John Coltrane: "Meine Musik ist der spirituelle Ausdruck dessen, was ich bin - mein Glaube, mein Wissen, mein Sein."
An einem einzigen Abend, dem 9. Dezember 1964, nimmt John Coltrane seine Suite "A Love Supreme" auf. Wenige Wochen später wird das Album bereits veröffentlicht und es wird eine der bekanntesten Jazzplatten überhaupt. Die Pianistin Alice Coltrane beschreibt, wie ihr Mann kurz vor der Aufnahme auf sie wirkte:
"Es war, als wäre Moses vom Berg gekommen. Er kam herunter und hatte diesen freudigen, friedlichen Ausdruck, diese Ausgeglichenheit im Gesicht. Ich sagte, 'Erzähl mir, was los ist, wir haben dich vier-fünf Tage kaum gesehen.' Er sagte: 'Es ist das erste Mal, dass ich die ganze Musik, die ich aufnehmen will, vor mir erkenne. Alles ist bereit.'"
Hart errungener spiritueller Durchbruch
Eine Vorahnung für sein epochales Werk "A Love Supreme" soll John laut Alice Coltrane bereits 1947 während seiner Militärzeit gehabt haben. Ungefähr zehn Jahre lang irrte er mit seinem Saxofon im Koffer durch Amerika, er erlag den Versuchungen von Heroin und Alkohol, und durchlebte viele Phasen der Verzweiflung. Der spirituelle Durchbruch ist hart errungen; endlich findet der 38-Jährige die Kraft, um sein Opus Magnum zu schaffen.
John Coltrane: "Die Mehrzahl der Musiker ist an Wahrheit interessiert. Wer ein musikalisch gültiges Statement abgibt, schafft Wahrheit. Wenn jemand etwas Hässliches spielt, ist es hässlich. Wir streben nach Perfektion und das ist etwas Wahres. Um diese Wahrheit zu spielen, muss man sie so intensiv wie möglich leben."
Im Begleittext zu "A Love Supreme" schreibt Coltrane: "Wörter, Klänge, Sprache, Menschen, Erinnerung, Gedanken, Ängste und Gefühle - Zeit - alle aufeinander bezogen ... alle aus dem Einen gemacht."
Coltrane bleiben nur zehn Jahre, um seine wichtigsten Werke zu schaffen. In fünf Tagen entsteht die majestätische Suite "A Love Supreme" nach einer dreimonatigen Tournee. Sie ist die Frucht einer vierjährigen intensiven Zusammenarbeit mit seinem heute als "klassisch" geltenden Quartett. Coltrane zeigt, wie ein simples Ausgangsmaterial von ein paar Tönen eine schier unendliche Vielfalt an Variationen generiert.
John Coltrane: "Mein Ziel ist, das wirklich religiöse Leben zu leben und es in meiner Musik auszudrücken. Wenn du es lebst, wenn du spielst, gibt es kein Problem, denn die Musik ist einfach ein Teil des Ganzen. Musiker zu sein bedeutet etwas. Es geht sehr, sehr tief."
Coltrane verfasste für das Album einen Text, der sozusagen "wortlos" auf dem Saxofon rezitiert wird - eine Danksagung an den Allmächtigen Gott, die Höchste Liebe. Dann spielt er "A Love Supreme" durch sämtliche Tonarten. Der Coltrane-Biograf Lewis Porter erklärt:
"Er sagt uns damit, dass Gott überall ist - in jedem Register, in jeder Tonart - und zeigt uns, dass man den religiösen Glauben entdecken muss."
Suite in vier Sätzen
"A Love Supreme" ist eine Suite in vier Sätzen, die vier Stationen des Weges zu Gott markieren:
1.) Acknowledgement - Das Erkennen des Göttlichen
2.) Resolution - Der Entschluss, Gott zu folgen
3.) Pursuance - Das Gehen des Weges und schließlich:
4.) Psalm - Die Lobpreisung des höchsten Wesens.
2.) Resolution - Der Entschluss, Gott zu folgen
3.) Pursuance - Das Gehen des Weges und schließlich:
4.) Psalm - Die Lobpreisung des höchsten Wesens.
Ein früherer Mitspieler, der Bassist Reggie Workman, hat gesagt:
"Er hatte eine spirituelle Seite, die von Anfang an da war. Er war einer der Propheten unserer Zeit und nahm das, was ihm auferlegt war, sehr ernst. John war ein eifriger Leser und studierte privat Hinduismus, Geschichte und Soziologie. Er befasste sich immer mit Dingen, die ihm halfen, die Botschaft weiterzuvermitteln."
Zweieinhalb Jahre nach seinem größten Erfolg stirbt John Coltrane, zwei Monate vor seinem 41. Geburtstag. Doch obwohl ihm wenig Zeit blieb, hatte "A Love Supreme" nicht nur seinem Schaffen, sondern dem ganzen Jazz eine neue Wende gegeben.