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Johnny Winter
Das letzte Album des großen weißen Bluesmanns

Der US-Musiker Johnny Winter war bekannt für sein schnelles, raues Spiel auf der Gitarre, die schnellen Notensalven. Mitte Juli starb der Bluesveteran mit 70 Jahren - vorher hatte er noch eine neues Album aufgenommen. Es ist kein für ihn typisches Album geworden.

Von Tim Schauen |
    "And welcome with us, please: Johnny Winter!"
    Johnny Winter vor 45 Jahren: Sein Auftritt trug dazu bei, dass die Fans den Matsch auf den Wiesen von Woodstock schaumig stampften: der "Mean Town Blues".
    Und das hier ist ein brandneues altes Stück von Johnny Winter, es stammt vom Album "Step Back", das in diesen Tagen erscheint.
    Johnny Winter mit dem langbärtigsten aller Blueser: Billy Gibbons von ZZ Top.
    Zwischen diesen beiden Aufnahmen liegt ein langer Weg, eine 55jährige Reise, die über viele Bühnen und Blueskreuzungen führte.
    In Woodstock 1969 war John Dawson Winter III. einer der bestbezahlten Musiker, gerade hatte er 600.000 Dollar Vorschuss für seinen Plattenvertrag mit Columbia erhalten. Die Legende besagt, dass seine Freundin Janis Joplin ihn mit Heroin vertraut gemacht hat.
    "Oh, yeah!"
    "Hoffentlich sind viele Leute da"
    Vier Alben und zahllose Auftritte in großen Stadien zogen danach ins Land - und einigermaßen an Winter vorbei. Winter war rock'n rollender Superstar, mit allem, was an Klischees dazu gehört: Während eines Konzerts in Philadelphia auf einer sich ohnehin schon drehenden Bühne und voll auf LSD fragte Bassist Tommy Shannon: "Sag mal, spielen wir schon?" Winter antwortete: "Keine Ahnung, aber hoffentlich sind viele Leute da!"
    Nach einer Entziehungskur meldete er sich 1973 mit seinem fünften Album zurück, es trug den wörtlich gemeinten Titel "Still alive and well".
    "Yeah both, we do mostly blues and little rock 'n' roll"
    Dass er sich fortan deutlich für Blues und weniger den Rock'n'Roll zuständig fühlte, machte sich auch im Erfolg bemerkbar. Vor Woodstock galt Winter als heißer weißester Bluesgitarrist: der schlacksige Mann - wegen seines angeborenen Albinismus und der langen Haare so weiß wie sein Familienname - hielt mit stark tätowierten Armen seine Gibson Firebird umschlugen, stand leicht gebückt auf der Bühne und haute die Licks in einer Geschwindigkeit heraus, dass die Noten nur so trieften. Solange der Bluesrock viele Hörer fand, war das Leben gut.
    "This cat can play!"
    Der Blues konnte mit Winter nicht mithalten
    Winter spielte sich in hohem Tempo durch die Welt. Der Blues konnte nicht mithalten, geriet mehr und mehr aus dem Fokus der Massen, Johnny Winter aber blieb dieser traditionellen Musik umso mehr verhaftetet, auch als Pop-, Rock-, Discomusik längst das Sagen hatten.
    Ab Mitte der 70er arbeitete Johnny Winter mit Blues-Legende Muddy Waters zusammen, produzierte vier von dessen Alben, spielte für ihn Gitarre. Für diese Engagements bekamen die beiden Blues-Brüder drei Grammys, und für Winter schloss sich ein Kreis, denn auf seiner ersten Veröffentlichung "The Progressive Blues Experiment" hatte er 1968 Muddy Waters bereits gehuldigt. Überhaupt sei Blues aus den 50er Jahren der beste, wie er im Interview sagte.
    "Ah, it's not as good as it used to be, like the best blues was probably the 1950s I guess, is my favorite time for blues. Muddy Waters, and Howlin' Wolf and T-Bone Walker and all those people, really great people in the 50s."
    Auch auf dem neuen Album namens "Step Back", seinem 19. schaut Winter zurück auf die 50er. Für 13 Stücke hatte er nochmal eine illustre Gitarren-Kollegenschar um sich versammelt: unter anderem Eric Clapton, Brian Setzer, Ben Harper haben ebenso ein paar Soli per Internet verschickt, wie der Bluesharpspieler Jason Ricci und einer der größten jungen Bluesrocker: Joe Bonamassa.
    "Step Back" ist kein typisches Johnny Winter-Album, es ist eine Revival-Show mit Bluesgrößen. Grundsolide, doch vom typischen energetischen Gitarrenspiel mit schnellen Tonfolgen ist leider nicht mehr viel zu hören.
    Gerade aber auch durch seinen Tod bekommt die Platte einen weiteren wehmütigen Touch.
    Gezeichnet von jahrelanger Sucht und Krankheit
    Johnny Winter und Joe Bonamassa - die Vergangenheit und die Zukunft des Blues huldigen BB King. Durch diesen bis zuletzt konsequent rückwärtsgewandten Blick entstand für Winter ein weiteres Problem: Die meisten der Stücke, die er aufführte und aufnahm, stammen nicht aus seiner Feder, darunter zum Beispiel auch das mit quakendem Zorn gesungene "Highway 61 revisited" von Bob Dylan.
    Wegen fehlender Tantiemen musste Winter unermüdlich touren - trotz offensichtlich angeschlagener Gesundheit. Deutlich von jahrelanger Sucht und Krankheit gezeichnet, spielte der Texaner seit einigen Jahren nur noch im Sitzen. Die Finger flogen nicht mehr so schnell über das Griffbrett, die Stimme war brüchig, und auch das Spiel auf der Slidegitarre - einst eine seiner Paradedisziplinen - kam ihm samt Spielgefühl abhanden.
    Doch der Blues ist nicht totzukriegen: Junge Künstler wie Jack White, die Alabama Shakes oder die Rival Sons widmen sich weiterhin dem Genre, sehr zur Freude des Altmeisters, auch wenn es nicht mehr so viele seien. Über die stetige Wiederkehr des Blues freue er sich.
    “They keep happening, I'm glad of that!“
    Für November hatte Winter wieder Konzerte in Deutschland gebucht. Doch am 16. Juli wurde er tot in seinem Schweizer Hotelzimmer aufgefunden.
    Der große schlohweiße Mann der Bluesgitarre wurde 70 Jahre alt.