Kann zeitgenössische Kunst die Zukunft vorwegnehmen? Im Fall der Documenta-Aktion „7000 Eichen“ von Joseph Beuys lässt sich diese Frage eindeutig mit Ja beantworten. Und zwar nicht nur, weil die Grünen inzwischen in Deutschland mitregieren, sondern, weil angesichts der Klimakrise, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen das Gebot der Stunde ist. Als Joseph Beuys am 16. März 1982 symbolisch an der Spitze eines keilförmigen Haufens von Basaltsteinen vor dem Fridericianum die erste Eiche pflanzte, beschimpften ihn Kasseler Bürger als Scharlatan. Ein WDR-Reporter fragte den Künstler damals, ob ihn die Ablehnung verwundern würde. Beuys verneinte:
"Das hat mich nicht verwundert, denn sogar so eine vernünftige Sache wie das Pflanzen von Bäumen hat ja Proteste ausgelöst hier in Kassel. Also, wenn die Kunst an die Menschen herankommt heutzutage, vor allen Dingen mit ihren erneuernden Vorstellungen, dann haben schon Menschen ihre Schwierigkeiten oftmals damit. Das war mir immer klar. Da handelt es sich tatsächlich um Begriffs- und Bewusstseinserweiterung.“
Wie ein "Friedenshase" das Projekt finanzierte
Der Künstler hatte im Rahmen der "documenta 7" ein langfristig angelegtes, partizipatives Bürgerprojekt ins Leben gerufen, das mit einem finanziellen Aufwand von rund 4,5 Millionen D-Mark auch sein größtes wurde. Für seine Aktion hatte Beuys vielfältige Fundraising-Projekte ersonnen. Unter anderem schmolz er öffentlich ein Imitat der Zarenkrone Iwan des Schrecklichen ein und transformierte das Symbol autoritärer Herrschaft in einen „Friedenshasen“ und eine kleine Goldsonne. Der Verkauf der Skulptur an einen Kunstsammler brachte dem Projekt eine sechsstellige Summe ein.
"Der Hase ist das Zeichen der Bewegung, ganz besonders in der eurasischen Steppe zwischen Ost und West und West und Ost. Wir werden also dieses friedliche Tierchen, was ja auch jedes Kind kennt, zum Friedenssymbol machen. Da sind wir allerdings verpflichtet das Problem von Ost und West und West und Ost auch zu lösen. Und das haben wir uns vorgenommen.“
Kunst bedeutete für Beuys Transformation
Erst heute wird die ganze Dimension von „7000 Eichen“ sichtbar. Die Lösung politischer Fragen sei in erster Linie eine Kreativitätsfrage, war Joseph Beuys überzeugt, das Kapital des Menschen liege in seinen geistigen Fähigkeiten. Die würden aber nur zur Entfaltung kommen, wenn die Menschen ein besseres Verhältnis zur Natur entwickeln würden. Beuys knüpfte bei allem, was er machte, an seine lange Beschäftigung mit organischen Prozessen und Energieflüssen an. Seine berühmte "Fettecke" gehört zu solchen Werken. Kunst war für ihn Transformation. „7000 Eichen“ transformierte nicht nur das Stadtbild, die Aktion löste auch in den Menschen eine Reaktion aus:
"Ich fand die Idee ganz toll, diese ganzen Bäume hier in diese tote Stadt zu pflanzen. Wir haben unserem Patenkind zur Geburt tatsächlich eine gekauft und die steht auch noch in der Friedrich-Ebert-Straße, und wir schauen immer, ob sie wächst und gedeiht, und das tut sie. Und das zeigt mir auch, wie die Zeit vergeht, und wie alt er mittlerweile geworden ist.“
Beuys ging es um mehr als eine ökologische Maßnahme
Das Ende der Aktion "7000 Eichen" erlebte Joseph Beuys selbst nicht mehr. Die letzte Eiche pflanzte sein Sohn Wenzel im Sommer 1987. Damit war auch der über fünf Jahre langsam abschmelzende Berg der 7.000 Basaltsteine verschwunden, der sich vor dem zentralen Ausstellungsgebäude der Documenta aufgetürmt hatte. Neben jedem im Stadtraum gepflanzten Baum sollte eine solche, etwa ein Meter zwanzig hohe Stele stehen. Bei einer Veranstaltung im April 1982 in Bonn betonte Joseph Beuys, dass es ihm nicht allein um die „Biosphärennotwendigkeit“ ginge, sondern „um die Umgestaltung des ganzen Lebens“. Die Pflanzaktion sei nur ein symbolischer Anfang:
"Denn ohne Zusammenhang zu dem, was die gesellschaftlichen Vorstellungen sind, also ohne das, was in Bonn passiert, was im Weißen Haus passiert, was in Moskau passiert, lässt sich die Kunst heute nicht mehr begreifen.“
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Josephs Beuys Idee einer gesellschaftlich wirksamen Kunst scheint nicht mehr utopisch. Zumindest im Bereich der Kunst, die sich zunehmend politischen Themen zugewandt hat. Beuys dachte seine Aktionen aber demonstrativ als Plastik, als Soziale Plastik. Im Mittelpunkt seines Werks stand der Mensch als Teil der Natur, der seine sozialen Bedingungen reflektiert und auch verändern kann. In diesem Sinne ist Beuys‘ berühmtes Diktum „Jeder Mensch ist ein Künstler“ zu verstehen. Nicht gemeint war, dass jeder Maler oder Bildhauer werden sollte, sondern dass in jedem die Fähigkeit steckt, im Alltag kreativ zu werden.