Johann Sebastian Bach - Concertos
Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Ely. Das Bach-Jahr 2000 naht mit eiligem Schritt, und dementsprechend flott geht es auch bei den CD-Produktionen zu. Wer zu spät kommt, den bestraft das Konto. Heute soll von einer neuen Bach-CD die Rede sein, aber auch von einem Zeitgenossen des seligen Thomaskantors und stockkonservativen Maestro dero Britischen Majestät, William Boyce, mit dessen Kammermusik das Collegium Musicum 90 um den Geiger Simon Standage doch einiges Aufhören oder besser: Aufhorchen erregen kann. Doch zu Bach, dem vielgegeigten. Da gibt es ein sehr solides italienisches Ensemble, Europa Galante, das schon einige geistreiche und brillante performances mit südlich-heiterer Musik hinter sich gebracht und nun eine ganze CD mit quasi rekonstruierten Konzerten vorgelegt hat. Erschienen ist diese Produktion "Johann Sebastian Bach - Concertos" bei Virgin, und wer sie zu Weihnachten geschenkt bekommt, sollte sich von vornherein mit dem Gedanken anfreunden, sie umzutauschen. * Musikbeispiel: J.S. Bach - aus: Konzert für Violine, Oboe und Orchester c-moll BWV 1060, Allegro Das Konzert ist bekannt genug: BWV 1060, meistens in d-moll zu hören, hier in c-moll als direkte Rekonstruktion des Konzerts für 2 Cembali und Orchester. Alfredo Bernardini spielt eine selbstgebaute Barockoboe, Bandleader Fabio Biondi die Solovioline, und die Kapelle Europa Galante wickelt die restlichen Geschäfte ab. Vielleicht ist Fabio Biondi, wenn er zum Handy greift, eines gewissen Charmes fähig; vielleicht hat er sogar Temperament. Der Business-Bach, den er auf dieser CD zum Besten gibt, ist jedenfalls bar jeglicher persönlicher Anteilnahme. Das Orchester schüttelt die historische Aufführungspraxis aus dem Ärmel, wie weiland die Winschermann-Truppe seligen Andenkens an einem schlechten Tag das damalige Einheits-Detaché. Keine Rede von musikalischer Rede. Keine Spur von Sinngebung. Selbst das gelegentliche Vibrato, zu dem sich Fabio Biondi aufschwingt, wirkt seltsam teilnahmslos. So haben sie also aus dem f-moll-Cembalokonzert ein g-moll-Violinkonzert gemacht, aus dem d-moll-Cembalokonzert ein ebensolches für Geige und background-music, und das E-dur-Violinkonzert spielt Sergio Ciomei in D-dur auf einem Cembalo, das sich im Continuo wirklich gut macht und vielleicht auch für einen verträumten Solo-Abend am Kamin geeignet sein mag, nicht aber für ein glanzvolles Konzertieren im Sinn des Hochbarock. Darüber hinaus hat Ciomei wirklich kein Konzept, wie man ein vielbekanntes Violinkonzert nun auf das Tasteninstrument übertragen könnte. Ständig klingt es so, als wolle er sagen: Ich spiele hier zwar die erste Geige, aber ich hab leider keine. Die ganze CD ist so dünn, daß sie sich hervorragend als Hintergrundmusik in einem vorweihnachtlichen Kaufhaus eignet; hinhören sollte man nicht unbedingt. * Musikbeispiel: J.S. Bach - aus: Konzert für Cembalo und Orchester D-dur BWV 1054 , Allegro Soweit also die neue CD des Ensembles Europa Galante mit vier transkribierten Konzerten von Johann Sebastian Bach, erschienen bei Virgin.