ging weit darüber hinaus, denn Idee und Wirklichkeit waren für ihn keine Gegensätze. Seine Projekte bewiesen Weitblick: Schafzucht und besseres Saatgut gehörten ebenso dazu wie die Dampfschifffahrt auf Rhein und Bodensee und sogar das erste Luxushotel der Welt in Baden-Baden. Tief beeindruckt beschwört Heinrich Heine noch 20 Jahre nach Cottas frühem Tod im Jahre 1832 das Besondere seiner Persönlichkeit.
"Mein Leben ist nur ein Zurückgrübeln in die Vergangenheit. Da tritt oft vor meine Seele das Bild Ihres seligen Vaters, des wackern, würdigen Mannes, der seltenen praktischen Sinn verband, der so brav und so ehrenfest war, auch so höflich, ja hofmännisch höflich, so vorurteilsfrei, so weitsichtig, und der bei seinen großen Verdiensten um die geistigen wie materiellen Interessen des Vaterlandes, dennoch von einer so rührenden Bescheidenheit war, wie man sie nur bei alten braven Soldaten zu finden pflegt. Das war ein Mann, der hatte die Hand über die ganze Welt."