Ich glaube, dass die wichtigste Aufgabe eines Schriftstellers in einer solchen Zeit ist, den Menschen vor Augen zu führen, in welch einer Situation wir uns befinden und was geschehen wird, wenn wir nicht sehr schnell etwas dagegen tun.
Diese Aussage von Johannes Mario Simmel, getroffen in einem Gespräch mit DeutschlandRadio-Intendant Ernst Elitz, charakterisiert zugleich das Hauptanliegen des Buches, von dem hier die Rede ist. Und um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch muss man vor allem den politischen Entscheidungsträgern unseres Landes als Pflichtlektüre empfehlen. Denn die Reden und Aufsätze von Johannes Mario Simmel aus den letzten 20 Jahren, die dieser Band zusammenfasst, haben eine bestürzende Aktualität. Sein leidenschaftliches Credo gegen den Hass und die Ignoranz in jeglicher Form, sein Appell an die Zivilcourage des mündigen Bürgers, einzustehen für die Grundwerte der Zivilisation, zeichnet diese Texte aus. Wer Simmel bisher nur als Romanautor kennt, dem sei es besonders angeraten, diese Aufsätze zu lesen, er wird den Autor und seine Werke noch besser verstehen.
Johannes Mario Simmel, geboren 1924 in Wien, arbeitete als Journalist und Drehbuchautor, nach seinem siebten Buch wurde er freier Schriftsteller. Simmel zählt zu den erfolgreichsten Autoren der Welt: Seine Romane erreichten eine Gesamtauflage von über 70 Millionen und wurden in 33 Sprachen übersetzt. Mit seinen Bestseller-Romanen hat er sich seit jeher eingemischt in die Politik. In den nun veröffentlichten zeitkritischen Reden und Aufsätzen warnt er scharf, klarsichtig und mitunter auch pessimistisch vor Rechtsradikalismus, Turbokapitalismus und einem großen neuen Krieg. Getragen von einem tiefen Humanismus nimmt Simmel kein Blatt vor den Mund wenn er nach den Ursachen der gegenwärtigen "wahnsinnigen" Welt gefragt wird:
Ich glaube, dass es zusammenhängt - hier war die Rede von der Eiseskälte zwischen Mensch und Mensch. Es gibt, ich meine, Liebe auch im biblischen Sinne, als Nächstenliebe. Es gibt alles das nicht mehr. Ethik ist ein historischer Begriff, haben wir gehört. Und das Einzige, was zählt, ist die Rendite. Wenn Kinder in solchen Familien, es müssen keine reichen Familien sein, wo wirklich nur noch der Erfolg zählt und zählen muss, weil man ja sonst seinen Posten verliert, aufwachsen, dann bekommen sie diese Art von Aggressivität natürlich mit. Und wenn sie erleben, dass unter Umständen auch Menschenleben ohne Bedeutung sind, dann ist es geradezu eine Aufforderung. Ich denke, es gibt auch ein moralisches Immunsystem. Durch alles, die, auch durch die Globalisierung und auch durch das, was vorher geschah, und diese Jagd nach dem Geld und diese eisige Kälte hat das moralische Immunsystem durchlöchert.
Solch ungeschminkte Kapitalismuskritik hat auch einen Teil der Simmel-Leser verstört. Bisher war es ihm stets gelungen, ein Publikum zu gewinnen, das bei der Schilderung krimineller dunkler Machenschaften von Konzernen oder Geheimdiensten nicht gleich in Hysterie ausbrach und ihn als Kommunisten beschimpfte. Obwohl genau sein Publikum dieses sonst gerne tat - bei anderer Gelegenheit mit anderen Autoren. So hatte Simmel sich in das Bewusstsein seiner bürgerlichen Leser eingeschlichen. Und nun diese klaren Worte - kein Wunder, dass vor einiger Zeit bei einer Leserbefragung mächtig empörte Stammleser zu Wort kamen: Man hätte dem Simmel ja nie zugetraut, dass er ein verkappter Kommunist sei!
Nein - Simmel ist kein Kommunist, aber ein unbeugsamer Ankläger, dem der Zustand der gegenwärtigen Welt Angst macht. Und diese Angst teilt er mit vielen - die Angst vor einem neuen Krieg, vor einem menschenverachtenden Kapitalismus, dem der historische Gegenspieler abhanden gekommen ist und dem Shareholder Value zum einzig bestimmenden Gradmesser seiner Effizienz zu werden scheint. Und so kann er gar nicht deutlich genug seine Stimme erheben, auch wenn ihm manche Kritiker vorwerfen, mit Schaum vor dem Mund Agitation zu betreiben. Denn Simmels Sorge gilt dem Fortbestand der Zivilisation. Das wird auch sichtbar, wenn er gegen die Diskriminierung Behinderter oder die unhaltbaren Zustände in einer Düsseldorfer Kinderkrebs-Klinik anschreibt. Simmel ist stets streitbarer Moralist, der mit offenen Augen die Welt betrachtet und warnend seine Stimme erhebt. In seinem Roman "Mit den Clowns kamen die Tränen" schilderte er bereits 1987 die Gefahren der Genmanipulation. Ein Thema, dass gerade heute wieder von höchster Aktualität ist.
Wir haben zwei Kerne zerstört - den Zellkern und den Atomkern. Beides hat katastrophale Folgen gehabt. Wenn wir Menschen nach Maß machen wollen - selbe Geschichte. Man kann kommen und kann sagen: Ja, aber wir können viele Krankheiten heilen. Aber im Verhältnis zu dem Unheil, das wir anrichten können mit genetisch veränderten Codes, das Verhältnis geht so sehr zu Lasten des Bösen, dass ich der Ansicht bin, es muss, Wissenschaftler haben das Gefühl, sie müssen alles, was getan werden kann, tun - und das müsste untersagt werden. Es muss Dinge geben, die wegen ihrer Gefährlichkeit unterbleiben müssen.
Auch hier zeigt sich wieder der kompromisslose Simmel - es gibt kein Einerseits und Andererseits, sondern eine klare Absage an diese Entwicklung. Haben wir es also nur mit Polemik zu tun? Nein, auch der Schriftsteller Simmel kommt zu Wort. So zeigt er sich als ein empfindsamer Erzähler, der über seine innige Telefonverbindung zu Marlene Dietrich, über den tief verehrten Willy Brandt und seinen "spät gefundenen Bruder" Stefan Heym wahr und warm schreibt. In dem ersten Text des Buches, "Ganz kleine Kinderschuhe", schildert er eine Erinnerung an ein Berliner Nachkriegs-Abenteuer, eine Auseinandersetzung mit unverbesserlichen Nazis, die nichts aus der Niederlage gelernt haben und ihren unverhohlenen Antisemitismus auch in der neuen Demokratie praktizieren. Diese nie bewältigte Vergangenheit zieht sich wie ein roter Faden durch Simmels Auseinandersetzung mit alten und neuen Rechtsradikalen. Und weil ihm, dessen väterliche Familie von den Nazis ausgelöscht wurde, der neue rechte Terror die größte Gefahr ist, lässt er keine Gelegenheit aus, mit Worten gegen 'die braune Pest' zu kämpfen. Die meisten Texte dieser Auswahl empören sich über Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und die Apathie des Staates gegenüber Neonazis.
Natürlich greift Simmel, wenn er über, das heißt: gegen politische Verbrechen, Weltzerstörung, Krieg und brutale New Economy schreibt, zum groben Keil, aber auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Und so redet Simmel Klartext. Seine Texte ähneln nie Pflichtübungen, immer ist das Engagement spürbar, hier spricht ein persönlich Betroffener im wahrsten Sinne des Wortes. Der Band enthält auch die Erstveröffentlichung "Deutsche Leitkultur", in der Simmel sich mit dem milden Urteil gegen die Angeklagten des Gubener Hetzjagdprozesses auseinandersetzt. Jugendliche Skinheads hatte einen algerischen Asylbewerber gejagt, dieser war aus Angst durch eine Glastür gesprungen und an seinen Schnittwunden verblutet. Simmels gerechter Zorn ließ ihn auch ein Zitat der Brandenburgischen Ausländerbeauftragten, Almuth Berger, verwenden, in dem missverständlich zum Ausdruck kam, Frau Berger sei erleichtert über das Urteil gewesen. Almuth Berger hatte empört auf diese Darstellung reagiert und dem Autor in einem offenen Brief eine Unterlassungsklage angedroht, um das weitere Erscheinen des Buches zu unterbinden. Denn sie habe sich nur "erleichtert" darüber geäußert, dass es nach diesem "von unerträglichen Störmanövern der Verteidiger in die Länge gezogenen Prozess" überhaupt zu einer Verurteilung gekommen sei. Simmel bedauerte das Missverständnis, und Autor und Verlag legten den weiteren Auslieferungen eine Richtigstellung bei. In den folgenden Ausgaben des Buches wird dieser Absatz nicht mehr erscheinen.
Simmel schafft es, mit seinen Kurzgeschichten und Reden aus mehreren Jahrzehnten beim Leser ein Unwohlsein zu erzeugen. Weil man sich vielleicht für einen Antifaschisten hält und doch oft nicht die Courage aufbringt, zu handeln. So lassen seine Ansichten einen nicht unberührt entkommen, sie zwingen, über eigene Verantwortung nachzudenken. Man kann den Band daher wohl als ein wichtiges Werk zum "Aufstand der Anständigen" bezeichnen. Und man kann sicher sein, dass Johannes Mario Simmel nicht nachlassen wird, seine Stimme zu erheben, auch wenn mitunter ein Anflug von Resignation anklingt.
Ich habe, weil ich sehr lange schreibe und sehr hohe Auflagen hatte, ich habe einiges erreicht an Gutem. Also, wenn man sehr lange schreibt und sich durch Anpöbeleien, schlechte Kritiken und Presse, was durcheinander, nicht beirren lässt und immer weiter schreibt, dann kann man was erreichen. Aber für ein langes Leben ist es ein bisschen wenig.
Doch dieses Wenige ist für einen Einzelnen schon sehr viel, man wünscht sich, dass noch viel mehr Einzelne solch klare Positionen beziehen würde, vielleicht wäre dann unsere Welt etwas weniger " wahnsinnig". Nicht nur die Politik, jeder ist gefordert. Und gerade in der gegenwärtigen Situation passt das Motto, welches Simmel seiner Auswahl vorangestellt hat, genau in die Zeit:
Ich trinke auf das Wohl aller weisen Politiker und tapferen Generäle, aller wunderbaren Ideologen und verehrungswürdigen Bewahrer sämtlicher Religionen, die in dieser Welt seit Jahrtausenden um Frieden, Glück und Gerechtigkeit kämpfen - und auf das Wohl aller armen Schweine, die diesen blutigen Schlamassel auszubaden haben.
Wolf Dietrich Fruck über: Johannes Mario Simmel: Die Bienen sind verrückt geworden. Reden und Aufsätze über unsere wahnsinnige Welt. Erschienen in der Beck'schen Reihe des C.H. Beck Verlages, München. 206 Seiten zum Preis von 19,90 DM.
Diese Aussage von Johannes Mario Simmel, getroffen in einem Gespräch mit DeutschlandRadio-Intendant Ernst Elitz, charakterisiert zugleich das Hauptanliegen des Buches, von dem hier die Rede ist. Und um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch muss man vor allem den politischen Entscheidungsträgern unseres Landes als Pflichtlektüre empfehlen. Denn die Reden und Aufsätze von Johannes Mario Simmel aus den letzten 20 Jahren, die dieser Band zusammenfasst, haben eine bestürzende Aktualität. Sein leidenschaftliches Credo gegen den Hass und die Ignoranz in jeglicher Form, sein Appell an die Zivilcourage des mündigen Bürgers, einzustehen für die Grundwerte der Zivilisation, zeichnet diese Texte aus. Wer Simmel bisher nur als Romanautor kennt, dem sei es besonders angeraten, diese Aufsätze zu lesen, er wird den Autor und seine Werke noch besser verstehen.
Johannes Mario Simmel, geboren 1924 in Wien, arbeitete als Journalist und Drehbuchautor, nach seinem siebten Buch wurde er freier Schriftsteller. Simmel zählt zu den erfolgreichsten Autoren der Welt: Seine Romane erreichten eine Gesamtauflage von über 70 Millionen und wurden in 33 Sprachen übersetzt. Mit seinen Bestseller-Romanen hat er sich seit jeher eingemischt in die Politik. In den nun veröffentlichten zeitkritischen Reden und Aufsätzen warnt er scharf, klarsichtig und mitunter auch pessimistisch vor Rechtsradikalismus, Turbokapitalismus und einem großen neuen Krieg. Getragen von einem tiefen Humanismus nimmt Simmel kein Blatt vor den Mund wenn er nach den Ursachen der gegenwärtigen "wahnsinnigen" Welt gefragt wird:
Ich glaube, dass es zusammenhängt - hier war die Rede von der Eiseskälte zwischen Mensch und Mensch. Es gibt, ich meine, Liebe auch im biblischen Sinne, als Nächstenliebe. Es gibt alles das nicht mehr. Ethik ist ein historischer Begriff, haben wir gehört. Und das Einzige, was zählt, ist die Rendite. Wenn Kinder in solchen Familien, es müssen keine reichen Familien sein, wo wirklich nur noch der Erfolg zählt und zählen muss, weil man ja sonst seinen Posten verliert, aufwachsen, dann bekommen sie diese Art von Aggressivität natürlich mit. Und wenn sie erleben, dass unter Umständen auch Menschenleben ohne Bedeutung sind, dann ist es geradezu eine Aufforderung. Ich denke, es gibt auch ein moralisches Immunsystem. Durch alles, die, auch durch die Globalisierung und auch durch das, was vorher geschah, und diese Jagd nach dem Geld und diese eisige Kälte hat das moralische Immunsystem durchlöchert.
Solch ungeschminkte Kapitalismuskritik hat auch einen Teil der Simmel-Leser verstört. Bisher war es ihm stets gelungen, ein Publikum zu gewinnen, das bei der Schilderung krimineller dunkler Machenschaften von Konzernen oder Geheimdiensten nicht gleich in Hysterie ausbrach und ihn als Kommunisten beschimpfte. Obwohl genau sein Publikum dieses sonst gerne tat - bei anderer Gelegenheit mit anderen Autoren. So hatte Simmel sich in das Bewusstsein seiner bürgerlichen Leser eingeschlichen. Und nun diese klaren Worte - kein Wunder, dass vor einiger Zeit bei einer Leserbefragung mächtig empörte Stammleser zu Wort kamen: Man hätte dem Simmel ja nie zugetraut, dass er ein verkappter Kommunist sei!
Nein - Simmel ist kein Kommunist, aber ein unbeugsamer Ankläger, dem der Zustand der gegenwärtigen Welt Angst macht. Und diese Angst teilt er mit vielen - die Angst vor einem neuen Krieg, vor einem menschenverachtenden Kapitalismus, dem der historische Gegenspieler abhanden gekommen ist und dem Shareholder Value zum einzig bestimmenden Gradmesser seiner Effizienz zu werden scheint. Und so kann er gar nicht deutlich genug seine Stimme erheben, auch wenn ihm manche Kritiker vorwerfen, mit Schaum vor dem Mund Agitation zu betreiben. Denn Simmels Sorge gilt dem Fortbestand der Zivilisation. Das wird auch sichtbar, wenn er gegen die Diskriminierung Behinderter oder die unhaltbaren Zustände in einer Düsseldorfer Kinderkrebs-Klinik anschreibt. Simmel ist stets streitbarer Moralist, der mit offenen Augen die Welt betrachtet und warnend seine Stimme erhebt. In seinem Roman "Mit den Clowns kamen die Tränen" schilderte er bereits 1987 die Gefahren der Genmanipulation. Ein Thema, dass gerade heute wieder von höchster Aktualität ist.
Wir haben zwei Kerne zerstört - den Zellkern und den Atomkern. Beides hat katastrophale Folgen gehabt. Wenn wir Menschen nach Maß machen wollen - selbe Geschichte. Man kann kommen und kann sagen: Ja, aber wir können viele Krankheiten heilen. Aber im Verhältnis zu dem Unheil, das wir anrichten können mit genetisch veränderten Codes, das Verhältnis geht so sehr zu Lasten des Bösen, dass ich der Ansicht bin, es muss, Wissenschaftler haben das Gefühl, sie müssen alles, was getan werden kann, tun - und das müsste untersagt werden. Es muss Dinge geben, die wegen ihrer Gefährlichkeit unterbleiben müssen.
Auch hier zeigt sich wieder der kompromisslose Simmel - es gibt kein Einerseits und Andererseits, sondern eine klare Absage an diese Entwicklung. Haben wir es also nur mit Polemik zu tun? Nein, auch der Schriftsteller Simmel kommt zu Wort. So zeigt er sich als ein empfindsamer Erzähler, der über seine innige Telefonverbindung zu Marlene Dietrich, über den tief verehrten Willy Brandt und seinen "spät gefundenen Bruder" Stefan Heym wahr und warm schreibt. In dem ersten Text des Buches, "Ganz kleine Kinderschuhe", schildert er eine Erinnerung an ein Berliner Nachkriegs-Abenteuer, eine Auseinandersetzung mit unverbesserlichen Nazis, die nichts aus der Niederlage gelernt haben und ihren unverhohlenen Antisemitismus auch in der neuen Demokratie praktizieren. Diese nie bewältigte Vergangenheit zieht sich wie ein roter Faden durch Simmels Auseinandersetzung mit alten und neuen Rechtsradikalen. Und weil ihm, dessen väterliche Familie von den Nazis ausgelöscht wurde, der neue rechte Terror die größte Gefahr ist, lässt er keine Gelegenheit aus, mit Worten gegen 'die braune Pest' zu kämpfen. Die meisten Texte dieser Auswahl empören sich über Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und die Apathie des Staates gegenüber Neonazis.
Natürlich greift Simmel, wenn er über, das heißt: gegen politische Verbrechen, Weltzerstörung, Krieg und brutale New Economy schreibt, zum groben Keil, aber auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Und so redet Simmel Klartext. Seine Texte ähneln nie Pflichtübungen, immer ist das Engagement spürbar, hier spricht ein persönlich Betroffener im wahrsten Sinne des Wortes. Der Band enthält auch die Erstveröffentlichung "Deutsche Leitkultur", in der Simmel sich mit dem milden Urteil gegen die Angeklagten des Gubener Hetzjagdprozesses auseinandersetzt. Jugendliche Skinheads hatte einen algerischen Asylbewerber gejagt, dieser war aus Angst durch eine Glastür gesprungen und an seinen Schnittwunden verblutet. Simmels gerechter Zorn ließ ihn auch ein Zitat der Brandenburgischen Ausländerbeauftragten, Almuth Berger, verwenden, in dem missverständlich zum Ausdruck kam, Frau Berger sei erleichtert über das Urteil gewesen. Almuth Berger hatte empört auf diese Darstellung reagiert und dem Autor in einem offenen Brief eine Unterlassungsklage angedroht, um das weitere Erscheinen des Buches zu unterbinden. Denn sie habe sich nur "erleichtert" darüber geäußert, dass es nach diesem "von unerträglichen Störmanövern der Verteidiger in die Länge gezogenen Prozess" überhaupt zu einer Verurteilung gekommen sei. Simmel bedauerte das Missverständnis, und Autor und Verlag legten den weiteren Auslieferungen eine Richtigstellung bei. In den folgenden Ausgaben des Buches wird dieser Absatz nicht mehr erscheinen.
Simmel schafft es, mit seinen Kurzgeschichten und Reden aus mehreren Jahrzehnten beim Leser ein Unwohlsein zu erzeugen. Weil man sich vielleicht für einen Antifaschisten hält und doch oft nicht die Courage aufbringt, zu handeln. So lassen seine Ansichten einen nicht unberührt entkommen, sie zwingen, über eigene Verantwortung nachzudenken. Man kann den Band daher wohl als ein wichtiges Werk zum "Aufstand der Anständigen" bezeichnen. Und man kann sicher sein, dass Johannes Mario Simmel nicht nachlassen wird, seine Stimme zu erheben, auch wenn mitunter ein Anflug von Resignation anklingt.
Ich habe, weil ich sehr lange schreibe und sehr hohe Auflagen hatte, ich habe einiges erreicht an Gutem. Also, wenn man sehr lange schreibt und sich durch Anpöbeleien, schlechte Kritiken und Presse, was durcheinander, nicht beirren lässt und immer weiter schreibt, dann kann man was erreichen. Aber für ein langes Leben ist es ein bisschen wenig.
Doch dieses Wenige ist für einen Einzelnen schon sehr viel, man wünscht sich, dass noch viel mehr Einzelne solch klare Positionen beziehen würde, vielleicht wäre dann unsere Welt etwas weniger " wahnsinnig". Nicht nur die Politik, jeder ist gefordert. Und gerade in der gegenwärtigen Situation passt das Motto, welches Simmel seiner Auswahl vorangestellt hat, genau in die Zeit:
Ich trinke auf das Wohl aller weisen Politiker und tapferen Generäle, aller wunderbaren Ideologen und verehrungswürdigen Bewahrer sämtlicher Religionen, die in dieser Welt seit Jahrtausenden um Frieden, Glück und Gerechtigkeit kämpfen - und auf das Wohl aller armen Schweine, die diesen blutigen Schlamassel auszubaden haben.
Wolf Dietrich Fruck über: Johannes Mario Simmel: Die Bienen sind verrückt geworden. Reden und Aufsätze über unsere wahnsinnige Welt. Erschienen in der Beck'schen Reihe des C.H. Beck Verlages, München. 206 Seiten zum Preis von 19,90 DM.