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Journalismus bei Instagram
Die interaktiven Storyteller

Seit Instagram vor zehn Jahren gegründet wurde, hat sich die Plattform immer weiter verbreitet und entwickelt. Mit Funktionen wie den "Stories" ist das soziale Netzwerk auch für journalistische Medien interessanter geworden. Sowohl traditioneller Journalismus als auch neue Formate erreichen dort ein junges Publikum.

Selina Bettendorf im Gespräch mit Michael Borgers / Text: Isabelle Klein |
Der Schriftzug «Instagram» ist über der geöffneten App des Fotonetzwerks auf einem Display eines Smartphones zu sehen.
Am 6. Oktober 2010 ging die Plattform Instagram an den Start (dpa / picture alliance / Silas Stein)
Seit seinem Start im Jahr 2010 und der Übernahme durch den einstigen Konkurrenten Facebook zwei Jahre später hat sich Instagram immer wieder neu erfunden. Das soziale Netzwerk erreicht laut Statista weltweit rund 500 Millionen täglich aktiver Nutzerinnen und Nutzer (2018). Neben Privatpersonen können Unternehmen und Organisationen, Politiker und Parteien, Prominente und Influencer, aber auch Medien Fotos und Videos teilen, kommentieren und in Interaktion mit anderen Nutzern treten.
Neben WhatsApp und Facebook gehörte Instagram laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2019 auch in Deutschland zu den relevantesten Social Media-Plattformen. Demnach nutzen nicht nur 13 Prozent der Bevölkerung Instagram, die Plattform weist im Vergleich zu allen anderen Social Media-Angeboten auch die höchste Nutzungssteigerung auf. Laut Studie sind dort vor allem unter 30-Jährige aktiv. Das macht Instagram nicht nur für Wirtschaft und Politik interessant, sondern auch für die Medien, die mit journalistischen Inhalten punkten möchten.
Laut Digital News Report 2019 des Reuters Instituts ist zwar insgesamt immer noch Facebook das soziale Medium, über das Nutzerinnen und Nutzer am ehesten in Kontakt mit Nachrichteninhalten kommen - diese Entwicklung sei in Deutschland jedoch rückläufig. Anders Instagram: Laut Report ist die Facebook-Tochter in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen das soziale Medium, das am häufigsten auch im Zusammenhang mit Nachrichten verwendet wird - noch vor Facebook und YouTube.
Zwei gerollte taz-Ausgaben liegen ineinander und zeigen einmal ein altes und einmal da neue Layout.
Mediennutzung - Online, Print, egal
Die Berliner "taz" könnte langfristig nur noch online erscheinen. Für die Leser mache das kaum einen Unterschied, meint der Sozialpsychologe Kai Sassenberg im Dlf-Interview. Die Rezeption verändere sich durch die Art des Mediums nur minimal.
Digitale und traditionelle Medien bei Instagram
Ohne Instagram kommt kaum noch ein Medium aus, das eine junge Zielgruppe erreichen möchte. Daher sind nicht nur digitale Medienunternehmen wie die Marken des US-amerikanischen Portals Buzzfeed (1,4 Mio. Instagram-Abonnenten bei "Buzzfeed News"; diese und alle folgenden Zahlen: Stand Oktober 2020), das englischsprachige Politikportal "Vox" (575.000 Instagram-Abonnenten) oder das deutschsprachige News-Portal "Watson.de" (15.000 Instagram-Abonnenten) mit verschiedenen journalistischen Formaten bei Instagram vertreten.
Auch viele traditionelle deutsche Medien setzen mittlerweile auf Instagram - um ihre Recherchen und Beiträge auf der Plattform einer jungen Zielgruppe zu präsentieren, aber auch mit eigenen Formaten. Neben öffentlich-rechtlichen Sendern und Sendungen wie "Tagesschau" (2,2 Mio. Instagram-Abonnenten) oder auch der Deutschlandfunk (235.000 Abonnenten) bieten beispielsweise das Magazin "Der Spiegel" (knapp 700.000 Instagram-Abonnenten), die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (376.000 Instagram-Abonnenten) oder auch Lokalmedien wie die "Leipziger Volkszeitung" (33.600 Instagram-Abonnenten) journalistische Inhalte auf der Plattform an.
Instagram Only-Formate
Vor allem Funk, das junge Content-Netzwerk der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland, setzt verstärkt auf Inhalte, die ausschließlich für Instagram produziert werden. Eines der ältesten Formate "Mädelsabende" vom WDR hat mittlerweile 176.000 Abonnenten und veröffentlicht täglich "Stories" zu einem wöchentlich wechselnden Oberthema.
Ähnlich verfährt die "News WG" vom BR/Funk, in der junge Moderatorinnen und Moderatoren Nachrichtenthemen präsentieren. Die Produktion der Inhalte gleiche in den Abläufen der konventioneller Redaktionen, so die zuständige BR-Redakteurin Ann-Kathrin Wetter 2019 im Deutschlandfunk. Nur die Umsetzung unterscheide sich.
Das Moderationsteam der News-WG Max Osenstätter, Sophie von der Tann und Helene Reiner (von links nach rechts)
"News WG" - Nachrichten aus der Instagram-WG
Aktuelle Nachrichten, jung verpackt: Das ist das Instagram-Format "News-WG". Volontärinnen des Bayerischen Rundfunks haben es entwickelt und produzieren die Stories bis heute in ihrer Wohngemeinschaft.
Waren es im Juni 2019 noch rund 43.000 Abonnentinnen und Abonnenten, die der "News WG" bei Instagram gefolgt sind, hat sich die Zahl im Oktober 2020 mehr als verdoppelt: auf mehr als 94.000.
Redaktionen vor neuen Herausforderungen
Vielen Redaktionen sei bewusst, dass Instagram die Plattform sei, um junge Menschen zu erreichen, sagte die Journalistin Selina Bettendorf im Dlf. Sie ist Autorin des Buches "Instagram-Journalismus", das im Springer VS Verlag erschienen ist.
Doch viele stünden noch vor Problemen: Ihnen fehle noch das Know How, das geeignete Personal und eine entsprechende Finanzierung, um Journalismus auf Instagram gut umzusetzen. Dabei biete vor allem die Funktion der "Stories" mit einer Mischung aus verschiedenen Elementen wie Texten, Bildern und Videos viel Potential für Medien.
Newsfeed, "IGTV" und "Stories"
Wie die journalistischen Formate bei Instagram aussehen, ist stark von den Tools abhängig, die Instagram in den vergangenen Jahren nach und nach entwickelt hat und anbietet. Die Plattform ging vor zehn Jahren zwar als bildzentriertes soziales Netzwerk an den Start, hat sich aber mehr und mehr in Richtung Bewegtbild weiterentwickelt.
Die Anwendung "IGTV" bietet Videos im Hochformat, die Instagram-"Stories" erinnern an das soziale Netzwerk Snapchat und die im August 2020 in Deutschland gestartete Anwendung "Reels" ist stark an die Funktionen der chinesischen App "TikTok" angelehnt.
Die App Reels von Instagram im Display eines Smartphones. Die App soll als Konkurrenzprodukt zu TikTok auf dem Markt platziert werden.
Instagram-App Reels - "Eine schlechte Tiktok-Kopie"
Donald Trump will die chinesische App TikTok in den USA verbieten lassen. Für den Fall hat Instagram "Reels" an den Start gebracht. Multimediajournalist Marcus Bösch fällt ein vernichtendes Urteil.
"Für professionellen Instagram-Journalismus müssen Sie drei Bereiche beachten. Zum einen den allgemeinen Auftritt Ihres Medienunternehmens, dann die Arbeit im Newsfeed und schließlich den Journalismus in den Instagram-Stories", schreibt Selina Bettendorf in ihrem Buch, das in Auszügen im Magazin "Fachjournalist" erschienen ist.
Die meisten Medien präsentieren ihre Inhalte meist mit einem Mix aus klassischen Fotos, Grafiken oder Zitatkacheln in ihrem Newsfeed, "Stories" oder "IGTV"-Videos - mit jeweils verschiedenen Schwerpunkten.
Während beispielsweise "Mädelsabende" eher auf die "Stories" setzt, bietet der Account "Deutschland3000" (ebenfalls von Funk; 84.500 Abonnenten) vor allem "IGTV"-Videos an, die in angepasster Form auch beim sozialen Netzwerk Youtube veröffentlicht werden.
Interaktion mit den Nutzerinnen und Nutzern
Allen Instagram-Formaten gemein ist der starke Fokus auf interaktive Elemente. Während Nutzerinnen und Nutzer unter Beiträgen im Newsfeed kommentieren und Nachfragen stellen können, bietet die Anwendung "Stories" gleich mehrere Interaktionsmöglichkeiten: von der Umfrage bis zum Quiz. Außerdem werden ähnlich wie beim Sozialen Netzwerk Twitter auch bei Instagram sehr rege Hashtags und Verlinkungen anderer Accounts genutzt.
In ihrem Leitfaden für Instagram-Journalismus empfiehlt Bettendorf Medien, regelmäßig die Interaktionsfunktionen zu nutzen, um die eigene Community einzubinden sowie auf neue Trends einzugehen. Vor allem aber gehe es, wie auch beim klassischen Journalismus, um die Geschichte:
"Wie bei Zeitungsartikeln ist auch bei den Stories wichtig, dass Sie eine Geschichte mit rotem Faden erzählen. Wechseln Sie hierfür Texte, Bilder, Videos, Fakten und emotionale Inhalte ab. Die Nutzer bekommen durch den roten Faden und Ihr professionelles Erzählen einer Geschichte einen Mehrwert, den sie von Influencern auf der Plattform nicht bekommen", schreibt Bettendorf in ihrem Leitfaden.