Helene, Sophie und Ann-Kathrin befinden sich gerade mitten im Volontariat beim Bayerischen Rundfunk, als die Informationsdirektion des Senders mit einer Bitte auf sie zukommt: "Hey, es gibt da eine Zielgruppe, die wir gerne erreichen würden. Macht doch mal was für die."
Die drei Frauen grübeln zehn Tage lang. Am Ende steht die Idee: Nachrichten auf Instagram, aus dem Herzen einer Münchner Wohnung. Moderiert von den Mitbewohnern der Wohngemeinschaft, Helene und Max. Die Geburtsstunde der "News-WG".
Die EU in 15-Sekunden-Häppchen
"Ab heute wird sich unser WG-Alltag so dermaßen verbessern." - "Du musst nicht jeden Tag eine Zeitung fressen, um Europa zu verstehen." - "Bei uns gibt es ab jetzt jeden Mittwoch EU-Training in 15-Sekunden-Häppchen, mit dem perfekten Trainingsplan."
Ann-Kathrin Wetter: "Also wir haben relativ schnell gemerkt, dass wir gerne auf Instagram wollen und müssen, weil da die Zielgruppe ist, die wir erreichen wollen. Und wir wollten dort sein auf eine Art und Weise, die nicht raussticht negativ und auffällt, sondern die sich da ganz gut reinschmiegt."
Recherche vom Bett aus
Ann-Kathrin Wetter ist von Anfang an bei der "News-WG" dabei und mittlerweile als Redakteurin für den Kanal zuständig. Sie sagt, die Abläufe in dem neuen Format würden eigentlich denen einer konventionellen Redaktion ähneln. Nur die Umsetzung unterscheide sich. Alles findet in den vier Wänden der WG statt:
"Ich sitze zum Beispiel jetzt auch, wie fast immer, bei Helene im Bett und recherchier von hier und telefonier von hier und mach meine Sachen von hier."
Selbstkritik erlaubt
Im Bett oder am Küchentisch – in der WG passiert alles: Themenauswahl für die kommende Woche, Videodreh, Schnitt, Interaktion auf Instagram mit den Fans des Kanals. Wichtig ist dem Team: einfach Nachrichten dem Publikum erklären und auch mal selbstkritisch sein.
"Und auf der anderen Seite, ist es die Art und Weise, wie wir uns als Nachrichtenvermittelnde sehen, dass wir auch mal zugeben, wenn wir selber ein Thema noch gar nicht sofort mitbekommen haben dann, wenn es passiert ist, sondern erst drei Tage später."
Und deswegen könne man auch mal zugeben, wenn man am Wochenende lieber feiern war, anstatt pausenlos den Newsticker zu verfolgen.
"Leute, es war ein langes, hartes Wochenende und ich wollte heute eigentlich mal einen ganz entspannten Start in die Woche hinlegen, aber was in Österreich am Wochenende abging, war einfach zu krass. Da hat ein Video die komplette Regierung gesprengt."
"Trugschluss, dass Instagram so oberflächlich ist"
Am Anfang wurden die jungen Journalistinnen für ihre Idee noch häufig belächelt, erklärt Ann-Kathrin Wetter. Zu verkürzt, zu einfach – diesen Vorwürfen entgegnet sie:
"Das ist ja immer der Trugschluss, dass Instagram so oberflächlich ist. Unsere Storys sind ja nicht 15 Sekunden lang, sondern die sind teilweise sogar richtig lang, wenn man die sich anschaut, und die Leute bleiben aber trotzdem dran. Und das machen wir mit den Mitteln, allen, die Instagram bietet und mit dem Storytelling, dass wir als Journalisten im Volontariat gelernt haben."
Und das sei schlussendlich auch das Geheimnis. Auch wenn die Storys improvisiert rüberkommen: Das Ganze ist kein Zufall, Handlung und Dialoge gibt die Redaktion vor. Das kommt bei der Zielgruppe an.
Ein Viertel der Jüngeren liest Nachrichten auf Instagram
Dass die junge Zielgruppe Nachrichten lieber auf Instagram statt in der Tageszeitung liest, bestätigt auch der Digital News Report des Reuters Instituts. Dem Bericht zufolge konsumiert fast jeder Vierte zwischen 14 und 24 Jahren Nachrichten auf Instagram. Eine kurze Umfrage bestätigt diesen Trend:
"Weil's bei Instagram schön aufbereitet ist und ich halt in kurzer Zeit erkennen kann: Was ist die Nachricht? Und wenn ich mich dann noch mehr dafür interessiere, kann ich noch auf einen Link klicken und weiterlesen. Aber durch einmaliges Durchscrollen am Morgen von meinem Feed und meinen Storys bin ich schon relativ gut informiert mit kurzen Schlagworten, was eben passiert ist."
"Für mich persönlich eher Nachrichten und Informationen. Das ist auch der Grund, warum ich Instagram überhaupt noch behalte, ansonsten hätte ich es, glaube ich, schon deinstalliert."
"Seit ich euch folge, habe ich wieder voll Bock auf Politik"
Die "News-WG" vom Bayerischen Rundfunk erreicht mit ihren Inhalten auf Instagram mittlerweile über 43.000 Abonnenten. So bringen sie ganz beiläufig Nachrichten an ihre Follower: Zwischen Katzenvideo und Foodblog holt der Instagram-Kanal das junge Publikum auf Augenhöhe ab. Vor allem über das Feedback der Community freut sich Ann-Kathrin Wetter.
"Wir kriegen unfassbar viele Direktnachrichten, von Leuten, die uns schreiben: 'Hey, seit ich euch folge, habe ich wieder voll Bock auf Politik. Und seit ich euch folge, habe ich nicht das Gefühl, zu dumm für Nachrichten zu sein.' Und das ist so das, was uns tatsächlich tagtäglich halt einfach voll antreibt, ne."