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Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus"
"Diese Zeit ist sehr reizvoll für einen Kabarettisten"

Kabarettist, Autor und Schauspieler Josef Hader hat bei seinem neuen Film "Wilde Maus" zum ersten Mal auch Regie geführt. Eine wunderschöne Arbeit sei das gewesen, sagt er im DLF. Allerdings wolle er das Kabarett nicht aufgeben – schon gar nicht in der aktuellen politischen Lage.

Josef Hader im Gespräch mit Sigrid Fischer |
    Der Regisseur Josef Hader
    Regisseur Josef Hader bei der Vorstellung seines Filmes "Wilde Maus" auf der 67. Berlinale (picture alliance / Hubert Boesl)
    Sigrid Fischer: Mit Journalisten kennen Sie sich aus, Sie haben einen Film über einen Musikkritiker gedreht, Georg, der wird entlassen, wird ersetzt durch etwas Junges, sehr Ahnungsloses. Und der ist sauer, der ist wütend. Und macht so kleine Racheaktionen: zum Beispiel das Cabrioverdeck vom Chef aufschlitzen und so. Kindische Aktionen, aber klammheimliche Freude beschleicht einen schon im Kino, denn das wirkt ja menschlich, und auch befreiend in dem Moment. Aber natürlich darf man keine Freude empfinden, denn Rache ist etwas Schlechtes.
    Josef Hader: Ja, ja, man muss Rache natürlich polizeilich verhindern, da sind wir uns alle einig. Aber, da haben Sie auch recht, es macht Spaß, das zu sehen, und es ist natürlich für einen Drehbuchautor schön, wenn man sich so in verbotene Zonen hinschreibt und dann überlegt, wie würde man das denn selber anstellen, wenn man in die Lage käme.
    Fischer: Mussten Sie dieses Gefühl – also klammheimliche Freude, wenn ich Rache übe – tief in sich suchen?
    Hader: Ich bin also niemand, der so in Wirklichkeit voller dunkler Gedanken durch die Welt läuft und alle möglichen Menschen hasst. Aber ich bin auch schon manchmal öfter gekränkt worden, oder hab mir gedacht, das ist jetzt unangenehm, weil ich kann mich nicht wehren, ich muss das auf mir sitzen lassen. Ich hab gute Erfahrungen damit gemacht, dass dann abzuschließen für mich, und nach ein paar Tagen denke ich nicht mehr dran.
    Fischer: Ist der Georg ein selbstmitleidiger Mensch?
    Hader: Ja, ja, der hat alles, was wir an Männern so lieben: Selbstmitleid, Narzissmus und eine gehörige Portion Spätpubertät. Ja.
    Josef Hader als am Leben gescheiterter Musikkritiker Georg in seinem Regiedebüt "Wilde Maus"
    Josef Hader als am Leben gescheiterter Musikkritiker Georg in seinem Regiedebüt "Wilde Maus" (Wega Film / Majestic)
    Fischer: Warum muss der böse Chefredakteur eigentlich ein Deutscher sein?
    Hader: Damit mehr Leute in Österreich ins Kino gehen. Nein. Das ist nicht mehr so. In Wirklichkeit ist es so, wenn man eine Film macht in Österreich und hat bei manchen Rollen die Chance, dass man den ganzen Sprachraum nach wunderbaren Kollegen und Kolleginnen absuchen kann, mit denen man dann arbeiten darf, dann macht man das. Und dann habe ich Jörg Hartmann getroffen in Berlin, ich habe kein Casting gemacht mit ihm oder so, ich habe einfach gelesen mit ihm, den Text. Und war so glücklich, weil ich wusste, ich hatte meinen Chefredakteur.
    "Ich hatte einen emotionalen Zugang zu der Figur"
    Fischer: Sie haben mal einen schönen Satz gesagt, Josef Hader, noch bevor Sie selbst Regie geführt haben, das war in Bezug auf die Wolf-Haas-Krimiverfilmungen, wo Sie den Simon Brenner spielen, da haben Sie gesagt: Wir schaffen nicht erst die Rolle und besetzen sie dann, sondern wir versuchen, gemeinsam mit dem Schauspieler etwas zu finden. Als ich Sie als Stefan Zweig gesehen habe, der wirklich kongenial besetzt ist mit Ihnen, da habe ich mich gefragt, was haben Sie denn da in sich gefunden?
    Hader: Ja, ich hatte den Eindruck, dass dieser Stefan Zweig in dem Drehbuch so eine rührende Figur ist, so ein – ein Stück weit auch eine tragisch-komische. Bei allem großen Unglück, es hat eine leise Komik auch – schon im Drehbuch gegeben. Dann hab ich einen kleinen Film gesehen, da steht Stefan Zweig bei einer Gartenparty bei den Salzburger Festspielen da, und eine Frau steht vor ihm mit einem Buch und sie redet auf ihn ein, das ist ein Fan, ja, und er steht so da und senkt den Kopf, ganz linkisch ist er und möchte am liebsten in den Erdboden versinken, weil ihm die Situation gerade so peinlich ist. Und da habe ich auch diese Berührung empfunden, und ich wollte ihn sofort beschützen. Und da habe ich mir gedacht, das ist vielleicht ein guter Ansatz für mich, warum ich den Zweig spielen sollte. Einfach weil ich einen emotionalen Zugang zu der Figur und zu der Person gefunden habe, und dann habe ich’s einfach gemacht.
    Fischer: Jetzt haben Sie zum ersten Mal selbst auch hinter der Kamera gestanden. War es schwieriger, als Sie dachten, oder leichter, also dieses Regie-Führen, alles zusammenhalten, Sie sind der Chef am Set und so weiter.
    Hader: Ich bin so veranlagt, dass ich mir immer alles sehr schwierig vorstelle und große Angst habe und immer Zweckpessimist bin, und mir denke, es wird ganz furchtbar. Ich habe mir alles Mögliche vorgestellt, aber ich habe mir nicht vorgestellt, dass es so schön werden würde. Es war so eine wunderschöne Arbeit mit diesem Team.
    Fischer: Sie sagten eben in Bezug auf Stefan Zweig: Da war schon so eine leise Komik in dem Skript aber umgekehrt ist es auch so: Komik geht auch nur, wenn das andere da ist. Wenn eine Melancholie da ist, eine Traurigkeit, oder? Wie ist das? Sie sind auch der Komiker auf der Bühne.
    Hader: Also, ich kann das getrennt gar nicht betrachten. Auch nicht schreiben. Wenn ich was schreibe, dann kann ich bewusst schon dosieren, ob eine Geschichte mehr lustige oder mehr traurige Anteile fordert. Aber dass ich eins weg lasse, das kann ich nicht. Offenbar würde das einen großen Teil dessen wegschneiden, wie ich das Leben empfinde. Drum kann ich das gar nicht, wenn ich schreibe.
    "Ich suche gerne das Politische im Privaten"
    Fischer: Sie sind ein – ich würde es nennen: "philosophierender Kabarettist". Sie sind ja keiner, der Donald-Trump-Witze auf der Bühne machen würde. Und das reizt Sie auch wirklich gar nicht?
    Hader: Ach doch, man kann schon mal einen machen dazwischen, das finde ich nicht so schlimm. Allerdings, wenn man nur solche Witze macht, dann ist es schwierig. Ich habe auch nix dagegen, wenn Politiker vorkommen im Kabarett. Ich finde, man kann gut politisch aktuelles Kabarett machen, und man kann gut diese andere Form machen, so wie ich sie meistens mache, dass man das Politische im Privaten, im Menschen entdeckt, im Einzelwesen sozusagen, das gibt’s beides in gut und in schlecht.
    Der Schauspieler und Kabarettist Josef Hader.
    Der Schauspieler und Kabarettist Josef Hader. (Tobias Hase/dpa)
    Fischer: Sie bekommen demnächst den Dieter-Hildebrandt-Preis der Stadt München verliehen, Sie kannten ihn ja, Sie sind auch zusammen aufgetreten. Und er machte ja explizit politisches Kabarett, das heißt, und Sie haben das eben gesagt, politisches Kabarett schätzen Sie schon, wenn Sie das bei Kollegen sehen?
    Hader: Absolut. Es gibt eben ein politisch aktuelles Kabarett, das analytisch ist, das dahinter geht, hinter die äußeren Erscheinungsformen. Die Medienwelt ist ja so organisiert: Es gibt ein Thema, manche schreiben, "es ist furchtbar, es ist ein Skandal!" Das geht so durch die Medien, zwei bis drei Wochen. Und dann, völlig folgenlos, ohne dass was passiert, ist das Thema wieder zu Ende, und es kommt ein neues. Und wenn jetzt eine Kabarettistin oder ein Kabarettist genauso funktioniert, und genauso auch so die Witze der Saison macht und nie dahinter schaut, dann, ja dann ist es ein Kabarett, das für nix gut ist, oder das vielleicht sogar populistisch ist ein bisschen. Weil es dieses dumpfe Bewusstsein bedient: "Die da oben sind die Schlechten, und hier im Kabarett sitzt der Gipfel der Zivilisation. Wir sind die Klugen und alle anderen sind die Trottel." Das find ich nicht so gut.
    "Diese Zeit ist sehr reizvoll für einen Kabarettisten"
    Fischer: Sie touren auch noch mit Ihrem Programm, aber Sie touren weniger, haben Sie gesagt, weil Sie jetzt auch noch so unglaublich viele Filme drehen. Wie ist das denn? Ruht das Kabarett innerlich, oder machen Sie sich schon mal hier und da Notizen, denn Sie sind ja ein Beobachter, und Sie können vielleicht nicht alles so lange behalten, was Ihnen in diesen bewegten Zeiten gerade so durch den Kopf geht?
    Hader: Ja, ich mache mir manchmal Notizen. Das ist eine ganz interessante, vielleicht auch eine Zeit, die uns Angst machen muss, aber auch eine Zeit, die natürlich unglaublich reizvoll ist für einen Kabarettisten. Weil man kann jetzt zumindest vorsichtig sagen, dass so etwas zusammenbricht, wie die Nachkriegszeit. Endgültig jetzt. Dass jetzt endgültig gewisse Dinge, auch weltordnungsmäßig, nicht mehr so sein werden wie seit '45. Und auch in den Demokratien gibt’s Dinge, die vor sich gehen. Es gibt neue politische Bewegungen, es gibt eine etablierte Politik, die noch nicht das Rezept gefunden hat, wie man heute Demokratie so gestalten kann, dass eine Mehrheit der Bürger wirklich interessiert ist. Das sind alles Vorgänge, die historisch betrachtet eigentlich, so traurig das klingt, ganz normal sind. Also wenn man über die Jahrhunderte schaut, der Historiker würde mit den Achseln zucken und würde sagen: So ist Geschichte, ne. Das sind alles ganz spannende Fragen, und ich denke, ich würde gerne eine Geschichte erzählen – ich bin ja eher Geschichtenerzähler – wo die Politiker gar nicht vorkommen, aber die diese Zeitstimmung irgendwie behandelt und sich was dazu überlegt. Darauf hätte ich schon große Lust.
    Fischer: Ich habe ja so das Gefühl, im Moment haben Sie vielleicht mehr Spaß am Filmemachen, Sie würden aus all dem vielleicht eher einen Film machen. Wie ist das? Kämpft das da gerade in Ihnen – Film, Kabarett, wofür schlägt mein Herz?
    Hader: Es ist, ganz banal gesagt, so, wenn das alles vorbei ist und die "Wilde Maus" im Kino ist und ich habe Zeit, dass ich dann einfach ein bisschen wohin fahre, wo es ganz ruhig ist, in die Natur. Und vielleicht nehme ich mir zwei Bücher mit, zwei kleine Schreibbücher. Und in ein Buch kommen die Ideen fürs Kabarett und ins andere die fürs Drehbuch. Und dann wär der Traum, ob man nicht gleichzeitig, aber in verschiedenen Blöcken hintereinander, das abwechselnd schreiben kann. Aber ich weiß nicht, ob sowas funktioniert. Ich muss es ausprobieren.