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Journalismus in Mittel- und Osteuropa
Kampf gegen staatliche Propaganda

Alleine in Serbien sollen 3.000 Menschen – sogenannte Trolle – im Dienst des Staates in sozialen Netzwerken Stimmung machen. Sie verbreiten Unwahrheiten und hetzen. Auch in anderen Ländern Osteuropas haben es Journalisten schwer, gegen Desinformationskampagnen anzukommen.

Von Gesine Dornblüth |
"Russen und Serben sind für immer Brüder" - in Kaliningrad bezeugt eine Wandmalerei die Freundschaft beider Länder.
"Russen und Serben sind für immer Brüder" - in Kaliningrad bezeugt eine Wandmalerei die Freundschaft beider Länder (picture alliance/Vitaly Nevar/TASS/dpa)
Im Frühjahr 2018 machte ein Video auf ungarischen Facebook-Seiten die Runde: Es zeigte den angeblichen Angriff von Muslimen auf eine christliche Kirche; verbreitet vor allem von ungarischen Regierungspolitikern und von regierungsnahen Medien. Ministerpräsident Viktor Orban setzt bekanntlich auf Ressentiments gegen Einwanderer, um sich Wählerstimmen zu sichern. Das Video war allerdings eine Fälschung, das Video stammte aus einer Überwachungskamera in den USA.
"Dort sind zwei schwarze Jugendliche in eine katholische Kirche eingebrochen und haben etwas gestohlen. Ungarische Propagandisten haben eine Tonspur mit 'Allah Akbar'-Rufen auf das Video gelegt", sagt der Journalist Szabolcs Panyi von der Investigativ-Plattform "direkt36" aus Ungarn. "Einige Journalisten, auch ich, fanden das merkwürdig, und mit ein paar Online-Instrumenten haben wir herausgefunden, dass das Video manipuliert war. Aber da hatten es schon Zehntausende gesehen." Panyi spricht von groß angelegten Desinformationskampagnen der ungarischen Regierung und ihr nahestehenden Medien.
Wachsender Einfluss Chinas
Propaganda ist auch in anderen Ländern Zentral- und Osteuropas ein Problem. Die bulgarische Politologin Rumena Filipova hat eine Studie zum Einfluss russischer Desinformation auf die Länder der Schwarzmeerregion verfasst. In Bulgarien, so Filipova, gehörten viele Medienunternehmen Oligarchen, die Russland nahestehen. Und diese Besitzverhältnisse führten häufig zu einer extrem kremlfreundlichen Berichterstattung. Die Direktorin der bulgarischen Wochenzeitung "Rusia Dnes", auf Deutsch "Russland heute", erhielt sogar eine Auszeichnung der russischen Regierung.
Die Politologin Filipova: "Aber es gibt noch einen zweiten großen externen Einflussfaktor bei der bulgarischen Medienszene, und das ist China. 'Rusia Dnes' hat seit einiger Zeit auch eine chinesische Ausgabe, 'China heute', und da zeigt sich, dass China die russischen Netzwerke in Bulgarien nutzt, um seinen Einfluss auszuüben." In der Zeitschrift wird China als die aufsteigende Macht gelobt, die die liberale, von den USA geführte Weltordnung herausfordert.
Viel russische Propaganda in Serbien
In Serbien kämpft Stefan Janjic gegen Falschmeldungen und, wie er sagt, für die Wahrheit. Er arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Tragac, die Medienberichte auf Fakten überprüft. In Serbien gäbe es viel russische Propaganda, sagt Janjic. Allerdings werde die von Serben gemacht, aus kommerziellem Interesse. Denn Putin verkaufe sich. "Wenn Sie die Titelseiten unserer Boulevardblätter sehen, denken Sie nicht, dass Wladimir Putin Präsident von Russland ist, sondern russischer Minister für die Beziehung zu Serbien. Ihm werden dauernd Fake-Äußerungen in den Mund gelegt wie: 'Ich lasse euch nicht im Stich' oder 'Ich bringe Kosovo nach Serbien zurück'. Die Leute lieben Putin, und sie lieben Russland. Wir haben auch ein ganzes Bündel von Zeitschriften über russische Medizin, die heißen 'Russischer Doktor' oder 'Russische Arznei', mit Fake-Rezepten, die gesundheitsgefährdend sein können."
Wie aber mit solchen Phänomenen umgehen? Welche Fakes sind wichtig genug, um sie zu entlarven? Welche sollte man als Journalist ignorieren, um sie nicht noch aufzuwerten? Der Ungar Szabolcs Panyi hat sich eine Regel gesetzt: "Wenn Geld von Steuerzahlern für 'Fake News'-Kampagnen genutzt wird, dann ist das ein Thema, besonders für Investigativjournalisten. In Ungarn wurden einige Medien, die das gefälschte Video über den angeblichen Angriff von Muslimen auf Christen verbreitet haben, zuvor mit sehr günstigen Krediten staatlicher Banken gekauft, und ihre Besitzer haben dann den Wahlkampf der Regierung unterstützt."
Journalisten nennen Kollegen "politische Akteure"
Panyi wurde auch selbst schon mehrfach Ziel von Desinformationskampagnen. In sozialen Netzwerken stand, er sei ein Agent der CIA. Panyi versucht, nicht darauf zu reagieren, sich lieber auf seine Arbeit zu konzentrieren. Zumal die andere Seite ohnehin mehr Geld und mehr Ressourcen habe.
Szabolcs Panyi aus Ungarn ist noch eines wichtig: "Die Journalisten, die nicht zum regierungsnahen Medien-Netzwerk gehören, haben aufgehört, diejenigen, die für die staatlichen Agenturen und für das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Ungarn arbeiten, als Kollegen zu bezeichnen. Sie bezeichnen sie als politische Akteure. Das ist ein guter Ansatz, denn diese Leute machen keinen Journalismus, sondern Propaganda."