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Journalist Ehling kritisiert geplante Urheberrechtabgabe im Internet

Internetportale wie Google News sollen künftig eine Abgabe an den Urheberverlag zahlen, wenn sie fremde Presseartikel - auch auszugsweise - in ihre Seite einbinden: So will es die Koalition. Medienfachmann Holger Ehling meint: Damit würden die Verlage der Netzgemeinde vorschreiben, was sie lesen dürften und was nicht.

Christoph Schmitz sprach mit Holger Ehling | 05.03.2012
    Christoph Schmitz: Das Internet hat was vom Wilden Westen. Viele machen, was sie wollen. Das geplante internationale Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen will auf völkerrechtlicher Ebene gegen die Urheberrechtsverletzungen vorgehen. Die Netzgemeinde der Benutzer wehrt sich dagegen und befürchtet Zensur und Freiheitsbeschränkung. Die Diskussion ist noch im Gange. Gestern hat die Regierungskoalition in Berlin in einer anderen Internet-Angelegenheit sich daran gemacht, eines ihrer medienpolitischen Vorhaben in die Tat umzusetzen: Kommerzielle Nachrichtenportale im Internet sollen künftig eine Abgabe an Presseverlage zahlen, wenn die Portale fremde Presseartikel in ihr eigenes Angebot einbinden. Medienexperte Holger Ehling: Worum genau geht es?

    Holger Ehling: Ja schon bei der Formulierung "kommerzielle Nachrichtenportale" sind wir eigentlich schon auf der falschen Spur. Es geht hier darum, dass sogenannte Nachrichten-Aggregatoren zur Kasse gebeten werden sollen. Das ist zum Beispiel "Google News", das sind aber auch Spezialdienste wie etwa "Mashable" oder "Techcrunch", die in ganz spezifischen Interessengebieten Nachrichten von größeren Medien zusammenfassen, auf eine Seite stellen und per Link dort hinleiten. Dort gibt es dann entweder Abomodelle oder es gibt Werbemodelle, über die sich diese Aggregatoren finanzieren. Was sie nicht machen, ist das, was ein kommerzielles Nachrichtenportal tun würde, nämlich diese Links zu verkaufen. Verkaufen tun es höchstens im Einzelfall die ursprünglichen Bereitsteller, wie zum Beispiel "Handelsblatt" oder "FAZ" oder "Süddeutsche Zeitung".

    Schmitz: Aber was andere herstellen, ins Internet stellen, das geben diese Portale ja weiter. Sie nutzen ja das, was andere schon produktiv hervorgebracht haben. Was sagen nun die Kritiker? Ist das richtig so?

    Ehling: Sie machen den Link. Das heißt, sie zeigen dem Benutzer dieser Portale, wo es etwas Interessantes zu lesen gibt.

    Schmitz: Aber sie zitieren es ja auch?

    Ehling: Aber nur in ganz kurzen Ausschnitten, in sogenannten Snippets. Lesen kann man das eigentlich nur bei den wirklichen Herstellern, also bei der "FAZ" oder "Süddeutschen Zeitung".

    Schmitz: Aber "Perlentaucher" zitiert es ja auch weitläufig?

    Ehling: Ja.

    Schmitz: Worauf ich aber hinaus möchte, ist jetzt die Kritik. Was sagen Kritiker zu diesem Vorhaben?

    Ehling: Kritiker sagen, dass es sich eigentlich einreiht in die Reihe von ziemlich sinnlosen Internetgesetzen, die wir in den letzten Jahren gehabt haben. Da kann man im Bereich der Öffentlich-Rechtlichen an die Zwangsabgabe denken, die jeder Haushalt zahlen muss, wo gleichzeitig jede Pornobude ein Abonnement-System machen kann. Es geht um die Geschichte, dass hier ein einzelner Industriebereich, nämlich die Presseverlage, im Grunde der Netzgemeinde vorschreiben wollen, was sie lesen dürfen und was nicht und zu welchen Konditionen. Wenn es denn so wäre, dass ich hergehen müsste als Benutzer, der an irgendwas interessiert ist, und mich bei "FAZ", "Handelsblatt" oder so etwas einloggen und abonniere, würden die wenigsten dann etwas dagegen haben. Viele von den Zeitungen sind aber noch nicht in der Lage, oder sind auch zu feige, um ihre eigenen Angebote wirklich kostenpflichtig zu machen, weil sie damit rechnen, dass massive Nutzerabbrüche dann passieren würden. Die Hälfte bis zwei Drittel aller Besuche auf den Web-Seiten von Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland werden durch Suchmaschinen hergestellt, oder werden durch Aggregatoren hergestellt. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Verkehrs, der auf die Seiten geleitet wird von diesen Aggregatoren, ist riesig.

    Schmitz: Aber die Zeitungsverlage begrüßen dieses Gesetz, dieses Vorhaben.

    Ehling: Ja natürlich, denn sie bekommen auf einfache Weise, meinen sie jedenfalls, Geld in die Kasse gespült, und ich fand das sehr nett, dass in einem Nachsatz zu dem Gesetzesentwurf es dann auch heißt, dass die Urheber in irgendeiner Form auch entschädigt werden sollen. Ja vielen Dank! Ohne uns Urheber kann eine Zeitung auch nichts schreiben. Aber nun gut, es ist nun mal so. Die Zeitungen haben über die Jahre hinaus versäumt, ein vernünftiges Entlohnungsmodell für ihre Online-Angebote aufzubauen. Viele von ihnen sind auch nicht in der Lage, ein Angebot zu machen, das über das beliebige Angebot hinausgeht, das zum Beispiel über die Nachrichtenagenturen verbreitet würde. Das ist auch so eine Frage: Wie gehen wir um mit den vielen, vielen Artikeln, die 200-, 300-fach pro Tag ausgesendet werden ins Internet, die von Nachrichtenagenturen kommen. Da gibt es auch keine Antwort drauf.

    Schmitz: Gibt es denn keinen Handlungsbedarf in dieser Sache?

    Ehling: Es gab immer einen Handlungsbedarf. Allerdings gab es von Anfang an eigentlich nur die Maximalforderung der Presseverlage, die das auch durch gezielte und gute Lobbyarbeit schon in den Koalitionsvertrag 2009 haben aufnehmen lassen können. Jetzt schreitet man so langsam zur Tat. Ob das allerdings so tatsächlich wird, wie es jetzt abgesegnet ist, halte ich noch für sehr, sehr zweifelhaft.

    Schmitz: Holger Ehling, vielen Dank für diese Erläuterungen über den Vorstoß der Regierung zur Reform des Urheberrechts.