Auch wenn John Waters im Interview nicht viel verrät - es sind die typischen Waters-Themen, die er in seinem Programm "This Filthy World" diese dreckige Welt ausbreitet. Allen voran Baltimore, Waters Heimatstadt im Osten der USA und sein Mikrokosmos:
"Baltimore spielt eine Charakterrolle in meinen Filmen. Hier ist es völlig normal, dass die Leute singen, während sie auf den Bus warten oder so aussehen wie Divine."
John Walters Film-Baltimore ist das Spießer-Allerweltsparadies, in dem fast alle seine Filme spielen. Aber hinter den Fassaden aus Polyester, Hairspray und Vorgartenidylle pflegen mordgierige oder sexsüchtige Hausfrauen, deren gestörte Kinder und Ehemänner ihre Obsessionen. Freaks halt, womit wir bei Thema Nummer zwei wären. So aufregend komisch Waters seine Antihelden inszeniert, allen voran den Transvestiten Divine, der in vielen Waters Filmen die Hauptrolle spielt. Eines verwehrt er ihnen nie: die Achtung.
"Ich fordere das Publikum nicht dazu auf, auf meine Protagonisten herab zu schauen. Im Gegenteil: Die Leute sollen zu ihnen aufschauen und ihren schlechten Geschmack bewundern. Denn meine Protagonisten nehmen sich eine Freiheit, die ich zum Beispiel nicht habe."
Und wehe, jemand von den sogenannten Normalen verwehrt den Außenseitern ihr Quäntchen Glück. In seinem Monolog macht Waters sie zur Zielscheibe, seines geschliffenen Spotts. Das Recht auf ein Leben abseits der Mainstream-Moral und das Recht, darüber zu reden, zu singen und zu publizieren - das ist Waters wichtigstes Thema:
"Wir müssen bis zum Äußersten gehen, wenn es um Meinungsfreiheit geht. Dazu gehört Rassismus zu ertragen und Nazi-Aufmärsche. Das gilt auch für Pornografie, auch wenn darin Frauenhass propagiert wird. Diesen Missbrauch der großen Freiheit müssen wir ertragen, um unserer eigenen Freiheit willen."
Waters lässt sich nichts vorschreiben
Schon als kleiner Junge im katholischen Baltimore wollte sich Waters nicht vorschreiben lassen, was erlaubt und verboten ist:
"Als ich acht war, sollte ich in der Messe geloben, keine von der Kirche verbotenen Filme anzuschauen. Ich habe mich geweigert und stattdessen alle Anzeigen für indizierte Filme ausgeschnitten und sie in mein Bastelbuch geklebt und so getan als hätte ich ein eigenes Kino für Schmuddelfilme."
Mit seinen eigenen Filmen hat John Waters Schmuddel-Trash in die Programmkinos gebracht. In seiner Spoken-Words-Show, mit der er jetzt in Deutschland zu sehen ist, nutzt er seine Filme als Stichwortgeber:
"Um über Grenzen zu reden, über Politik, Mode, Drogen und wie man heutzutage ein jugendlicher Straffälliger mit Stil werden kann. Die jungen Menschen brauchen Hilfe."
Und die können sie von John Waters bekommen:
"Heute sind jugendliche Kriminelle nichts weiter als Hacker. Ich wäre so gerne mit einem gut aussehenden Hacker befreundet, aber leider sind das alles Nerds mit schlechter Haltung. Aber ich habe die Suche noch nicht aufgegeben: Einen süßen Hacker, der dafür sorgt, dass die Regierung eines Landes gegen das ich bin, kollabiert, zum Freund. Das wäre was."
Aber bis Waters seinen Traumprinzen gefunden hat, kann das Publikum egal welchen Alters von dem Filmemacher vor allem die Antwort auf eine Frage erfahren:
"How can you be bad at 70?"
Und wie John Waters die Frage stellt: Im eleganten Designer-Anzug, mit seinem schmalen Oberlippenbart, charmant und bescheiden, wird klar: Der Papst des schlechten Geschmacks ist moralischer als alle selbst ernannten Saubermänner zusammen und dazu ist er ein wahrer Gentleman, der fast so unterhaltsam ist, wie seine Filme.