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Joss Stone
Sängerin oder Geschäftsfrau?

Drei Jahre ist es her, dass Joss Stone ihr letztes Album herausgebracht hat. Die Sängerin, die vor allem für die Interpretation von Soulstücken bekannt ist, meldet sich jetzt mit Reggae-Klängen zurück und verspricht "Wasser für die Seele" – "Water For Your Soul" – so der Titel ihres Albums.

Von Juliane Reil |
    A picture dated 19 July 2014 shows British singer Joss Stone performing during a concert at the Mares Vivas music festival 2014, in Vila nova de Gaia, Portugal. The festival ran from 17 to 19 July.
    Die britische Sängerin Joss Stone bei einem Konzert (picture alliance / dpa / Estela Silva)
    In einfachen Blue Jeans sitzt Joss Stone neben mir auf dem Sofa und lächelt. Keine Spur von den Allüren eines Superstars. Stattdessen denkt sie laut über ihr langes, blondes Haar nach. Nie mochte sie es abschneiden, wie sie sagt, seit sie ein Teenager ist. Damals beginnt die Karriere des außergewöhnlichen Gesangtalents.
    "Als ich gerade meinen ersten Plattenvertrag hatte und nach Amerika ging – jung und unerfahren – sagten die Leute: "Aber Joss, was Du da singst, ist Black Music." – "Achso? Ich dachte, es wäre einfach nur Musik." Für mich gab es keine Unterschiede. Es war Musik, Musik, Musik.
    So liebenswert und sympathisch ihre Naivität als junge Musikerin ist, so nachdenklich stimmt diese Haltung heute, 15 Jahre später, bei einer Frau, die sich als millionenschwere Marke etabliert hat und sich anscheinend doch über die eigene Rolle im Musikgeschäft immer noch nicht klar ist.
    "Bin ich eine Geschäftsfrau oder nur eine Künstlerin, die auf die Hilfe anderer hofft, um etwas zur Kunst beizutragen?"
    Eine gewisse Unbestimmtheit führt sich leider auch auf dem neuen Album „Water For Your Soul" fort. Dort wendet sich die Sängerin nach Ausflügen in den Soul, R&B und Funk nun dem Reggae zu. Allerdings entsteht der Eindruck, dass das Genre eher zufällig gewählt ist.
    "Ich denkemein Bezug zur Reggae-Musik ist der gleiche wie zu jeder anderen. Ich mag einfach Musik, ganz gleich ob Reggae oder Soul. Als Ich mit Damien Marley gearbeitet habe, zeigte ich ihm einige meiner Songs und fragte: "Na, was denkst Du?" Er meinte: "Joss, die sind großartig. Du solltest ein Reggae-Album machen!"
    So war also die Idee für die neue Platte geboren. Ideengeber und jüngster Sohn von Reggae-Legende Bob Marley ist ein alter Bekannter der Sängerin. Nun ist der Jamaikaner auch selbst auf ihrem aktuellen Album zu hören.
    Aber wo ist denn nun die tiefergehende Auseinandersetzung der Künstlerin Joss Stone mit dem Reggae? Vielleicht dort, wo ihre Stärke liegt? In der Stimme?
    "Meine Stimme ist keine Reggae-Stimme im traditionellen Sinne. Ich komme nicht aus Jamaica, wo gerade der Sänger und der einheimische Dialekt viel von der Musik ausmachen. Deshalb sage ich auch, strenggenommen ist es kein Reggae-Album – schon allein, weil ich den Dialekt nicht spreche."
    Eine Soulsängerin also, die lediglich mit dem Sound von Reggae spielt. Angesichts ihres Könnens ist das schade, weil man ihr mehr zutrauen und sich als Hörer auch mehr wünschen würde. Ansonsten setzt sie auf Altbewährtes: Streicher, die an Motown erinnern, und lässige Hip-Hop Beats.
    Damit aber nicht genug. Auch noch Anklänge von Weltmusik werden bemüht. So zum Beispiel irische Folklore mit Samba-Rhythmen. Ist dieser Genre-Mischmasch jetzt also das Wasser für die Seele, wie es der Titel "Water For Your Soul" verspricht?
    "Water for your soul" meint, was immer Dir gut tut und Dir hilft, glücklich im Leben zu sein – ob das nun Essen, ein Film oder Kreativsein ist. Ich glaube, dass wir uns regelmäßig etwas Gutes tun, uns ein Geschenk machen müssen.
    Ein Geschenk, das allerdings nicht die Künstlerin den Fans macht, sondern eher umgekehrt die Fans der Künstlerin – indem sie das Album nämlich kaufen und nicht illegal im Netz runterladen. Obwohl selbst das in der Logik der Sängerin zum Liebesbeweis werden könnte.
    "Aus meiner Sicht sind illegale Downloads nicht schlimm. Im Gegenteil. Sie sind eine Qualitätskontrolle für uns als Künstler, noch bessere Musik zu machen. Wirkliche Musikliebhaber laden die Musik vielleicht umsonst runter, aber wenn sie sie wirklich mögen, bezahlen sie später auch dafür."
    Sagt die 28-Jährige in einem fast kindlichen Glauben, der einen verblüfft und ratlos zurücklässt. Schließlich ist sie Labelbesitzerin und eine der bestverdienenden Sängerinnen weltweit.
    "Water For Your Soul" bietet eine neue Klangfarbe der Musikerin, die ihr Spektrum an Stilen im Bereich der Black Music über die Jahre sukzessive erweitert hat und stimmlich souverän wirkt.
    Trotzdem bleibt Joss Stone hinter ihrem Potential als gereifte Künstlerin zurück, die sie mittlerweile eigentlich sein könnte.
    Wie "seelenvoll" das neue Album wirklich ist? Darüber lässt sich trefflich streiten. Als gut gemachte Unterhaltung funktioniert es allemal, sodass die Rechnung – wenn schon nicht für die Künstlerin – so doch für die Geschäftsfrau vermutlich aufgehen wird.