David Schraven hat es geschafft. Jahrelang hat der Journalist seine Recherchen im Wesentlichen nur für die Essener "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", die WAZ, aufbereitet – Skandale aus dem Ruhrgebiet, Machenschaften der Politik. Am Ende wollte er aber mehr: irgendwie der Gesellschaft dienen. Und genau damit legt er dieser Tage in Berlin los. Sein Projekt: ein Verein namens Correctiv.
"Wir wollen uns auf strukturelle Missstände beschränken oder konzentrieren, wo man mit sehr viel Aufwand über einen sehr großen Zeitraum versuchen muss, die Geschichten hinter den auffälligen Seiten zu finden. Um das klar zu machen: Wir wollen nicht der fünfte sein, der Snowden aufdeckt. Wir wollen die ersten Sein, die Sparkassen-Strukturprobleme aufdecken."
Strukturprobleme statt Skandalhäppchen – das ist das Ziel von Correctiv. Und das besondere dabei: Die Redaktion bietet ihre Recherchen ganz unterschiedlichen Medien an, mal einer Zeitung, mal einem Sender, mal einem Online-Portal. Alle sollen eine Chance haben. Schraven glaubt, dass es das dringend braucht.
"Weil wir halt neue Wege beschreiten, Journalismus zu verbreitern, bürgernäher zu machen und journalistische Formen für jeden erreichbar und erfahrbar zu machen – und auch für Medien, die sich im Moment aufwendige Recherchen nicht mehr leisten können, einen Weg zu zeigen, wie sie doch an große Geschichten kommen."
"Unser Bestreben ist es, Wissen zu verbreitern"
Das erste Geld bekommt Correctiv von der Brost-Stiftung, hinter der wiederum ein Teil der einstigen WAZ-Gründer steht. Drei Millionen Euro ist der Einrichtung der Einstieg in den stiftungsfinanzierten Journalismus wert. Weitere Partner werden gesucht. Jeder kann Mitglied werden. Und noch etwas ist an diesem Projekt sehr besonders: Correctiv ist nicht nur Verein statt Konzern, sondern als journalistische Institution auch noch gemeinnützig.
"Voraussetzung ist erst mal, dass wir kein Gewinnstreben haben. Wir wollen keine Profite machen. Wir wollen uns nicht bereichern. Der zweite Grund ist, unser Bestreben nicht ist, einfach eigene Geschichten zu machen, die wir rausgeben, sondern unser Bestreben ist es, Wissen zu verbreitern. Wir haben uns so einem Punkt verschrieben, der nennt sich Volksbildung: Wir wollen dafür sorgen, dass die Methoden des investigativen Journalismus verbreitert werden."
Jeder soll in die Investigation eintauchen können – Journalisten, aber auch Bürger. Correctiv plant dafür Schulungen im Auskunftsrecht und will Mitgliedern beibringen, wie sie Informationen aus den Aktenschränken ihrer Behörden befreien können, mit den richtigen Anträgen und notfalls auch vor Gericht. Eine kleine Kampfansage.
In Düsseldorf bereitet unterdessen die Landesanstalt für Medien, die LfM, den Start eines weiteren Projekts vor: eine Stiftung für Vielfalt und Partizipation.
"Es geht um lokalen und regionalen Journalismus und dort sehen wir gerade im Bereich der Tageszeitungen, dass ausgehend von der Finanzierung die Frage, wie qualitätsvoll kann er sein, wie ist er finanziert, uns sorgen macht, gemessen an früher,"
erklärt Werner Schwaderlapp, Vorsitzender der LfM-Medienkommission. Die Landesmedienanstalt wird aus dem Rundfunkbeitrag bezahlt – und so auch ihr jüngstes Projekt, das der nordrhein-westfälische Landtag gerade beschlossen hat.
"Nun kann eine solche Stiftung, die mit 1,6 Millionen Euro im Jahr ausgestattet ist, nicht den lokalen Journalismus retten. Aber sie kann einiges tun, dass vielleicht die Entwicklung des Lokal- und des Regionaljournalismus im digitalen Zeitalter gefördert wird."
Bis zum Herbst soll die Stiftung ihren Betrieb aufnehmen. Die LfM plant bereits eine erste Veranstaltung für den Oktober. Gemeinsam mit Vertretern aus Verlagen und Wissenschaft soll dann ausgelotet werden, was die neue Stiftung genau tun soll. Immerhin, schon jetzt ist klar, was die Stiftung nicht tun wird: Inhalte liefern.
"Die Stiftung wird keinen Journalismus selbst veranstalten, sondern erst mal hingucken: Wie sieht es im lokalen und regionalen Journalismus eigentlich aus? Was gibt es für gute Beispiele, wie sich lokaler Journalismus anders als in traditionellen Formen darstellen, aber auch finanzieren kann?"
Ausgedacht hat sich die Stiftung einst die Düsseldorfer Staatskanzlei. Auch, weil sie beobachtet hat, wie der Journalismus in der Region schwindet – und das nicht zuletzt bei der "WAZ", deren einstiger Recherchechef David Schraven jetzt ebenso versucht, mit stiftungsfinanziertem Journalismus die Qualität seiner Branche zu retten. Damit sind sich plötzlich alle einig: Auf die Kraft der Verlage vertrauen sie heute nicht mehr.