Boris Johnson hat sich selbst ein Image erschaffen. Er inszeniert sich als ewiger Schuljunge, indem er schlecht vorbereitet, im Ton manchmal etwas pubertär oder flegelhaft auftritt. All das tue Johnson sehr bewusst, schreibt Jan Roß. Er sei eine Kunstfigur.
Johnson ist nicht gleichzusetzen mit Trump
Die britische Bevölkerung war schon vor der Ära Johnson gespalten, dennoch hat der konservative Politiker einige Gräben vertieft. Nicht nur deshalb wird Johnson oft mit US-Präsident Trump verglichen und auch als Populist bezeichnet. Jan Roß hält beides für falsch. Populistische Tendenzen könne man dem Premier schon nachsagen, erläutert Roß im Gespräch. Aber der Hauptunterschied zu Trump sei, dass Johnson nicht bösartig sei, nicht hetze oder Wut schüre. Dennoch stand er an der Spitze der Brexit-Kampagne, die eine xenophobe Kampagne war, wie Roß einräumt.
Als Johnson im vergangenen Jahr das Parlament beurlaubt hat, um seinen Brexit-Kurs ohne weitere Debatten durchzudrücken, habe er sich allerdings gewissermaßen schlechter benommen als Trump, erläutert Roß. Damals habe er die Grenzen im Umgang mit der Verfassung überschritten und eine entsprechende Niederlage hinnehmen müssen.
Neuer Konservatismus in Großbritannien
Neben handwerklichen Fehlern und persönlichen Schwächen benennt Roß in seinem Buch auch die Leistungen Johnsons, vor allem, was er für seine Partei erreicht hat. So hat er eingefleischte Labour-Wähler für die Tories gewonnen und dazu beigetragen, dass sich ein modernerer Volkskonservatismus in Großbritannien etabliert hat, ähnlich wie die Christdemokratie in Deutschland. Als Londoner Bürgermeister habe Johnson bereits unter Beweis gestellt, dass er kein typischer Konservativer, sondern eher ein liberaler Kosmopolit sei. Er habe sich für Einwanderung und die gleichgeschlechtliche Ehe eingesetzt. Diese Positionen vertrete er weiterhin, aber durch den Brexit sei Johnson zu einer polarisierenden Figur geworden.
Mit dem neuen Binnenmarktgesetz, das dem Brexit-Abkommen widerspricht, zeige sich Johnson wieder einmal als risikofreudiger Spieler. Das könne ihn innerhalb der Tories Sympathien kosten, ebenso wie sein Covid-Kurs. In Sachen Corona-Politik habe die Regierung Johnson einen neuen Gegenspieler. Der neue Labour-Chef Keir Starmer sei als Kontrast zu Johnson derzeit die richtige Taktik für die Opposition. Ob er bis zur nächsten Wahl ein ernsthafter Konkurrent bleiben kann, da ist Jan Roß skeptisch.
Jan Roß: "Boris Johnson. Porträt eines Störenfrieds",
Rowohlt Berlin, 173 Seiten, 18 Euro.
Rowohlt Berlin, 173 Seiten, 18 Euro.