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John Paul Jones zum 75.
Rock-Bassist mit Opern-Ambition

Ob anfangs als Sessionmusiker für die Rolling Stones oder später als fester Bassist bei Led Zeppelin: Der unscheinbare kleine Mann aus London hat Spuren in der Musik hinterlassen. Mit 75 blickt John Paul Jones zurück auf eine fast 60-jährige Karriere zurück - und wagt sich an seine erste Oper.

Von Marcel Anders |
    Ein Mann mit kurzen Harren sitzt vor einem Mikrofon. Im Hintergrund befindet sich eine Plakatwand mit dem Schriftzug "Led Zeppelin".
    Multiinstrumentalist, Millionär und längst nicht müde: John Paul Jones (imago images/ZUMA Wire)
    Musik: Stones - "She's A Rainbow"
    "Es war eine gute Schule, denn sie hat mich Disziplin gelehrt. Die brauchte ich, um morgens um zehn Uhr mit der Arbeit anzufangen und es richtig hinzubekommen. Denn damals hatte man nur ein paar Testläufe, ehe es ans Aufnehmen ging. Das dauerte bis 13 Uhr, und schon eine Stunde später fing die nächste Session mit einem anderen Künstler an. Um 19 Uhr noch eine weitere. So ging das jeden Tag, über Jahre." In den Swinging Sixties ist John Paul Jones ein gefragter Sessionmusiker, der bei Rod Stewart, Cat Stevens oder den Rolling Stones aushilft. Er spielt Gitarre, Bass, Klavier oder Orgel. Bei einigen Jobs übernimmt der studierte Musiker und Chormeister auch das Arrangieren. Jones ist ein erfahrenes Talent: Er war Mitglied der Shadows und ist zwischen 1964-68 an mehreren Hundert Aufnahmen beteiligt. Als er mit Anfang 20 vor dem Burnout steht, bewirbt er sich als Bassist bei der neuen Band seines Kollegen Jimmy Page: Led Zeppelin. "Ich bin stolz auf diese Band, denn wir waren verdammt gut. Das war der Grund für unseren Erfolg: Ich denke nicht, dass wir die Leute je enttäuscht haben. Einfach, weil wir immer hart an unserer Musik und Show gearbeitet haben. Wir haben uns das regelrecht verdient."
    Musik: Led Zeppelin – "Whole Lotta Love"
    Der ruhende Pol
    In den zwölf Jahren ihres Bestehens setzen Led Zeppelin Maßstäbe, in künstlerischer wie kommerzieller Hinsicht. Mit ihrem elektrifizierten Folk und Blues werden sie zu Pionieren des Hardrock auf, spielen in ausverkauften Stadien und sind Superstars samt eigenem Flugzeug. Wobei sich Jones, der bürgerlich John Richard Baldwin heißt, bewusst zurückhält. Während die Band dem hemmungslosen Hedonismus aus Alkohol, Sex und Drogen frönt, ist er der ruhende Pol. Wenn er denn mal ein Hotelzimmer abfackelt, geschieht das bei ihm aus Versehen: Er ist mit brennender Zigarette im Bett eingeschlafen.
    "Schon möglich, dass das so war. Es gibt noch die Geschichte, ich wäre in Begleitung einer Frau gewesen, die eigentlich ein Mann war. Nur: Das war nicht ich. Das ist einem anderen Bandmitglied in einer anderen Stadt passiert, was ich nicht weiter ausführen möchte. Die beiden Sachen wurden später zusammengefügt. Es sind lustige Geschichten, wenn man sie richtig erzählt."
    Er selbst, so der unscheinbare, kleine Mann, sei einfach cleverer als seine Bandkollegen gewesen. Er habe sich nie in einer kompromittierenden Situation erwischen lassen. Für jede Tour habe er Outfit und Frisur gewechselt und stets den Hinterausgang der Hotels benutzt. Einer der Gründe, warum er seit 1967 glücklich verheiratet sei.
    Musik: Led Zeppelin – "Kashmir"
    Der Alleskönner
    Bei Led Zeppelin arrangiert John Paul Jones die Streichinstrumente, beteiligt sich am Songwriting und glänzt am Bass: Beeinflusst von Jazz, Blues, Klassik und Soul sorgt er für Groove und funky Rhythmen. Mit Schlagzeuger John Bonham bildet er eine legendäre Rhythmussektion.
    "Es war der beste Groove aller Zeiten. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal mit ihm gespielt habe. Ich dachte: Hoffentlich ist er einigermaßen gut. Denn als Bassist braucht man einen guten Drummer, sonst bedeutet das umso mehr Arbeit. Aber schon nach wenigen Minuten war klar: Bonzo ist ein Geschenk Gottes. Es war so leicht, mit ihm zu arbeiten - und so ein Spaß."
    Musik: R.E.M. - "Drive"
    Bonhams Tod im September 1980, mit nur 32 Jahren, sorgt für das abrupte Ende einer Band, die die Rockmusik bis heute prägt. Die acht Alben von Led Zeppelin sind Klassiker, die verbliebenen drei Bandmitglieder treten – bis auf drei Festivals in den 80ern und Mitte der 2000er – nicht mehr gemeinsam auf. Warum auch? Musikalisch scheint Led Zeppelin auserzählt und die Mitglieder haben finanziell ausgesorgt. John Paul Jones veröffentlicht zwei Solo-Alben und arbeitet mit R.E.M., Peter Gabriel, Seasick Steve und Them Crooked Vultures. Dieses kreative Austoben bezeichnet er als Freiheit.
    "Ich treffe ständig interessante Leute, die fragen: Hast du Lust, etwas zu machen? Und meistens gehe ich darauf ein, weil ich gerne spiele. Das ist alles, was mich interessiert. Mir ging es nie darum, berühmt zu werden oder im Fernsehen aufzutreten. Meine Ambition bestand nur darin, nie einen richtigen Job zu haben, sondern den ganzen Tag Musik zu machen. Und die Tantiemen von Led Zeppelin ermöglichen mir das bis heute. Ich kann tun, was ich will. Ich bin frei und lebe meinen Traum."
    Musik: Them Crooked Vultures – "New Fang"
    Ope(r)n End
    Als vermögender Ex-Rockstar lässt es sich entspannt leben und eigene Projekte verfolgen. Aktuell arbeitet John Paul Jones an seiner ersten Oper, die den Titel "The Ghost Sonata" trägt und nahezu fertig sein soll. Eine Rückkehr in die Welt der Klassik, in der er vor 70 Jahren begonnen hat; mit demselben Elan, der ihn zu einem der ganz Großen der Rockmusik gemacht hat.
    "Es ist für ein Sinfonie-Orchester mit 60, 70 Musikern konzipiert, darunter sechs Solisten. Und es basiert auf der literarischen Vorlage von Strindberg. Sprich: Es ist sehr düster und geheimnisvoll, aber auch toll. Ich genieße es, obwohl es höllisch viel Arbeit ist."
    Musik: "No Quarter"