Die prominentesten Seitenwechsler - Journalisten also, die plötzlich auf Seiten des politischen Apparats zu Sprechern werden - arbeiten in Berlin. Es sind die Regierungssprecher. Chef seit bald acht Jahren ist Steffen Seibert. Schon vor seinem Wechsel hat er politische Veränderungen erklärt – damals allerdings im ZDF.
"Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten."
"Schloss Bellevue kurz nach 14 Uhr. Ein sehr bewegter Horst Köhler zieht eine einsame Konsequenz und steigt aus. Zurück lässt er viele Fragen und eine konsternierte Bundesregierung."
Eine "konsternierte Bundesregierung" - es ist die Formulierungen des Journalisten Seibert. Der Sprecher Seibert muss "seine" Regierung seitdem möglichst gut verkaufen. Immerhin auf die Frage, was ihn denn zu diesem Seitenwechsel getrieben habe, outete er sich quasi als Fan von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
"Weil ich eine große Sympathie, vielleicht auch Bewunderung für die Arbeit der Bundeskanzlerin habe."
Nicht nur gelegentlich dabei, sondern mittendrin
Die Aura der Mächtigen - nicht nur als Journalist gelegentlich dabei sein, sondern als Sprecher immer mittendrin: Das ist zweifellos eine Motivation für Seitenwechsel in die politische Sphäre. Martina Fietz, bislang Parlamentsreporterin von "Focus Online" hat gerade "rübergemacht". Sie ist nun Seiberts Stellvertreterin - neben Ulrike Demmer, die bereits vor zwei Jahren von der Zeitungsgruppe Madsack kam.
In einigen Bundesministerien kamen mit neuen Ministern auch neue Kommunikatoren. Im Bundesgesundheitsministerium und ebenso im Bundesverkehrsministerium sprechen nun bisherige "Bild"-Journalisten.
Auch auf Landesebene immer wieder solche "Seitenwechsel".
Auszug aus der Tagesschau: "Also auf alle Fälle ist es jetzt zum ersten Mal ein Symbol der Geschlossenheit und der Beleg dafür, dass sich bei der CSU dann doch anscheinend immer doch die kollektive Vernunft durchsetzt, wenn es darauf ankommt..."
Im März noch landespolitischer Berichterstatter der ARD in München, seit April Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen.
Aus dem ARD-Hauptstadtstudio wechselte wiederum schon vor einem Jahr eine Korrespondentin als Sprecherin in die Bundesagentur für Arbeit, die zuvor über Sozialpolitik berichtet hat - etwa den Wunsch der Gewerkschaften nach einem stabilen Rentenniveau.
Auszug aus der Tagesschau: "Bei einem Spitzentreffen im Bundesarbeitsministerium hat der DGB diese Forderung noch einmal bekräftigt. Die Arbeitsministerin legt sich heute auf keine Zahl fest, unterstützt aber das Prinzip…"
Ein früherer Kollege von ihr spricht nun wiederum neuerdings für den Deutschen Bauernverband - und hat so im Berliner Regierungswechsel die Rolle getauscht.
Geregelte Beschäftigung statt freie Arbeit
@mediasres hat versucht, mit "Seitenwechslern" ins Gespräch zu kommen, frischen wie teils auch etablierten. Niemand möchte beispielsweise über seine Motivation reden - zumindest derzeit. Hinter den Kulissen ist allerdings zu hören - mal von Betroffenen selbst, mal aus ihrem Umfeld: Nicht immer ist es nur der Reiz, mal direkt im politischen Apparat zu arbeiten statt nur über ihn zu berichten: Mal hat eine Reporterin oder ein Reporter in einer Stadt privat Wurzeln geschlagen, während Anstalt oder Verlag sie oder ihn andernorts einsetzen möchte. Dann wieder treibt die Suche nach geregelterer Beschäftigung, anders als sie teils Zeitungen und Sendern Autoren bieten, die oft auf Zeitverträge oder ganz auf freie Mitarbeit setzen.
Rückkehroptionen
Und dann ist da noch die heikle Frage der Rückkehr-Option. Die ARD bietet sie "Seitenwechslern" teils an - so für die Sprecherin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die ebenfalls zuvor politische Reporterin war. Sogar bei Verlagen ist eine Rückkehroption nicht gänzlich ausgeschlossen. Seiberts Stellvertreterin Ulrike Demmer hat selbst bestätigt, mit der Madsack-Gruppe eine vereinbart zu haben.
Zu konkreten Fällen äußern sich Verlage und Sender aber selten. So teilt ein Sprecher der "Bild"-Zeitung lediglich mit:
"Bei Axel Springer gibt es grundsätzlich kein Rückkehrrecht."
Und bei "Focus Online" heißt es auf die Frage, ob die neue stellvertretende Regierungssprecherin zurückkommen könnte:
"Wir sind offen für ehemalige Mitarbeiter, die ihren Erfahrungsschatz extern erweitert haben und danach die Rückkehr zu unserem Unternehmen beabsichtigen."
Bei Regierungssprecher Seibert ist der Fall wiederum klar. Er kann zum ZDF zurück. Allerdings betont das ZDF auch, als Journalist dürfe der heutige Regierungssprecher dann nicht mehr arbeiten.