Joseph Pulitzer, 1847 in Ungarn geboren, war in erster Linie ein Abenteurer, ein klassischer Selfmade-Unternehmer, ein Mann mit Gespür für die Bedürfnisse seiner Zeit. Mit gerade 17 Jahren betrat Pulitzer 1864 den amerikanischen Kontinent - ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Er hatte als Söldner im amerikanischen Bürgerkrieg angeheuert. Doch sein Glück war die deutsche Sprache. Die deutschstämmige Bevölkerung war zu dieser Zeit noch nicht komplett assimiliert und es gab eine Vielzahl deutschsprachiger Publikationen.
Und so fing Pulitzer kurz nach Ende des Krieges als Mädchen für alles bei der Westlichen Post in St. Louis an. Dort machte er schnell Karriere und fuhr zweigleisig: Er mischte auch aktiv in der Politik vor Ort mit. Er kaufte und verkaufte Anteile von Zeitungen, bis er mit der Gründung der St. Louis Post-Dispatch die Formel für eine erfolgreiche Abendzeitung gefunden hatte: Klatsch aus der Stadt - kombiniert mit investigativen Stories, die korrupte Vorgänge in Politik und Verwaltung anprangerten. Viele Freunde machte sich Pulitzer damit nicht, aber er fand viele Leser und eine bis heute gültige Formel für Journalismus.
"Eine Nachricht ist erst dann eine Nachricht, wenn der zweite Blick den ersten Blick bestätigt."
Erste Investigativ-Reporterin engagiert
Bald eroberte Pulitzer auch New York. Seine The Evening World wurde zur auflagenstärksten Abendzeitung. Der wendige Pulitzer führte viele bis heute gebräuchlich Tageszeitungsrubriken ein: die Sportseiten, die Modeberichterstattung und Comics. Auf "The Yellow Kid" - eine der ersten farbig gedruckten Comicserien der Pulitzerzeitungen - geht der Begriff der Yellow Press zurück, der englische Ausdruck für Sensationspresse. Pulitzer war es auch, der Nellie Bly engagierte, die erste investigative Reporterin der Geschichte. Undercover recherchierte sie beispielsweise Missstände in einem New Yorker Asyl für nervenkranke Frauen.
"Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keinen Trick, keinen Schwindel, kein Laster, das nicht von Geheimhaltung lebt. Bringt diese Heimlichkeiten ans Tageslicht, beschreibt sie, macht sie vor aller Augen lächerlich. Und früher oder später wird die öffentliche Meinung sie hinwegfegen."
Der Boulevard-Kampf um New York
Doch war Pulitzer in der Wahl seiner Mittel nie ein Kind von Traurigkeit gewesen - die Auseinandersetzung mit seinem Hauptkonkurrenten William Randolph Hearst um die Zeitungsmetropole New York ließ Ende des 19. Jahrhunderts alle Schranken fallen. In jenen "Goldenen Tagen des Printjournalismus", in denen mehrere Ausgaben täglich gedruckt, von den Zeitungsjungen auf der Straße ausgerufen und an den Leser gebracht wurden, verdoppelten sich die Auflagen.
Und: Hearst wie Pulitzer versuchten mit wahren, aber auch mit gefälschten Sensationsmeldungen die "kleinen Leute" auf ihre jeweilige Seite zu bringen. Höhepunkt: der Aufstand der Kubaner gegen die spanische Kolonialmacht und der daraus folgende amerikanisch-spanische Krieg von 1898. Die Kubaner wurden zu Opfern einer rücksichtslosen Kolonialmacht stilisiert - und die US-Amerikaner als ihre Retter. Bis heute ist nicht geklärt, ob es nur die Pressepropaganda war, die die USA in den Krieg führte. Doch den Auflagen geschadet hat es nicht.
Und dann Qualitätsjournalismus
Allein: Pulitzer setzte nach dem Konflikt lieber wieder auf gut recherchierte Stories - vielleicht auch, weil die Hearst-Presse derart skrupellos vorging, dass man sie auf lange Sicht schlecht in dieser Hinsicht übertrumpfen konnte. Sein letzter große Erfolg: die Aufdeckung des Bestechungsskandals um den Panama-Kanal, in den auch US-Präsident Theodore Roosevelt verwickelt war. Im Verleumdungsprozess gegen Pulitzer blieb dieser siegreich - doch lange konnte er sich nicht darüber freuen.
Zwei Jahre später, 1911, starb Pulitzer - aus seinem Erbe wurde nicht nur die Columbia School of Journalism gegründet, sondern auch der gleichnamige Preis ins Leben gerufen. Und so erinnern wir uns jährlich nicht an den grandiosen Unternehmer und Miterfinder der Sensationspresse, sondern an den Mann, der dem investigativen Qualitätsjournalismus den Weg geebnet hat.